Meine Querschnittlähmung und ich: Darf der das??? Darf ich das???

Ach ja! Menschen, die ihre Autos auf Behindertenparkplätzen abstellen und damit verhindern, dass Menschen mit Behinderung parken können. Ein Dauerbrenner. Kürzlich habe ich mich mit einem querschnittgelähmten Bekannten über dieses Thema unterhalten. Und der hat mir mit glänzenden Augen und sichtlicher Zufriedenheit erzählt, wie er das Problem kürzlich recht handfest angegangen ist. Aus gutem Grund (siehe unten) möchte er allerdings anonym bleiben.

Das Szenario, das X schilderte, dürfte so oder ähnlich jeder kennen, der aufgrund seiner außergewöhnlichen Gehbehinderung auf einen Behindertenparkplatz angewiesen ist. X musste vor der Arbeit kurz zur Post, ein Paket abgeben. Zeitlich kein Problem, direkt vor der Post gibt es einen Behindertenparkplatz.

In den bog aber direkt vor ihm ein anderes Auto ein. Der Besitzer sprang aus dem Auto und machte sich flotten Schritts auf den Weg Richtung Post. Gehbehinderung sieht anders aus. Also hupte X, kurbelte sein Fenster herunter und rief: „Hallo! Ich müsste auf den Behindertenparkplatz“. Woraufhin sich der Falschparker kurz umdrehte und salopp antwortete: „Ja, ja, ich bin gleich wieder da! Muss nur schnell ein Paket abgeben!“ Und weg war er.

Vor dem geistigen Auge von X ploppte ein bunter Reigen aus diversen Rache-Szenarien auf. Nach kurzem Hyperventilieren entschied er sich für eine Lösung, die er ohne weitere, erst mühsam zu besorgende Hilfsmittel (Flammenwerfer, Zielrakete, Meteorit) rasch würde in die Tat umsetzen können. Er parkte den Falschparker fein säuberlich zu, in dem er sich quer zur Parkbucht an den Rand stellt. Dann blieb er sitzen und wartete. Wartete so lange, bis sein Kontrahent zurückkam. Erst dann holte er den Rollstuhl von der Rückbank, transferierte, fingerte das Paket auf seinen Schoß und schloss sein Auto ab.

Dass neben ihm ein Mann stand, der nun seinerseits hyperventilierte, ignorierte er. „Ich kann mich ja nicht mit jeder Randerscheinung abgeben!“. Dann machte er sich langsam auf den Weg Richtung Post. Wie von X erhofft, kam es zum Show-Down. Sein Kontrahent rief: „Hey! Ich muss los! Fahren Sie gefälligst Ihr Auto weg!“ – Und das gab X die Gelegenheit, den Satz zu sagen, den er schon so oft gehört, aber noch nie gesagt hatte: „Ja, ja, ich bin gleich wieder da! Muss nur schnell ein Paket abgeben!“ Die wütenden Beschimpfungen seines Kontrahenten hallten ihm noch immer in den Ohren.

„Das“, erzählte er mir später mit deutlich spürbarer Befriedigung, „hat so verdammt gutgetan!“

Menschlich ist das alles ja schon irgendwie nachvollziehbar. Aber hat sich X tatsächlich in seiner selbsternannten Rolle als Rächer aller Behindertenparkplatz-Berechtigten korrekt verhalten? Ich frage bei einem Anwalt nach, auf den ich im Internet gestoßen bin, weil er sich dort schon einmal zu einer ähnlichen Fragen geäußert hatte: Verkehrsrecht: Was tun, wenn der Behindertenparkplatz blockiert wird? | ZEIT ONLINE.

Wenn man die Antwort-E-Mail von Dr. Michael Schulte liest, sieht man fast, wie der Anwalt angesichts des geschilderten Szenarios die Hände über den Kopf zusammenschlägt. Denn: „In oben bezeichneter Angelegenheit teile ich Ihnen mit, dass ich dringend davon abraten würde, so zu handeln, wie der Rollstuhlfahrer in Ihrem Beispiel. Tatbestandlich dürfte es sich um Nötigung handeln. Der hierfür gegebene Vorsatz wäre umso mehr nachweisbar, wenn er dann auf den Autofahrer wartet, um zu demonstrieren, dass er ja sich genau „absichtlich“ hinter sein Fahrzeug gestellt hat.“

Natürlich stelle „das Verhalten der Verkehrsteilnehmer, wenn sie einen Behindertenparkplatz blockieren, ein großes Ärgernis“ dar. Aber: Von der beschriebenen „Selbstjustiz“ rate er dringend ab.

Stattdessen legt er Betroffenen nahe, auf legale Mittel zurückzugreifen und das Parkvergehen den zuständigen Behörden zu melden, die dann entscheiden könnten, ob sie ein Verfahren einleiten, ein Bußgeld verhängen oder den Wagen abschleppen lassen.

In einigen Städten besteht zudem die Möglichkeit, Parkvergehen online zu melden. (Manche, die sich über einen Parksünder ärgern, machen Parkvergehen auch auf – nicht unumstrittenen – Plattformen wie weg.li publik. Siehe Beitrag Erwischt! Mit Weg.li gegen Parksünder – Der-Querschnitt.de).

Meinen Freund X hat die Antwort des Rechtsexperten nicht besonders überrascht: Das hatte er sich ohnehin gedacht. Und als er sich mit genügend Abstand wieder etwas beruhigt hatte, hatte er sich ohnehin geschworen, nie wieder Gleiches mit Gleichem heimzuzahlen. Insofern hat er seine Lektion gelernt. Ob der Falschparker ebenfalls eine Lektion gelernt hat … Wer weiß das schon?


Quer Schnittchen ist eine fiktive Figur. Die Kolumnenbeiträge sind inspiriert von Gesprächen der Redaktion mit querschnittgelähmten Menschen. Alltagstipps, eine witzige Begebenheit, eine emotionale Begegnung, eine ärgerliche, aber typische Situation: Was die Leserschaft von Der-Querschnitt.de beschäftigt, greifen die Redakteurinnen gerne an dieser Stelle auf.

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