Multiple Schicksale – Vom Kampf um den eigenen Körper

Multiple Schicksale“ ist der Dokumentarfilm des Schweizer Filmemachers Jann Kessler. Verschiedene Menschen, die mit der Diagnose Multiple Sklerose leben, sprechen vor der Kamera über ihre Erfahrungen und gewähren bewegende Einblicke.

Multiple Sklerose (MS) ist eine degenerative, entzündliche Autoimmunerkrankung, die bei ihrem Fortschreiten zu einer Querschnittlähmung führen kann (siehe: Multiple Sklerose und Querschnittlähmung). Hinzu kommen weitere Funktionsverluste, wie etwa das Schwinden des Seh- und Sprechvermögens. Da MS in individuell unterschiedlich verlaufenden Schüben erfolgt, lässt sich über den Verlauf der Krankheit kaum eine Aussage treffen und das ungewisse Schicksal, dem man ausgesetzt ist, ist für Betroffene besonders belastend.

Multiple Schicksale – Der Film

In Jann Kesslers Film werden die verschiedenen Aspekte des Lebens – und des Sterbens – mit Multipler Sklerose gezeigt. Er lässt eintauchen in Mut und Verzweiflung, Schicksalsschläge und Zuversicht. Dabei gewährt die Kamera tiefe Einblicke, hält aber trotzdem eine respektvolle Distanz. Entstanden ist ein vielschichtiger Film, der von tiefem Vertrauen zeugt und vor schwierigen Fragen ebenso wenig zurückweicht wie vor den wunderbaren Momenten des Lebens.

Als Kessler fünf Jahre alt ist, erkrankt seine Mutter an Multipler Sklerose. In der Familie wird über die untypisch schnell verlaufende Krankheit nicht gesprochen; als Kessler selbst endlich darüber reden will, hat seine Mutter die Sprechfähigkeit verloren. In der Hoffnung Weiteres zu erfahren, begibt sich der damals 18-jährige Filmemacher auf eine Reise quer durch die Schweiz und trifft andere Menschen, die mit MS leben.

Die Menschen, die Schicksale

  • Graziella ist zweifache Mutter. Sie gibt sich Mühe auf sich und ihren Körper zu hören, vermeidet es aber über ihre Krankheit zu sprechen da sie, wie sie sagt, ihre eigene Angst nicht auf andere übertragen will.
  • Der ehemalige Marathonläufer Rainer sucht wegen dem bereits eingetretenen Verlust seiner Selbstbestimmung den Kontakt zu einer Sterbehilfeorganisation.
  • Bernadette ist auf den Rollstuhl und die Unterstützung von Familie, Nachbarn und Pflegedienst angewiesen. Der Abbau ihres Körpers belastet sie, doch sie kann sich noch immer an den kleinen Dingen des Lebens freuen.
  • Melanie hat die Diagnose MS erst kurz vor Drehbeginn bekommen und steckt noch mitten im Verarbeitungsprozess. Sie gewöhnt sich langsam an die neue Situation, die ihr eine Umstrukturierung ihres Lebens abverlangt, doch davor ihrem beruflichen Umfeld von ihrer Krankheit zu erzählen, scheut sie noch zurück.
  • Zwanzig Jahre nach dem ersten Auftreten seiner Krankheit ist Theologe Oliver Familienvater und regelt seinen Alltag mit einer straffen Zeitplanung, die es ihm ermöglicht allen Aufgaben gerecht zu werden.
  • 18 Jahre alt und noch Schülerin war Luana als ihre MS diagnostiziert wurde. Obwohl sie einiges aufgeben musste, kann sie ihrer Krankheit auch Gutes abgewinnen.

Kessler erzählt, wie wichtig es ihm bei dem Projekt war dazustellen, wie die Menschen mit ihrer Krankheit umgehen. Er berichtet von Menschen, die „trotz stärkerer Symptome eine unglaubliche Liebe, eine unglaubliche Kraft ausstrahlen, eine Ehrlichkeit im Umgang damit. Ich möchte mit meinem Film nicht nur an der Oberfläche kratzen, sondern helfen, Prozesse auszulösen, die auch mir persönlich so viel gegeben haben.“

Teil der Geschichte und Anstoß zum Projekt war Kesslers eigene Mutter, die zum Zeitpunkt des Drehs von ihrer MS schon so eingeschränkt war, dass sie nicht mehr sprechen konnte. Zunächst war er allerdings unschlüssig, ob sie Teil des Films sein sollte, entschied sich nach dem positiven Zuspruch seiner Familie dann aber doch dazu: „… das Verständlichmachen von Mamas Geschichte, aber auch meine eigene Suche, bilden den roten Faden des Filmes und sind essentiell für das, was der Film zu erzählen und vielleicht auszulösen vermag. Zu sehen sind aber auch frühere Aufnahmen von ihr, ohne sichtbare Einschränkungen durch die MS. Dadurch gelingt es aus meiner Sicht, Mamas Würde zu erhalten, vielleicht sogar zu stärken.“

Eindringlich und berührend

Potentiellen Zuschauern muss klar sein, dass es hier kein Feel-Good Movie zu sehen gibt. Dass es sich bei „Multiple Schicksale“ um einen Dokumentarfilm handelt, der die (oft schonungslose) Wirklichkeit zeigt. Die Geschichten, die Kessler erzählt, sind eindringlich und berührend und sie wecken den Respekt vor den Menschen im Film – den Betroffenen, ihren Familien, den Pflegekräften – und den Entscheidungen, die sie treffen.

Es sind mutige Menschen, die der Zuschauer kennenlernt. Bestenfalls können ihre Geschichten anderen dabei helfen den Mut zu finden sich mit schwierigeren Themen, auch mit der Gewissheit des eigenen Todes, auseinanderzusetzen. , um daraus neue Kraft fürs Leben schöpfen zu können.

Seit Mai 2017 ist „Multiple Schicksale“ überall im Handel auf DVD erhältlich.

Weitere Informationen zum Film, dem Filmemacher und den Mitwirkenden bietet http://www.ms-derfilm.de/.