Bundessozialgericht entscheidet: Taxikostenübernahme für gehbehinderte Schülerin
Laut einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), müssen Taxikosten voll erstattet werden, wenn kein Schulbus fährt, das (gehbehinderte) Kind den Weg aber nicht zu Fuß oder mit dem Fahrrad zurücklegen kann.

Der Fall
Die 2006 geborene Klägerin besuchte ein Gymnasium. Wegen einer Beeinträchtigung der Gelenkbewegung war es ihr nicht möglich, die 1,1 Kilometer vom Elternhaus entfernte Schule mit dem Fahrrad oder zu Fuß zu erreichen. Ihre Eltern organisierten im Schuljahr 2017/2018 die Hin- und Rückfahrten der Klägerin (wie während der Grundschulzeit) mit einem Taxi und wendeten hierfür 2.240 Euro auf.
Die Gemeinde als Schulträgerin erstattete für den Besuch der weiterführenden Schule lediglich eine Kilometerpauschale von 13 Cent, insgesamt rund 60 Euro. Die Übernahme der verbleibenden Differenz, die die Klägerin als Eingliederungshilfe geltend machte, lehnte der Beklagte vor Schuljahresbeginn ab, weil es allen Eltern selbst obliege, ihren schulpflichtigen Kindern die Teilnahme am Unterricht zu ermöglichen. Unterstützung hierfür sei jedenfalls beim Vorhandensein von zwei Kraftfahrzeugen in der Familie (wie hier) nicht auf Kosten der Sozialhilfe zu leisten. Die Klage hat beim Sozialgericht und beim Landessozialgericht Erfolg gehabt. Bei den Aufwendungen handele es sich um eine Eingliederungshilfe zur Teilhabe an Bildung. Kinder im Alter der Klägerin legten typischerweise den Schulweg allein zurück, weswegen auch die Klägerin nicht darauf verwiesen werden könne, sich von den Eltern zur Schule fahren zu lassen.
Die Entscheidung
Der Senat hat die Revision des Beklagten zurückgewiesen:
Zu Recht haben die Vorinstanzen entschieden, dass die Klägerin einen Anspruch auf Fahrkosten als Eingliederungshilfe zur Teilhabe an Bildung hat, soweit diese nicht vom Träger der Schule erstattet worden sind. Bei den Kosten für den Schulweg handelt es sich nicht um Leistungen, die als sogenannter Kernbereich der pädagogischen Tätigkeit allein in der Verantwortung des Schulträgers liegen. Auch die vom Gesetzgeber nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch beziehungsweise dem Dritten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch vorgesehenen Bildungs- und Teilhabepakete, die ebenfalls Leistungen für Schülerinnen und Schüler beinhalten, die zum Erreichen der nächstgelegenen Schule des gewählten Bildungsganges finanziell auf Schülerbeförderung angewiesen sind, schließen die Leistungen der Eingliederungshilfe nicht aus.
Nach ihrem Sinn und Zweck und ihrer Entstehungsgeschichte erfassen sie nur Schulwegkosten, die nicht aufgrund einer Behinderung, sondern zum Beispiel aufgrund großer Entfernung zwischen Elternhaus und Schule veranlasst sind. Leistungen, die zum Ausgleich spezifisch behinderungsbedingter Nachteile bei der Teilhabe an Bildung erforderlich sind, sind davon nicht erfasst. Auch die Eltern werden weder mit diesen zusätzlichen Kosten belastet noch kann von ihnen verlangt werden, die Beförderung selbst durchzuführen. Insoweit wird ein Kind mit Behinderung im Hinblick auf die durch den Besuch einer Schule veranlassten Kosten unabhängig von seinem Einkommen freigestellt und so seine Gleichstellung mit Kindern ohne Behinderung erreicht, die die Schule hier ohne Weiteres zu Fuß oder auf dem Fahrrad erreichen können.
Zum Terminbericht des BSG geht es hier: Bundessozialgericht – Verhandlungstermine – Sozialhilfe – Schulweg – Beeinträchtigung – Eingliederungshilfe – Teilhabe an Bildung (externer Link)
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