Osteoporose bei Querschnittlähmung
Zu einer Osteoporose kann es im Verlauf einer Querschnittlähmung aus verschiedenen Gründen kommen. Zum einen ist eine Unterversorgung mit Mikronährstoffen im Zuge einer Mangelernährung möglich, zum anderen haben verschiedene Medikamente Nebenwirkungen auf den Knochenstoffwechsel. Ein weiterer wichtiger Faktor, der die Entstehung von Osteoporose beeinflusst, ist die fehlende Belastung der Knochen durch eingeschränkte körperliche Aktivität.

Osteoporose, umgangssprachlich auch als Knochenschwund bezeichnet, kann grundsätzlich jeden treffen. Vor allem ältere Menschen und hier besonders Frauen nach der Menopause sind eine Risikogruppe. Bei dem Krankheitsbild Osteoporose verliert der Knochen an Substanz, d. h. er wird schwach und porös, wodurch das Risiko von Knochenbrüchen bei Belastung und Stürzen erheblich steigt.
Knochen sind nicht, wie oft angenommen wird, leblose Strukturen, sondern lebendige Organe, die fortwährend Knochengewebe verbrauchen, aufbauen und erneuern. Bei einer Osteoporose kommt es zu einer Störung im Wechselprozess von Auf- und Abbau der Knochenstrukturen. Dadurch werden die Knochen dünner und weniger belastbar.
Anatomie
- Röhrenknochen bestehen aus :
- Diaphyse (Mittelteil des Knochens)
- Epiphyse (Gelenkende)
- Proximale (obere) Epiphyse
- Distale (untere) Epiphyse
- Metaphyse (dem Gelenkende vorgelagert)
Wenn Knochenbrüche bei Querschnittgelähmten auftreten, dann sehr oft an der distalen Epiphyse oder Metaphyse.
Knochen sind aus verschiedenen Schichten zusammengesetzt:
- Kompakte Rinde
- Substantia spongiosa (schwammartiges Knochengewebe)
- Innere und äußere Knochenhaut
- Knochenmarkshöhle und Knochenmark

Sowohl die kompakte Knochenrinde als auch die Substantia spongiosa degenerieren bei einer Osteoporose.
Erscheinungsbild der Osteoporose bei Querschnittlähmung
Osteoporose ist eine häufige Folgeerkrankung bei Querschnittlähmung und unterscheidet sich in einigen Punkten vom Erscheinungsbild der Osteoporose bei Fußgängern.
- Knochenschwund tritt unterhalb der Läsionshöhe auf, darüber nicht.
- Die Substantia spongiosa ist mehr betroffen als die kompakte Knochenrinde, vor allem am unteren Gelenkende des Oberschenkels und am oberen Gelenkende des Schienbeins. Studien sprechen generell von 30 – 40% Abnahme der Knochendichte in diesen Bereichen.
- Die Lendenwirbelsäule weist meist eine gleichbleibende Knochendichte auf, auch wenn Osteoporose in anderen Knochen auftritt. Es ist unklar, warum dies so ist. Man nimmt an, dass das Gewicht, das in der sitzenden Haltung auf die Lendenwirbel einwirkt, den Knochenstoffwechsel erhöht und so die Knochendichte erhalten bleibt.
- Einfluss der Läsionshöhe
- Bei Tetraplegikern sind mehr Knochen von einer Osteoporose betroffen, da sich mehr Skelettanteil unterhalb der Lähmungshöhe befindet.
- Paraplegiker entwickeln meist keine Osteporose in den oberen Gliedmaßen.
- Auf das Ausmaß der Osteporose, d. h. wie stark die Knochendichte abnimmt, hat die Lähmungshöhe keinen Einfluss.
- Einfluss des Ausmaßes der Lähmung
Bei kompletter Querschnittlähmung schreitet die Osteoporose schneller voran als bei inkompletter Querschnittlähmung. - Einfluss der Lähmungsdauer
Je länger der Eintritt der Querschnittlähmung zurück liegt, umso stärker wird das Ausmaß der Osteoporose sein. - Einfluss von Spastik
Eine erhöhte Spastik könnte eine positive Auswirkung auf die Knochendichte bei Querschnittlähmung haben, da diese autonome Muskelaktivität einen ähnlichen Stimulus erzeugt, wie eine Belastung des Knochens durch Gewicht oder Bewegung. - Knochenbrüche
Je geringer die Knochendichte, umso höher das Risiko von Knochenbrüchen. Bei Querschnittgelähmten sind Stürze aus dem Rollstuhl vor allem aber die Belastung der Knochen bei z. B. Transfers die Hauptursache von Brüchen (Svircev, 2015).
Ursachen von Osteoporose bei Querschnittlähmung
Warum es nach Eintritt einer Querschnittlähmung in relativ kurzer Zeit zu einem so massiven Knochenschwund kommt, ist nicht abschließend geklärt. Als gesichert gelten folgende Faktoren:
- Fehlende Belastung der Knochen: Durch die eingeschränkte körperliche Aktivität findet kein oder nur eingeschränkter Druck auf die Knochen der unteren Extremitäten statt; eine Anregung der Stoffwechselaktivität bleibt aus.
- Unterversorgung mit Sauerstoff und/oder Mikronährstoffen durch verlangsamten Blutfluss in den unteren Gliedmaßen
- Verminderte Aufnahme an Mikronährstoffen durch Mangel- oder Unterernährung
- Hormonelle Störungen
- Stoffwechselstörungen
- Regelmäßige Einnahme von Medikamenten (z. B. Antiepileptika, Schilddrüsenhormone, Antikonvulsiva, Heparin, Schleifendiuretika)
Weitere allgemeine Risikofaktoren sind beispielsweise:
- Nikotinkonsum
- Alkoholkonsum
- Endokrine- und Stoffwechselerkrankungen
- Ess- und Ernährungsstörungen
- Chronische Lungenerkrankungen
- Niereninsuffizienzen
- Skeletterkrankungen
Prophylaxe und Therapie
Ziel einer prophylaktischen Therapie bei Osteoporose ist es, Frakturen zu vermeiden und die Knochenbelastbarkeit zu erhöhen.
- Medikamentöse Behandlung
- Alendronat und Risedronat, beides Bisphosphonate, hemmen die Knochenresorption, was einer Osteoporose entgegenwirkt.
- Raloxifen, ein selektiver Östrogenrezeptorenmodulator, kann ebenfalls prophylaktisch eingesetzt werden, allerdings nur, wenn kein erhöhtes Thromboserisiko vorliegt.
- Thiaziddiuretika reduzieren die Kalziumausscheidung im Urin und können ebenfalls eine Resorptionshemmung bewirken. Kalzitonin ist hierfür in der Regel nicht geeignet (Zäch/Koch, 2006).
- Supplementierung von Kalzium: Kalzium verleiht Knochen und Zähnen Stabilität und Festigkeit. Im Blut muss immer eine Konzentration von 100 mg Kalzium pro Liter gegeben sein. Die empfohlene Tageszufuhr für gesunde Erwachsene liegt bei 1.000 mg pro Tag. U. a. in der Osteoporoseprophylaxe wird eine Tageszufuhr von 1.200 – 2.000 mg empfohlen (Brockhaus, 2008).
- Supplementierung von Vitamin D bzw. Parathormon: Es gibt Hinweise, dass bei Querschnittgelähmten die körpereigene Produktion von Vitamin D und des in der Nebenschilddrüse gebildeten Hormons Parathormon beeinträchtigt ist (Svircev, 2015) . Beide Stoffe sind wichtig für den Transport von Kalzium im Blut zu den Knochen. Um eine Überdosierung zu vermeiden, muss vor Supplementierung ein entsprechender Test gemacht werden.
Kalzium und Vitamin D in der Ernährung
Ein Mangel an Kalzium im Blut sorgt dafür, dass den Knochen Kalzium entzogen wird, wodurch sich die Knochendichte verringert.
Kalzium ist enthalten in:
- Den meisten Hartkäsesorten
- Den meisten grünen Gemüsesorten (siehe: Gemüse und Obst: Wie kriegt man es (r) unter?)
- Nüssen und Samen
Voraussetzung für die ausreichende Aufnahme von Kalzium im Körper ist die gleichzeitige ausreichende Versorgung mit Vitamin D. Vitamin D stellt der Körper selbst her, in den benötigten Mengen allerdings nur, wenn die Haut täglich einer direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist. In der Nahrung findet sich Vitamin D vor allem in Fischleber, aber auch in Fleisch, Pilzen und Avocado.
Gehemmt wird die Absorption von Kalzium durch die geleichzeitige Aufnahme von
Eine Ausscheidung von Kalzium wird angeregt durch die Aufnahme von
- Eiweiß
- Speisesalz
- Alkohol
- Koffeinhaltige Getränke (Kaffee, Tee, Cola)
- Phosphor
- Nikotin (Brockhaus, 2008)
- Medikamente wie Heparin, Schleifendiuretika, inhalative Corticoide, Antidiabetika, Kalziumkanal-Blocker und ACE-Hemmer
Update 2018:
Im Januar 2018 wurden die neuen Richtlinien zur querschnittlähmungsassoziierten Osteoporose (externer Link) veröffentlicht.
Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.