Mit Leib und Seele – der Fotograf Rasso Bruckert

Rasso Bruckert kommt ursprünglich aus Bayern, jetzt lebt der Fotograf, Ehemann und Vater von Zwillingen in der Nähe von Heidelberg. Einen Namen hat sich Bruckert, der selbst querschnittgelähmter Rollstuhlfahrer ist, mit Fotoprojekten zum Thema Menschen mit Behinderung gemacht – aber er kann auch anders.

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In dem kleinen Ort Mauer, in dem Rasso Bruckert seit 15 Jahren wohnt, kennen ihn die Menschen.

Es hat sich rumgesprochen, dass er „die Seele des Dorfes“ festhalten will in seinen Bildern. In einem Klassenzimmer der örtlichen Schule hat er sich ein Fotostudio eingerichtet. Dort begeben sich die Einwohner von Mauer mit Bruckert für das Projekt „Jedes Dorf hat eine Seele“ auf die Suche nach dem, was ihre Heimat ausmacht und finden vor allem sich selbst in den Fotografien wieder: „Alle zusammen bilden sie die ‚Seele‘ des Dorfes.

Jeder Ort erhält so seinen einzigartigen Charakter, unverwechselbar, dennoch wandelbar durch die  Menschen, die in ihm leben.“ Betrachtern der Fotos will Bruckert ein Gefühl dafür geben, welche Art von Menschen in Mauer leben und „was bei uns los ist.“

Kamera, Pinsel und Farbe

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Mit der neuen Porträtserie beendet er eine fotografische Schaffenspause: „Ich bin ein bisschen abgetaucht und habe die Malerei für mich entdeckt“, sagt er über die Zeit dazwischen. Eigentlicher Anlass für die Auszeit als Fotograf war eine Krankheit seiner Frau; Bruckert kümmerte sich auch um die heranwachsenden Töchter. Irgendwann begann er mit dem Malen. Dabei interessieren ihn auch an der Staffelei vor allem die Menschen. Gesichter und Akte in verschiedenen Techniken prägen seine Arbeiten. Einige davon sind auf seiner Homepage zu sehen, aber Bruckert ist und bleibt Fotograf und die Malerei ein Exot unter den Schwerpunkten seines Schaffens.

Die Akt- und Porträtfotografie und  die Dokumentation sportlicher Ereignisse sind seine Steckenpferde. Das Know-how eignete er sich u. a. durch ein Studium der Fotografie in San Francisco an. Drei Jahre lebte Rasso Bruckert an Kaliforniens Küste. Dann kehrte er nach Deutschland zurück und begann 1991 mit dem Projekt „ganz unvollkommen“, einer Aktserie von Frauen und Männern mit verschiedenen körperlichen Handicaps. Die Fotografie von Menschen mit Behinderung hat er seither immer wieder aufgegriffen, sodass sie der Schwerpunkt seiner Arbeit geworden ist. Ein Zufall ist das nicht, denn mit 18 überstand er einen Autounfall, behielt aber eine Querschnittlähmung zurück und ist seitdem Rollstuhlfahrer.

Schönheit, Kraft und Selbstbewusstsein in der Fotografie

„Das brachte mich zunächst in die sozialpädagogische Richtung, ich hatte nämlich noch keinen Beruf als es passierte“, erzählt Bruckert. In Heidelberg ließ er sich zum Sozialarbeiter ausbilden, arbeitete in einem Berufsbildungswerk und als Dozent der Sozialpädagogik, bis er mit Mitte 30 schließlich zu seiner eigentlichen Leidenschaft fand.

Was zunächst nur als USA-Reise geplant war, bereitete den Weg für eine Einschreibung am City College San Francisco, wo Bruckert sich nicht nur das nötige Handwerk der professionellen Fotografie aneignete, sondern auch stilbildende Eindrücke mitnahm. „Ich hatte dort eine Lehrerin, die Porträtfotografie unterrichtet: Gypsy Ray. Ich war von der Art ihrer Fotografie, aber auch von ihrer Person sehr angetan. In dieser Zeit bin ich auf die Idee gekommen, Aktfotografien von Körperbehinderten zu machen. Ich wollte die Schönheit, Kraft und das Selbstbewusstsein der Fotografierten zeigen und bei dem Betrachter eine Veränderung im Denkprozess anregen.“ Aus den Bildern entstanden ein Bildband und eine Ausstellung, die bis heute ausgeliehen werden kann.

Als Insider unterwegs

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Einen ganz anderen Ansatz verfolgte der Fotograf mit dem Projekt „QA – Einblicke in eine Station für Querschnittgelähmte der Orthopädischen Universitätsklinik in Heidelberg / Schlierbach“. „Dabei bin ich unheimlich ungern in Kliniken“, sagt Bruckert; die Idee, frischverletzte Patienten zu begleiten, schwelte damals aber schon länger in ihm. Auch wenn er wusste, dass das Unterfangen ihn an eigene Erfahrungen erinnern würde. „Aber das war zugleich auch eine Motivation. Als ‚Insider‘ bekommt man eher einen Zugang, und ich wollte die Dinge ja möglichst ungeschminkt darstellen.“ Selten sei ihm in Schlierbach jemand begegnet, der völlig verzweifelt war. „Eher Leute, die sehr schnell versuchten, was aus der Situation zu machen.“

Daher beinhaltet der gleichnamige Fotoband viele fröhliche Motive, aber eben auch den ungeschönten Stationsalltag und die Sicht eines Dritten ohne Weichzeichner. „Man sieht sich als Betroffener selbst anders oft als andere einen sehen und denkt, das klappt schon“, weiß Bruckert im Rückblick. „Da kann so ein Bildmaterial einen schon sehr auf den Boden der Tatsachen zurückbringen.“

Trotzdem müssen ihm viele Türen offen gestanden haben, denn die Bilder begleiten Frauen und Männer jeden Alters in zahlreichen, auch intimen Bereichen des Klinikalltags: beim assistierten Essen, in der Physio- und Ergotherapie, beim Sport und Schwimmen, Duschen oder Verschnaufen. „Viele waren sehr offen, aufgeweckt und nicht niedergeschlagen; nicht das, was man erwarten würde.“ Zusätzlich zu den Fotografien protokollierte Rasso Bruckert die Geschichte, der Menschen, die ihm begegneten in Worten: Erinnerungen an den Unfall, Empfindungen, Ängste und Hoffnungen; bei Mitarbeitern Erfolgserlebnisse wie Belastungen und den Versuch, all dem mit professionellem Abstand zu begegnen.

Heimat in Bildern

Auch für sein aktuelles Projekt holt er Sichtweisen ein, fragt danach, was den Einwohnern von Mauer, den „Mauermern“, der Begriff Heimat bedeutet. Ziel ist wiederum, eine Ausstellung aus den Fotografien und Texten zu gestalten und sie in einem Bildband zu verewigen.

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Und was bedeutet ihm Heimat? „Ich unterscheide zwischen zuhause – das ist hier, wo ich lebe – und Heimat. Bayern ist meine Heimat, da komme ich her.“ Ein irrationales Gefühl des Hierher-Gehörens beschleiche ihn tief im Inneren, wenn er sich dem Voralpenland nähert, den Bergen, in denen sich die Familie früher so oft bewegte, und er unwillkürlich das Bayerische auspackt als wäre er nie weggewesen. „Ich bin dort mit Leuten, die ich in 30 Jahren zweimal gesehen hab, vertrauter als mit vielen, die ich hier kenn“, sagt er.

Trotzdem, sein Zuhause sei Mauer und Umgebung, die Freunde dort und die Kontakte, die nicht nur seine fotografischen Projekte erst möglich machen. Umziehen kommt für ihn nicht infrage. „Man muss sich schließlich immer fragen, was würde ich dort tun?“ Und auf diese Frage hat Mauer viele Antworten.

www.rasso-bruckert.de