Exo-Suit zur Unterstützung der Rehabilitation bei Querschnittlähmung
Ein intelligenter Anzug soll die Rehabilitation nach schweren Rückenmarksverletzungen wesentlich verbessern. Eine KI-gestützte Lösung vereint die elektrische Stimulation von Muskeln und die Bewegungsunterstützung durch künstliche Sehnen und reagiert auf die individuelle Bewegungsabsicht der Patienten.

Das Projekt „HIT-Reha“ wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft mit insgesamt rund einer Million Euro gefördert, 357.000 Euro entfallen davon auf die FAU. soll bis Mitte 2026 von Forschenden der FAU gemeinsam mit der Universität und dem Universitätsklinikum Heidelberg entwickelt.
Alltägliche Verrichtungen wie Essen und Trinken, Ankleiden oder Körperpflege sind bei Querschnittlähmung nicht mehr oder nur noch eingeschränkt möglich. Jedoch sind die Funktionsausfälle bei Rückenmarksverletzungen nicht immer irreversibel – sind z. B. die langen Nervenfasern nicht vollständig vom Hirn getrennt, verbleibt eine motorischen Restkontrolle.
„In solchen Fällen bestehen gute Chancen, zumindest einen Teil der Bewegungsfähigkeit wiederzuerlangen“, sagt Prof. Dr. Claudio Castellini vom Lehrstuhl für Assistive Intelligente Robotik der FAU. „Vor allem in den ersten zwölf Monaten nach der Verletzung ist das Regenerationspotenzial durch Neubildung und -vernetzung der Neuronen groß.“
Standardtherapien schöpfen Potenzial nicht aus
Die gängige Rehabilitation der Arm- und Handfunktion basiert hauptsächlich auf der wiederholten Ausführung von Bewegungsaufgaben – die Patienten müssen z. B. einen Zylinder greifen und an einem bestimmten Ort abstellen. Bei diesen Aufgaben werden sie von qualifizierten Fachpersonen, zum Teil aber auch von Robotern unterstützt. Zum Einsatz kommen z. B. die Funktionelle Elektrische Stimulation (FES), bei der Elektroden gezielte Muskelkontraktionen auslösen, oder sog. Exoskelette oder -anzüge. Hierbei handelt es sich um Orthesen, die mittels Seilzüge oder aufblasbarer Luftkammern einen Teil der Bewegungskraft übernehmen.
„Trotz großer Fortschritte in den vergangenen Jahren entsprechen die aktuellen Therapiemaßnahmen nicht den Prinzipien des motorischen Lernens“, erklärt Castellini. „Zum einen werden besonders schwache Muskeln nicht hinreichend angesprochen, zum anderen werden die Betroffenen nicht aktiv in die Ausführung sinnvoller motorischer Aufgaben einbezogen. Erfahrungsgemäß nimmt dadurch das Engagement der Patientinnen und Patienten im Laufe der Zeit ab.“ Aus diesen Gründen – und weil aktuelle Reha-Maßnahmen nicht hinreichend auf individuelle Bedürfnisse und Fähigkeiten zugeschnitten sind – werde das Therapiepotenzial nicht ausgeschöpft.
Exo-Suit: Integrierter Anzug erkennt Bewegungsabsicht
In einem Gemeinschaftsprojekt des Institut für Technische Informatik der Universität Heidelberg, der Sektion Experimentelle Neurorehabilitation des Heidelberger Universitätsklinikums und die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg so bis Mitte 2026 ein Anzug entwickelt werden, der den Therapieerfolg nach Rückenmarksverletzungen deutlich steigern soll.
Der aus Kompressionsjacke, Unterarmmanschette und Handschuh bestehende Exo-Suit vereint bisherige Unterstützungssysteme wie FES und Seilzugmechanik – wird jedoch um eine entscheidende Komponente erweitert: die KI-gestützte Erkennung der Bewegungsabsicht der Patienten. Integrierte Sensoren sollen die Muskeltätigkeit messen; aus diesen Werten sollen selbstlernende Algorithmen die motorische Intention errechnen und die Assistenzsysteme gezielt darauf ausrichten können. Konkret bedeutet das: Die KI sagt dem FES-System und dem Exo-Suit, an welchen Stellen Muskelkontraktionen ausgelöst bzw. welche Seilzüge gespannt werden, um die beabsichtigte Bewegung zu unterstützen.
Absichtskontrolle ermöglicht gezielte und schonende Therapie
Damit die Kontrolle der Bewegungsabsicht funktioniert, muss zunächst ein vollständiges virtuelles Modell der anatomischen Muskel- und Skelettstruktur aufgebaut und entsprechend trainiert werden.
„Unsere Voruntersuchungen werden wir mit nichtbehinderten Personen durchführen und dabei möglichst viele Daten sammeln“, sagt ein Verantwortlicher. „Je besser wir die KI trainieren, umso zuverlässiger ist die Erkennung der Bewegungsmuster und umso gezielter können später die Assistenzsysteme arbeiten.“ Das sei nicht nur für eine präzise Bewegungsunterstützung notwendig – das intelligente Zusammenspiel von FES und Zugrobotik sorge zugleich für eine schonendere Therapie: Erfahrungen zeigen, dass der alleinige Einsatz der FES eine hohe Stimulationsintensität erfordert und von den Betroffenen häufig als unangenehm empfunden wird. Die Forschenden sind überzeugt, dass ihre Entwicklung zu einer signifikanten Verbesserung des Rehabilitationserfolgs nach Rückenmarksverletzungen beitragen wird.
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