Meditation und Achtsamkeit bei Querschnittlähmung
Meditation und Achtsamkeitsübungen können bei Querschnittlähmung vor allem beim Umgang mit chronischen Schmerzen helfen, aber auch Akzeptanzbereitschaft, Körperbild und Atmung können profitieren.

Was ist Meditation?
Meditation ist eine tausende von Jahren alte Praxis, die in Religionen und Tradition, z.B. im Yoga, weltweit verbreitet ist und bei der es darum geht, den Geist mit einer Kombination aus mentalen und körperlichen Techniken zu fokussieren oder zu klären.
Die moderne Wissenschaft hat in den letzten Jahrzehnten begonnen, diese Praxis im Detail zu untersuchen. Einige der größten Fortschritte im wissenschaftlichen Verständnis der Meditation waren nur dank der modernen Technologie möglich: Äußerlich scheint jemand, der meditiert, nichts anderes zu tun, als zu atmen oder einen Ton oder einen Satz immer wieder zu wiederholen. Im Inneren des Gehirns sieht die Sache jedoch ganz anders aus. Moderne Diagnose- und Bildgebungsverfahren wie Elektroenzephalographie (EEG) und funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRI) zeigen, dass sich Meditation positiv auf das Gehirn und die geistige Gesundheit auswirken kann.
Wie meditiert man richtig?
Beim Meditieren gibt es nicht den einen Weg, der für alle gleich richtig ist. Unterschiedliche Traditionen kennen unterschiedliche Formen der Meditation, die sich in ihrer positiven Wirkweise in nichts nachzustehen scheinen.
- Achtsamkeitsmeditation
Hier geht es darum, sich dessen bewusst zu sein, was im Moment geschieht, anstatt die Gedanken schweifen zu lassen und sich Gedanken über die Vergangenheit oder die Zukunft zu machen. Sie kann auch einen ähnlichen Ansatz wie die körperzentrierte Meditation verfolgen, bei der das, was man im Körper spürt, als Grundlage für die eigene Wahrnehmung der Umwelt dient. - Bewegungsmeditation
Man kann sich auf die Atmung konzentrieren, den Atem anhalten oder bestimmte Körperbewegungen ausführen. Diese Art der Meditation ist auch beim Gehen möglich. - Gefühlszentrierte Meditation
Bei dieser Art der Meditation konzentriert sich der Praktizierende auf ein bestimmtes Gefühl. Er kann sich zum Beispiel darauf konzentrieren, wie er freundlich zu anderen sein kann oder was ihn in seinem Leben glücklich macht. - Körperzentrierte Meditation
Diese wird manchmal auch als Selbst-Scanning bezeichnet. Dabei konzentriert man sich auf die körperlichen Empfindungen, die man im ganzen Körper spürt. - Kontemplation
Hierbei konzentriert man sich in der Regel auf eine Frage oder einen Widerspruch, ohne die Gedanken schweifen zu lassen. - Mantra-Meditation
Man wiederholt einen bestimmten Satz oder Klang (entweder laut oder im Kopf) und konzentrieren sich darauf. - Visuell basierte Meditation
Bei dieser Art der Meditation konzentriert man sich auf ein sichtbares oder visualisiertes Objekt.
Wie kann Meditation bei Querschnittlähmung helfen?
Im Allgemeinen können Menschen (mit Querschnittlähmung), die meditieren, mit größerer Wahrscheinlichkeit die folgenden Vorteile feststellen:
- Verringerung der Symptome von Angst, Depression oder posttraumatischer Belastungsstörung (PTSD).
- Verbesserte Fähigkeit zu denken, sich zu konzentrieren und Probleme zu lösen.
- Bessere Fähigkeit, sich auf emotionale Probleme einzustellen und sie zu überwinden
- Verringerung von Leidensdruck bei (chronischen) Schmerzen (s.u.)
Was tut sich im Gehirn, wenn man Meditation übt?
Mehrere Studien haben ergeben, dass Menschen, die regelmäßig meditieren, im Vergleich zu anderen, gewissen Unterschieden in ihrer Gehirnstruktur aufweisen. Bei diesen Veränderungen handelt es sich in der Regel um dichteres Hirngewebe oder um bestimmte Bereiche des Gehirns, die größer sind als erwartet, was ein Zeichen dafür ist, dass die Neuronen dort mehr und stärkere Verbindungen zueinander haben.
Betroffen sind i.d.R die Bereiche des Gehirns, die für die Steuerung der Sinne (Sehen, Hören usw.), das Denk- und Konzentrationsvermögen und die Verarbeitung von Gefühlen zuständig sind. Das bedeutet, dass die Gehirne von Menschen, die regelmäßig meditieren, gesünder sind und weniger wahrscheinlich altersbedingte Funktionsverluste aufweisen. Sie sind auch besser in der Lage, mit negativen Emotionen wie Angst, Wut und Trauer umzugehen und sie zu verarbeiten.
Mediation und Achtsamkeitstraining in der Praxis
Das Team von Spinalcord.com beschreibt im Beitrag The Role of Meditation in SCI welche Maßnahmen Menschen mit Querschnittlähmung ergreifen können, wenn sie sich von Schmerz (oder negativen Gefühlen) überwältigt fühlen:
- Konzentrieren Sie sich auf Ihre Atmung. Atmen Sie durch die Nase ein und durch den Mund aus. Wenn Sie Ihre Atmung ändern, signalisieren Sie Ihrem Nervensystem, dass es die Muskeln entspannen, den Herzschlag verlangsamen, die Produktion von Schmerzhormonen einstellen und stattdessen Entspannungshormone produzieren kann.
- Beginnen Sie zu beobachten, woher der stärkste Schmerz kommt. Untersuchen Sie diesen Schmerz neutral, ganz aus einer studierenden Perspektive.
- Ändern Sie Ihre Bezeichnung für diese Empfindung von Schmerz, der eine negative und emotionale Konnotation hat, in etwas Neutrales. Sie können ihn zum Beispiel als „Kribbeln“ oder „Bewegung“ im Körper bezeichnen. Dies hilft dem Gehirn schließlich dabei, völlige Ruhe zu erreichen.
Mit dieser Technik sollen Menschen mit Querschnittlähmung die Kontrolle über ihren Körper übernehmen können. Laut Empfehlung sollte man mindestens 20 Minuten pro Tag meditieren. Dies soll helfen, den Schmerz nicht zu ignorieren, sondern die Aufmerksamkeit auf ihn zu lenken und zulassen ihn mit positiver Absicht beruhigen zu können.
Menschen, die dies regelmäßig trainieren, sollen dann im Akutfall in der Lage dazu sein sich daran zu erinnern, dass der Schmerz nicht der Normalzustand ist und dass sie selbst bestimmen können, wieviel Macht sie ihm einräumen wollen.
Chronische Schmerzen: Achtsamkeitsmeditation senkt Leidensdruck
Rüdiger Meyer schreibt im Deutschen Ärzteblatt über die Vorteile der erlernten Achtsamkeit auf den Leidensdruck bei Schmerzen: „Die meisten Menschen versuchen, den Schmerz zu analysieren, um ihn dann zu ignorieren. Bei der achtsamkeitsbasierten Meditation hingegen lenkt man Sinnesempfindungen bewusst auf den Schmerz und begegnen ihm mit Neugierde und Akzeptanz. Anstatt sich in den üblichen Bewertungen und Reaktionen zu verlieren, bringen sich achtsame Menschen mit dem Erlebten im gegenwärtigen Moment in Kontakt. Einige Patienten konnten dadurch ihren Leidensdruck senken.
Bei der Studie erhielten 34 gesunde Probanden – die Hälfte von ihnen erfahrene Achtsamkeitsmeditierende – (ungefährliche) elektrische Schmerzreize, während sie in der Röhre eines Kernspintomographen lagen. Sie wurden aufgefordert, den Schmerzreizen mit verschiedenen „inneren Haltungen“ zu begegnen: einmal mit einem Zustand der Achtsamkeit und dann in einem neutralen alltagsüblichen Zustand. Es zeigte sich, dass erfahrene Meditierende im Zustand der Achtsamkeit Schmerzreize anders interpretierten: Sie empfanden den Schmerz zu 22 Prozent weniger unangenehm, und die Angst vor dem nächsten Schmerzreiz war um 29 Prozent vermindert. Dies gelang ihnen, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf die Schmerzen konzentrierten, diese aber nicht aktiv bewerteten: In der funktionellen Kernspintomografie waren Areale, die für die sensorische Verarbeitung des Reizes zuständig sind, stärker aktiviert. Die Aktivierung in den seitlich-präfrontalen Arealen, in denen eine kognitive Neuinterpretation des Schmerzes stattfindet, war dagegen vermindert.
Die Probanden spürten den Schmerz also durchaus, empfanden ihn jedoch nicht als so belastend. Diese Strategie scheint vielen Patienten bei der Schmerzverarbeitung zu helfen. Laut den Forschenden berichten viele Patienten, dass der Stress sinkt, der durch ihre jeweilige Krankheit ausgelöst wird, während sich die Lebensqualität und das Wohlbefinden verbessern.“
Was sollten Menschen mit Querschnittlähmung tun, die es mit dem Meditieren versuchen möchten?
Menschen mit Querschnittlähmung, die gerne lernen wollen, zu meditieren, können in einem Querschnittgelähmten-Zentrum nachfragen, ob in ihrer Nähe spezielle Kurze für Rollstuhlfahrer angeboten werden.
Als Teil rollstuhlgerechten Yogatrainings wird Mediation auf Der-Querschnitt.de in den Beiträgen Yoga bei Querschnittlähmung und Leben mit Querschnittlähmung: Kundalini Yoga ist für alle da… genannt.
Für weitere Entspannungstherapiemöglichkeiten siehe Entspannungsmethoden Archive – Der-Querschnitt.de
Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.
Der-Querschnitt ist ein Informationsportal. Die Redaktion ist nicht dazu berechtigt, individuelle Beratungen durchzuführen.