Verletzte Nerven reparieren mit MS-Medikament
Forscher der Universität Duisburg-Essen haben sich mit der besonderen Wirkung des bei Multipler Sklerose eingesetzten Medikaments Dimethylfumarat (DMF) beschäftigt und dabei eine mögliche regenerative Wirkung auf verletzte Nerven entdeckt.

Von Kribbeln über Taubheitsgefühle bis zu Lähmungen reichen die Folgen verletzter Nerven. Eine Arznei, welche diese Schädigungen heilt, ist bisher noch nicht zugelassen. Doch ein Medikament, welches in der Behandlung der Multiple Sklerose (siehe: Multiple Sklerose und Querschnittlähmung) angewendet wird, eröffnet nun neue Möglichkeiten: Forscher der Medizinischen Fakultät der Universität Duisburg-Essen (UDE) am Universitätsklinikum Essen und des Universitätsklinikums Düsseldorf entdeckten, dass es Nerven „reparieren“ kann, indem es offenbar Schäden an der Myelinschicht behebt. Das Medikament, das im Focus der Wissenschaftler steht, ist Dimethylfumarat (DMF). Die Wirkungsweise von DMF ist zwar noch nicht genau erforscht – es wird vermutet, dass es wirkt, indem Immunzellen so umprogrammiert werden, dass das Nervensystem vor Schädigungen geschützt wird – doch haben Studien ergeben, dass durch DMF-Gabe die Häufigkeit von MS-Schüben vermindert, das Auftreten von Läsionen im zentralen Nervensystem reduziert und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamt werden kann.
Im Fokus der neuen Forschung an der Uni Duisburg-Essen stand nun die Frage, ob DMF nicht auch bereits geschädigte Nerven wieder regenerieren könnte. Das Team aus Ärzten und Biologen unter Leitung von Dr. Dr. Mark Stettner fand heraus, dass sich Mäuse mit einer Verletzung des peripheren Nervensystems (nicht des zentralen Nervensystems) schneller wieder bewegen konnten, wenn sie DMF bekamen. Die Isolierschicht der Fasern, das Myelin, wurde repariert. „Wie haben DMF an Mäusen im sogenannten ‚Sciatic Nerve Crush‘-Modell untersucht, also einer traumatischen Verletzung des Nervus ischiadicus. Dabei wird der Nerv operativ freigelegt und mit einer Klemme bei definiertem Kraftaufwand und definierter Dauer geschädigt, jedoch ohne ihn dabei zu durchtrennen“, erklärt Szepanowski aus der Arbeitsgruppe für klinische und experimentelle Neuroimmunologie vom Universitätsklinikum Düsseldorf gegenüber der Deutschen Apotheker Zeitung. Bei dieser Methode werden die Axone, also die reizleitenden Nervenzellfortsätze unterbrochen, das umgebende Bindegewebe bleibt aber unverletzt, so dass das Wiederauswachsen der Axone möglich bleibe.
Ist das periphere Nervensystem entzündet oder verletzt, können Reize nicht weitergeleitet werden. Befehle des Gehirns kommen so nicht in Armen oder Beinen an.
„In Folge der Nervenverletzung kommt es zu degenerativen Prozessen, die als sogenannte Waller’sche Degeneration zusammengefasst werden. Es kommt zu einem Abbau der geschädigten Axone sowie des Myelins, also der „Isolierschicht“ um die Nervenfasern. Im Nerven befindliche sowie einwandernde Immunzellen lösen eine Entzündungsreaktion aus“, sagt Stettner. Diese entzündlichen und oxidativen Vorgänge könnten dann zu einer nachhaltigen Schädigung der Nerven- und Schwannzellen führen, sagt der Forscher. Folgen einer solchen Nervenverletzung reichen von Kribbeln und Taubheitsgefühl bis hin zu Lähmungen
„Das Medikament DMF erhöht das Enzym Haem Oxygenase 1 in den Nerven“, erklärt Szepanowski, „es schützt die Zellen und wirkt anti-entzündlich.“ Die Forscher vermuten, dass diese Wirkung auch bei Multipler Sklerose zur Regeneration der Myelinschicht beitragen kann; zudem wird angenommen, dass das Medikament neuroprotektiv wirkt.
„Akute sowie chronische entzündliche Neuropathien gehen mit einer Schädigung der Myelinschicht und den daraus resultierenden Defiziten einher. Die Therapiemöglichkeiten sind dabei jedoch relativ eingeschränkt, das Interesse an neuen Medikamenten groß. Die bisher bekannten zellschützenden sowie anti-entzündlichen Eigenschaften sowie das bekannte Nebenwirkungsprofil und die Möglichkeit der oralen Einnahme machen DMF sicherlich zu einem interessanten Kandidaten“, sagen die Forscher.
Die Eigenschaften des DMF könnten also auch das Potential haben die Therapiemöglichkeiten bei verschiedenen Erkrankungen des Nervensystems zu erweitern, z. B. beim Guillian-Barré-Syndrom, das eine krankheitsbedingte Querschnittlähmung zur Folge haben kann (siehe: Krankheitsbedingte Querschnittlähmung – Das Guillian-Barré-Syndrom).
Eine Ausarbeitung verschiedener Studien mit unterschiedlichen Schwerpunkten ist nun der nächste Schritt zu einer möglichen Therapie.
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