Physiotherapie bei Querschnittlähmung – Größtmögliche Selbstständigkeit
Die Maßnahmen der Physiotherapie begleiten Menschen mit Querschnittlähmung während der gesamten Rehabilitation und haben zum Ziel ihn dabei zu unterstützen, die größtmögliche Selbstständigkeit und Unabhängigkeit im täglichen Leben zu erlangen. Bereits in der Akutphase wird eine individuelle Therapie angepasst, je nach Ausmaß der Verletzung und abhängig von Begleitverletzungen bzw. -erkrankungen und Allgemeinzustand des Einzelnen. In der zweiten Phase der Rehabilitation steht die aktive Mitarbeit der Betroffenen im Mittelpunkt der Behandlung. Die Maßnahmen unterscheiden sich je nach Ausmaß der Lähmung, d. h. danach wie hoch sie ist, oder ob sie komplett oder inkomplett ist (Zäch/Koch, 2006).

Der Deutsche Verband für Physiotherapie definiert die Physiotherapie als Oberbegriff für alle aktiven und passiven Therapieformen. Demnach beinhaltet die Physiotherapie einerseits die klassische Krankengymnastik, die dem Physiotherapeuten vorbehalten ist, und andererseits alle physikalischen Therapien, die Physiotherapeuten und Masseure gleichberechtigt ausführen. „Physiotherapie ist eine Alternative oder sinnvolle Ergänzung zur medikamentösen oder operativen Therapie.“ (ZVK, 2013)
Als natürliches Heilverfahren nutzt die Physiotherapie die passiven (z. B. durch den Therapeuten geführten) Behandlungen und die aktive, selbstständig ausgeführte Bewegung des Menschen. Diese aktiven bzw. interaktiven Maßnahmen, d. h. Abläufe, in die der Patient einbezogen wird, werden ergänzt durch die passiven Behandlungen der physikalischen Therapie.
Physiotherapie in der Akutphase
Bei der Rehabilitation von Querschnittgelähmten stehen in der Akutphase zunächst der Erhalt der vitalen Funktionen, der Gelenkbeweglichkeit und der Elastizität der Weichteilstrukturen im Vordergrund. Hierzu werden folgende Therapieformen angewendet:
Atemtherapie
Die Atemtherapie ist in der Aktu-Phase, bei hohen Läsionen und Ausfall der Interkostalmuskulatur notwendig und kann folgende Anwendungen beinhalten:
- Inhalations- und Vibrationstherapie zur Sekretolyse
- Manuelle Techniken zur Verbesserung der Belüftung, z. B.
- Abhebegriffe
- Hautrollungen
- Ausstreichungen im Zwischenrippenbereich (Interkostalbereich)
- Dehnlagerungen
- Kontaktatmung
- Hustenhilfe
- Vojta-Therapie zur Atemfrequenzregulierung und zur Entwöhnung vom Respirator
- Glossopharyngeale Atmung, bei respiratorpflichtigen Patienten
Erhalt von Gelenkbeweglichkeit und Elastizität und Gesundheit von Gewebe
- Passive Bewegungen der oberen und unteren Gliedmaßen
- Weichteiltechniken
- Lagewechsel und Positionierungen
Die Behandlungen finden in der Regel zweimal am Tag statt, die Positionierungen öfter.
Physiotherapie in der Rehabilitationsphase
Nach der Akut- und Mobilisationsphase steht die aktive Mitarbeit des Patienten im Zentrum der Behandlung.
Physiotherapeutische Maßnahmen bei Querschnittlähmung
- Erlernen der Stützaktivität
- Erlernen der Sitzbalance und Erreichen der dazu notwendigen Rumpfstabilität
- Funktioneller Sitz
- ADL-Training – Bewegungsübergänge und Transfers
- Drehen von Rückenlage in die Bauchlage und umgekehrt
- Aufsitzen aus der Rückenlage in den Sitz
- Transfer Rollstuhl-Bett, Rollstuhl-WC, Rollstuhl-Auto, Rollstuhl-Boden und umgekehrt
- Verbesserung der Schulterstabilität (siehe: Die Schulterproblematik bei Querschnittlähmung)
Zusätzliche Physiotherapeutische Maßnahmen bei inkompletter bzw. sehr tiefer Querschnittlähmung bzw. ab bestimmten Muskelwerten:
- Stand- und Gangschule (siehe: Stehtraining bei Querschnittlähmung)
- Schienenversorgung der unteren Gliedmaßen
- Lokomotionstraining auf dem Laufband
Weitere Behandlungen, die im Rahmen einer Physiotherapie bei der Rehabilitation von Querschnittgelähmten angewendet werden können, sind:
- Propriozeptive Neuromuskuläre Fazilitation (PNF)
- Therapie nach Bobath
- Therapie nach Vojta
- Funktionelle Bewegungslehre nach Klein-Vogelbach
- Funktionelle und therapeutische Elektrostimulation
- Wassertherapie (Bewegungsbad)
- Hippotherapie
- Sporttherapie
- Rollstuhltraining
- Stehversorgung
- Physikalische Therapie (siehe: Physikalische Therapie –Selbstheilungskräfte aktivieren) (Zäch/Koch, 2006)