Pflegegrade: Ein Überblick

Jeder Krankenversicherte ist auch automatisch pflegeversichert. Die Pflegeversicherungen sind dann zuständig, wenn Versicherte im gewöhnlichen Tagesablauf für mindestens sechs Monate regelmäßig Hilfe brauchen. Die Einstufung der Pflegebedürftigkeit erfolgt in fünf Graden.

Fünf Grade der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrade)

Seit dem 1. Januar 2017 wird die Einstufung der Pflegebedürftigkeit in fünf Grade vorgenommen. Sie berücksichtigen nicht nur den zeitlichen Aufwand für die Pflege einer Person, sondern erfassen in der Einstufung auch weitere Aspekte.

„Die Unterstützung setzt künftig deutlich früher an. In Pflegegrad 1 werden Menschen eingestuft, die noch keinen erheblichen Unterstützungsbedarf haben, aber zum Beispiel eine Pflegeberatung, eine Anpassung des Wohnumfeldes (z.B. altersgerechte Dusche) oder Leistungen der allgemeinen Betreuung benötigen“, erklärte das Bundesministerium für Gesundheit in einer Pressemitteilung. Der Kreis der Menschen, die auf Leistungen der Pflegeversicherung Anspruch haben, erweitert sich damit deutlich. Die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten werden durch eine seit 2017 gültige Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrags um 0,2 Prozent gedeckt. 2019 kam eine Erhöhung des Pflegeversicherungsbeitrags um weitere 0,5 Prozent hinzu.

Wie geht eine Begutachtung vonstatten?

Um zu ermitteln, welche Pflegestufe auf einen Antragsteller passt, macht ein Mitarbeiter des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) oder der Medicproof (bei privat Versicherten) einen Hausbesuch oder kommt ggf. in eine Reha-Einrichtung oder ein Krankenhaus, befragt Betroffene und ggf. Pflegende und dokumentiert seine Eindrücke nach vorgeschriebenen Richtlinien, um mit einem Punktesystem die Fähigkeit der Betroffenen, ihren Alltag selbstständig zu meistern, zu bestimmen.

Die Befunderhebung bildet die Grundlage für die gutachterliche Einschätzung. Daran schließt sich die Einschätzung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit dem Begutachtungsinstrument an. Aus der Bewertung der Module (s. u.) ergibt sich dann die Empfehlung für einen Pflegegrad. Nach Anamnese, Befunderhebung und Einschätzung der Selbstständigkeit des Versicherten in den Modulen hat der Gutachter einen fundierten und umfassenden Gesamtüberblick über die Beeinträchtigungen und die Ressourcen des Antragstellers. Dadurch kann der Gutachter bewerten, ob sich realistische Möglichkeiten zur Verbesserung oder Erhalt der in den Modulen und Bereichen festgestellten Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und bewerteten Fähigkeiten ergeben. Hieraus lassen sich entsprechende Empfehlungen zu präventiven Leistungen und pflegerischen Maßnahmen, zu Hilfsmitteln oder wohnumfeldverbessernden Maßnahmen, aber auch Empfehlungen zu Leistungen der medizinischen Rehabilitation ableiten. Die Pflegebedürftigkeit wird durch das neue Begutachtungsinstrument umfassend abgebildet (MDS, 2018).

Eine Broschüre des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) erläutert ausführlich und anhand von Fallbeispielen das Begutachtungsinstrument, mit dem ab 1. Januar 2017 der Grad der Pflegebedürftigkeit festgestellt wird. Darüber hinaus werden auch Fragen zum Begutachtungsverfahren erläutert. Zum kostenlosen Download geht es hier: Das neue Begutachtungsinstrument: Selbstständigkeit als Maß der Pflegebedürftigkeit

Wie errechnet sich der Pflegegrad?

Die Gesamtbewertung des Pflegegrades setzt sich dabei aus der Berücksichtigung folgender Bereiche zusammen:

  • Mobilität
  • Kognitive und kommunikative Fähigkeiten
  • Verhaltensweisen und psychische Problemlagen
  • Selbstversorgung
  • Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen
  • Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte

Für jeden Aspekt werden Punkte vergeben. Es gilt: Je schwerwiegender die Beeinträchtigung, desto höher die Punktzahl.

Die innerhalb eines Moduls für die verschiedenen Kriterien vergebenen Punkte werden zusammengezählt und gewichtet. Denn entsprechend ihrer Bedeutung für den Alltag fließen die Ergebnisse aus den einzelnen Modulen unterschiedlich stark in die Berechnung des Pflegegrades ein. Diese Gewichtung soll bewirken, dass die Schwere der Beeinträchtigungen sachgerecht und angemessen bei der Bildung der Gesamtpunktzahl berücksichtigt wird. Aus dem Gesamtpunktwert wird das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit bestimmt und der Pflegegrad abgeleitet.

Pflegebedürftige, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen personellen Unterstützungsbedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, werden unabhängig vom Erreichen des Schwellenwertes von 90 Punkten dem Pflegegrad 5 zugeordnet. Diese sog. besondere Bedarfskonstellation liegt nur bei Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und beider Beine – also beim vollständigen Verlust der Greif-, Steh- und Gehfunktionen, wie er bei hoher und kompletter Tetraplegie vorkommen kann – vor.

Eine Besonderheit ist, dass bei den Modulen 2 (Kognitive und kommunikative Fähigkeiten) und 3 (Verhaltensweisen und psychische Problemlagen) nicht beide Werte, sondern nur der höchste der beiden gewichteten Punktwerte in die Berechnung eingeht (MDS, 2018).

Wann liegt Pflegebedürftigkeit vor?

Pflegebedürftigkeit liegt vor, wenn der Gesamtpunktwert mindestens 12,5 Punkte beträgt. Der Grad der Pflegebedürftigkeit bestimmt sich wie folgt:

  • Pflegegrad 1: 12,5 bis unter 27 Punkte
    Geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
  • Pflegegrad 2: 27 bis unter 47,5 Punkte
    Erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
  • Pflegegrad 3: 47,5 bis unter 70 Punkte
    Schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
  • Pflegegrad 4: 70 bis unter 90 Punkte
    Schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten
  • Pflegegrad 5: 90 bis 100 Punkte
    Für die Leistungen, die es je nach anerkanntem Pflegegrad erbracht werden, siehe: Leistungen bei Pflegebedürftigkeit schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung

Antrag auf Erteilung eines Pflegegrads

Wer das erste Mal Leistungen bei der Pflegekasse beantragt, muss zunächst einen formlosen Antrag auf Pflegegrad stellen. Daraufhin beauftragt die Pflegekasse den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK; bei gesetzlich Versicherten) oder Prüforgane wie Medicproof (bei privat Versicherten) damit, die noch vorhandene Selbstständigkeit des Antragstellers zu prüfen. Dazu kommt der Gutachter in die Häuslichkeit des Betroffenen, um ihn nach den sechs Begutachtungsbereichen zu untersuchen und sein Gutachten zu formulieren, das der Gutachter an die Pflegekasse weiterleitet. Auf Basis seiner Empfehlung und seines Gutachtens trifft die Pflegekasse schließlich die Entscheidung über die Erteilung oder Ablehnung eines Pflegegrads.

Informationen zu den ersten Schritten bei Pflegebedarf

Der Flyer „Pflegebedürftig. Was nun?“ des Bundesministerium für Gesundheit hilft bei den ersten Schritten im Pflegefall. Er gibt Informationen und einen ersten Überblick über die Ansprechpartner und die verschiedenen Pflegegrade. Wie ein Antrag zu stellen ist und was Betroffene dazu wissen sollten, erklärt die Publikation kurz und übersichtlich. Als kostenfreier Download steht sie hier zur Verfügung: Pflegebedürftig. Was nun?

Pflegegradrechner

Die Seite http://www.pflege.de/ informiert über die Pflegegrade und stellt auch einen „Pflegegradrechners“ zur Verfügung. Zwar weist der Anbieter darauf hin, dass die Berechnung einem komplizierten System unterliege und nur die Pflegeversicherung verbindlich über die Einordnung in Pflegegrade entscheiden könne, aber dennoch vermitteln die Fragebögen einen Eindruck von den Faktoren, die von Pflegegrad 1 bis 5 eine Rolle spielen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Infos zum Verfahren, den Leistungen und Neuerungen.

Zu einem Pflegegradrechner geht es z. B. hier und hier.


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