„Ich muss das gar nicht groß überzeichnen“ – Phil Hubbe über seine satirischen Cartoons

Wer sich im Bereich der Rehabilitation bewegt, könnte es früher oder später mit den glubschäugigen Figuren des Magdeburger Cartoonisten Phil Hubbe zu tun bekommen. Verheddert im täglichen Wahnsinn eines mehr oder minder inklusiven Miteinanders tourten sie durch Deutschland.

„Das Thema gibt viel her“, freut sich Phil Hubbe auf einer Finissage seiner Ausstellung „Mit Behinderungen ist zu rechnen“ in Nieder-Olm bei Mainz, wie sich ein Satiriker eben über Missstände freut, die seine Arbeit befeuern und in ihm das aufblitzen lassen, was hinterher so rabenschwarz auf dem Papier landet. Das ältere Pärchen etwa, das im Urlaub unverhofft auf ein vergnügtes Grüppchen Behinderter trifft:

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Seine Krankheit Multiple Sklerose (MS) sieht man Hubbe nicht an. Nur wer fragt, erfährt, dass er nach einem MS-Schub schon flachgelegen hat, kurze Zeit im Rollstuhl saß und selbst nicht weiß, mit welchen Behinderungen noch zu rechnen ist. „Aber das weiß ja ohnehin niemand“, sagt er, und dass das Zeichnen auch eine Therapie für ihn sei. Die gesellschaftliche Akzeptanz der Cartoons ist mit der MS eng verbunden. Sie legitimiert sie erst, so nach dem Motto: Der weiß, wovon er spricht, der darf das.

Auch der Bürgermeister der Gemeinde Nieder-Olm hielt eine Ausstellung mit solchen Szenen zunächst für völlig undenkbar. „Nicht in meinem Rathaus!“, sei seine erste Reaktion gewesen.

„Dabei beschweren sich die Betroffenen selbst höchstens darüber, dass ich ihre Krankheit noch nicht verarbeitet habe“, hält Hubbe dagegen, wenn ihm jemand mit political correctness kommt. Im Nieder-Olmer Rathaus schließlich doch noch herzlich willkommen, gaben die ausdrucksstarken Szenen dem abstrakten Begriff der Inklusion im Dezember 2013 ein Gesicht, über das gelacht und diskutiert wurde.

Seine eigenen Erfahrungen und der Kontakt mit Freunden, die Rollifahrer sind, bescherten und bescheren dem 47-Jährigen laufend neue Impulse. „Ich muss das gar nicht groß überzeichnen“, kommentiert Hubbe die manchmal fehlende Augenhöhe, Gedankenlosigkeit in Sprache und Umgang, aber auch Situationskomik.

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Ob wirklich das Bedürfnis, Menschen mit Behinderungen zu schützen dahinter steckt, wenn Nicht-Behinderte die Cartoons mit dem Verweis auf Pietät ablehnen, oder ob sie sich am Ende selbst zu sehr aufs Korn genommen fühlen, ist kaum auszumachen. Vielleicht sei es auch die Angst, mit dem Thema überhaupt konfrontiert zu werden, vermutet Hubbe: „Je älter man wird, umso eher hat man sich seine Welt eingerichtet und glaubt, das geht mich nichts an – aber das stimmt nicht.“

Erwachsene, die hinschauen, trauten sich häufig gar nicht, zu lachen oder erst, nachdem ein anderer es vor ihnen gemacht habe. „Ich frage mich, ob über die Szenen in dem Film ‚Ziemlich beste Freunde‘ so herzhaft gelacht würde, wenn es nicht dunkel im Saal wäre, wenn sich die Zuschauer dabei beobachtet fühlen würden“, überlegt der Cartoonist, der außerdem regelmäßig bissige politische Zeichnungen in Tageszeitungen veröffentlicht. 1992 hat er sein Hobby zum Beruf gemacht. Dass sein Humor nicht jedermanns Ding ist, damit kann er leben, aber: „Tageszeitungen würden einen Behinderten-Cartoon nie drucken.“ Noch vorsichtiger seien Bundesministerien. Stattdessen werde breit über Begrifflichkeiten diskutiert, über „Behinderte“ und „Menschen mit Behinderung“. „Das ärgert mich, weil es nicht entscheidend ist. Entscheidend ist, wie jemand mit einem Behinderten umgeht, wenn er ihn vor sich hat.“

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Gern erzählt Phil Hubbe die Geschichte eines Hausmeisters, der seine Cartoons für eine Ausstellung an die Wand brachte. Das letzte noch aufzuhängende Original zeigte nebenstehendes Bild. Da fiel dem Hausmeister auf, dass er selbst alle Rahmen deutlich über physischer Augenhöhe eines Sitzenden angebracht hatte, konnte das aber aus Zeitgründen nicht mehr ändern.

Der Lappan Verlag, der Hubbes Cartoons mittlerweile gesammelt als Bücher herausbringt, rang 2 Jahre mit dem Risiko eines Misserfolgs und verlegte schließlich zaghaft das erste Buch in kleiner Auflage. „Aber es hat eben fast jeder 10. einen Schwerbehindertenausweis“, sagt Hubbe, und so wurde „Der Stuhl des Manitou – Behinderte Cartoons“ 2004 ein Erfolg; weitere Bände folgten. Hubbe skizziert darin nicht nur Personen mit sogenannten Mobilitätseinschränkungen, auch Menschen mit Sinnesbehinderungen oder Depressionen erleben Wunderliches. Zugleich hat er die Sicht Nicht-Betroffener aufgegriffen, die Angst etwas falsch zu machen, die Sensibilität des Themas in einem Land, das Inklusion großschreibt. So gibt einer seiner Cartoons eine Szene im öffentlichen Nahverkehr wieder: Der Reifen eines Rollstuhls parkt unsanft auf dem Fuß eines Fahrgastes, der tapfer schweigt, „sonst denkt noch jemand, ich hätte was gegen Behinderte.“

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Kinder seien bei dem Thema viel unbefangener. Mit ihnen bastelt Hubbe, selbst Vater, gelegentlich auf Seminaren an Geschichten, setzt ihre Erfahrungen zeichnerisch um oder hilft den Kids, selbst etwas zu malen. „Ich bekomme neue Ideen und habe einen Heidenspaß“, sagt er und freut sich auf weitere ähnliche Projekte.

www.hubbe-cartoons.de

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