Urteil: MDK-Gutachten auf dem Prüfstand
Die Krankenversicherungen haben gegenüber ihren Mitgliedern die Pflicht zum aktiven Handeln, um diese vor gesundheitlichen Schäden zu beschützen – Garantenpflicht nennt man das. Dazu gehört auch die Prüfung von Stellungsnahmen des Medizinischen Dienstes.

Im Jahr 2009 erhielt der Versicherte einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in Baden-Württemberg ein Schmerzensgeld zugesprochen, weil seine Krankenkasse ihm eine Prothese zunächst versagt hatte (Landgericht Ellwangen, Urteil vom 13.02.2009, Az. 3 O 97/08).
Der Fall
Die GKV hatte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) beauftragt, ein Gutachten anzufertigen. Dieses wurde lediglich nach Aktenlage erstellt, fiel negativ für den Versicherten aus und wurde von der GKV zur Grundlage eines Widerspruchsbescheids. Der Betroffene konnte sich mit der vorhandenen, nicht mehr passgenauen Prothese und einer Badeprothese nur unzureichend behelfen, war in seiner Mobilität stark eingeschränkt und aufgrund von Druckstellen teilweise nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Er klagte auf Schadensersatz und legte dem Gericht seine Situation und weitere Folgeschäden durch die verzögerte Bearbeitung seines Antrags dar. Zudem habe er seiner Krankenkasse im Widerspruchsschreiben den Sachverhalt erklärt und eine persönliche Untersuchung durch den MDK gefordert.
Das Urteil
Das Gericht gab ihm in der Auffassung Recht, dass die GKV die Prüfung seines Falls nur unzureichend vorgenommen habe, und kam zu dem Schluss, dass die beantragte Versorgung angemessen und notwendig sei. Auch die GKV hatte diese Einsicht inzwischen gewonnen, verteidigte aber weiterhin ihr Vorgehen. Insgesamt wurde das Verhalten der GKV bzw. des zuständigen Sachbearbeiters als Amtspflichtverletzung eingestuft. Der unzureichenden Erfüllung des Gutachtenauftrags durch den MDK hätten weitere Bemühungen der GKV zur Aufklärung des Sachverhalts folgen müssen.
MDK-Gutachten muss mindestens allgemeinem Sachverstand genügen
Damit entspricht das Urteil dem Tenor der Sozialgesetzgebung, die grundsätzlich immer den individuellen medizinisch notwendigen Bedarf in den Vordergrund stellt. Versicherte ihrerseits sind aufgefordert, ihre Situation den zuständigen Ansprechpartnern unmissverständlich, begründet und nachvollziehbar zu vermitteln. Zudem wird aus dem Urteil ersichtlich, dass das Gutachten eines MDK nicht immer der Weisheit letzter Schluss sein muss. Es entlässt den Sachbearbeiter einer Krankenversicherung nicht aus der Pflicht, eine Sachlage mit allgemeinem Sachverstand zu prüfen. Das medizinische Fachwissen obliegt dem MDK, aber offensichtliche Ungereimtheiten oder erkennbare Missverständnisse erfordern das aktive Eingreifen des Sachbearbeiters im Sinne seiner Garantenstellung.