Yoga bei Querschnittlähmung

Ein besseres Körpergefühl, regulierende Beeinflussung der Spastik, leichtere Atmung, ein gesteigertes Atemvolumen, Wohlgefühl und eine verbesserte Kondition: Dies sind nur einige der Rückmeldungen über die positiven Auswirkungen, die Yoga für Querschnittgelähmte haben kann. Grund genug, diese jahrtausendealte Tradition etwas näher zu betrachten.

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Ursprünglich ist Yoga eine indische und teilweise tibetische, philosophische Lehre. Yoga bedeutet so viel wie „verbinden“ oder „vereinigen“. Damit ist die Verbindung des individuellen Bewusstseins mit dem unendlichen Bewusstsein gemeint und auch die Verbindung von Körper, Geist und Seele. Im Unterschied zur indischen Philosophie, erarbeiten wir uns im Westen Wissen häufig durch theoretische Studien. In der indischen Tradition erfährt man sich und die Wirklichkeit über die direkte, persönliche Erfahrung. Ein Ziel des Yogas ist es, sich über sich selbst und seinen innere Werte bewusster zu werden, seine Wahrheit und seine wahre Identität, bzw. höheres Selbst zu erfahren. Yoga ist in seiner ursprünglichen Form somit ein ganzheitliches System, das sich mit Körperübungen, Atemtechniken, Meditation, Ernährung, aber auch der Psychologie, zwischenmenschlichen Beziehungen, der Ethik und Philosophie auseinander setzt.

Im Laufe der Zeit haben sich viele unterschiedliche Yogaschulen entwickelt. Einige sind ursprünglich und aus Indien; andere sind erst in jüngerer Zeit im Westen entwickelt worden und legen teilweise ausschließlich Wert auf körperliche Fitness und Wellness. Es gibt Yogaarten, die sehr sanft, die herausfordernd, entspannend, meditativ oder akrobatisch sein können. Einige der wichtigsten sind:

  • Bhakti Yoga
    Yoga ist der Weg der Hingabe. Es ist die Hingabe an Gott oder die göttliche Energie. Dies kann in verschiedenen Formen zum Ausdruck kommen. Beispielsweise durch das Rezitieren von Mantren, die diese Hingabe Ausdruck bringen, das Singen von Liedern, religiöse Zeremonien oder Dienste.
  • Gyan Yoga
    Gyan Yoga ist das Yoga des Wissens. Die Wahrheit durch Erkenntnis, Üben und Wissen zu erfahren. Es ist Gott oder das Göttliche in allem zu sehen.
  • Hatha Yoga
    Hatha Yoga ist das bekannteste Yoga im Westen. Es konzentriert sich auf die Balance zwischen Körper und Geist, die in erster Linie über Körperübungen und die Beherrschung des Körpers angestrebt werden. Atemübungen und/oder Meditation werden in einigen Hatha Yoga Richtungen auch geübt. Im Hatha Yoga gibt es viele verschiedene Schulen, die sich von der Art des Unterrichts unterscheiden können.
  • Karma Yoga
    Karma Yoga ist selbstloses Handeln, ohne dafür eine Belohnung zu erwarten. Es ist Handeln ohne Anhaftung und wird dadurch zum Dienst an der Seele. Über dieses selbstlose Dienen verschwinden Selbstsucht und Neid. Demut wird entwickelt, das Herzzentrum öffnet sich und der Geist wird gereinigt.
  • Kundalini Yoga
    Kundalini Yoga wird auch Yoga des Bewusstseins genannt. Im Kundalini Yoga werden über Körperübungen, Entspannung, Meditation, den Gebrauch von Mantren, Mudras, Körperschleusen und Pranayama die Balance zwischen Körper und Geist hergestellt. Die Beherrschung des Geistes wird geschult, der Weg zur inneren Kraft hergestellt und ein höheres Bewusstsein angestrebt. Viele der oben genannten Richtungen sind Teil des Kundalini Yoga.
  • Naad Yoga
    Naad Yoga benutzt die Kraft des Klangstroms. Yoga und Klang werden miteinander durch verschiedene Klänge, Mantren, Töne, Musikinstrumente, Stimme etc. verbunden. Die entstehenden Schwingungen wirken auf den Körper und klären das Bewusstsein.
  • Raja Yoga
    Raja Yoga ist der königliche Weg. Raja Yoga beinhaltet den achtfachen Pfad des Asthanga Yogas, das von Patanjali zusammengefasst wurde. Die Entwicklung und Stärkung des Willens und die Beherrschung des Geistes wird angestrebt und das Bewusstsein Stufe um Stufe erhoben.

Für Querschnittgelähmte geeignet sind alle Yogaarten, die keine akrobatischen Körperhaltungen beinhalten. Wichtiger Bestandteil eines regelmäßigen Yogatrainings für Querschnittgelähmte sind Meditationen und Atemtechniken (Pranayama), die eine besonders wohltuende Wirkung bei Atembeschwerden haben können.

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Kundalini Yoga für Querschnittgelähmte

In vielen Kursen mit Betroffenen hat sich gezeigt, dass Kunalini Yoga für Querschnittgelähmte besonders gut geeignet ist. Dies liegt daran, dass

  • … viele Übungen (Asanas) im Sitzen möglich sind. Dadurch können Übungsfolgen (Kriyas) für jede Läsionshöhe gefunden werden. Möglich sind z. B. Übungsreihen nur im Sitzen, oder gemischt mit Übungen auf dem Boden, die bei einer tiefen Lähmungshöhe möglich sind.
  • … im Kundalini Yoga viel Wert auf die Atmung gelegt wird, die von Anfang an geübt und mit einbezogen wird. Dadurch wird das Lungenvolumen trainiert, verbessert und gehalten.
  • … Konzentration und Meditation ein wichtiger Bestandteil sind.
  • … Entspannung und Körperwahrnehmung Teil des Kundalini Yogas sind und auch dadurch eine bessere Körperwahrnehmung gefördert wird.
  • … das Verhalten sich selbst und anderen gegenüber ein Teil der Kundalini Yoga Philosophie ist und auch in die Übungsfolgen und Meditationen mit einfließt.

Bei regelmäßiger Übung kann Kundalini Yoga sehr positive Auswirkungen auf die Physis und die Psyche der Praktizierenden haben. Dies sind unter anderem:

  • Muskelaufbau und- Dehnung
  • Regulierende Auswirkung auf Organe und Organfunktionen (z. B. Niere, Verdauung)
  • Verbesserung der Atmung und des Lungenvolumens
  • Verbesserung des Körperbewusstseins
  • Reduzierung von Stress und Aufbau innerer Ruhe und Gelassenheit
  • Minderung und eventuelle Überwindung von Ängsten
  • Abbau von Beschwerden, die durch Stress verursacht werden (z.B. Verdauungsstörungen und Verspannungen)
  • Reduzierung von Muskelspannung
  • Regulierung von Herz- und Atemfrequenz und ggf. Blutdrucksenkung
  • Steigerung der Konzentrationsfähigkeit
  • Förderung und Schärfung der Selbsterkenntnis
  • Versöhnung von Geist und Unterbewusstsein und ggf. Lösung seelischer Blockaden
  • etc.

Kundalini Yoga ist – nach Absprache mit dem behandelnden Arzt – für jedermann geeignet. Die Körperübungen kann man trainieren und visualisieren und selbst hochgradig gelähmte Menschen können Atemtechniken und Meditationen üben. Querschnittgelähmte müssen beim Yoga – wie alle anderen auch – nur lernen auf sich und ihren Körper zu hören.

Siehe auch: Kundalini Yoga: Praxisbuch für Rollstuhlfahrer