Bakteriophagen: Mit Viren gegen Harnwegsinfektionen

Wiederkehrende Harnwegsinfektionen können für Menschen mit Querschnittlähmung (und andere) ein großes Thema sein. Da die regelmäßige Einnahme von Antibiotika aus verschiedenen Gründen problematisch sein kann, ist das Interesse an Alternativen groß. Bakteriophagen könnten eine solche Alternative sein.

Was sind Bakteriophagen und wie wirken sie?

Bakteriophagen (griechisch: „Bakterienfresser“, kurz: Phagen) sind Viren, die darauf spezialisiert sind, Bakterienzellen zu infizieren, sich in ihnen zu vermehren und diese dabei zu zerstören. Wenn dies geschieht, vollzieht sich ein komplizierter Prozess: der Phage erkennt die Bakterienzelle anhand ihrer Oberflächenstrukturen (Rezeptoren), adsorbiert mit seinen Schwanzfasern an dieser Stelle fest an die Zelle, injiziert sein Erbgut aus seinem Kopf (Capsid) durch seinen Schwanz in die Zelle und veranlasst sie zur schrittweisen ablaufenden Produktion neuer Phagenpartikel. Dieser Prozess ist durch Enzyme und ein Zusammenspiel von Bakterien- und Phagengenen gesteuert (PhagoFlow, 2023).

Die Phagentherapie

Die (Bakterio-) Phagentherapie – der therapeutische Gebrauch von Bakteriophagen zur Behandlung krankheitsverursachender bakterieller Infektionen – ist nicht neu. Seit etwa den 1920er Jahren wurde sie meist in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion bei gastroenteralen Infektionen erfolgreich eingesetzt. Heute wird sie seit einigen Jahren vor dem Hintergrund der wachsenden Antibiotikaresistenzen weltweit als Alternative zu (bio-) chemischen Antibiotika wiederentdeckt. Phagen sind tendenziell dort erfolgreicher als Antibiotika, wo Bakterien sogenannte Cluster bilden, die von einem Biofilm umhüllt sind, den Antibiotika typischerweise nicht durchdringen können. Phagen sind aber offenbar dazu in der Lage und können so auch dafür sorgen, dass Antibiotika das Bakterium wieder erreichen.

Wie die Phagentherapie bei Harnwegsinfektionen helfen kann

Die Phagentherapie wird in Osteuropa zur Behandlung des Harnwegsinfektes angewendet. Vor allem Betroffene, die bereits eine Antibiotikaresistenz aufweisen, profitieren von dieser Therapie. Antibiotika und Bakteriophagen werden aber auch kombiniert eingesetzt. Außerdem werden Bakteriophagen dazu verwendet, um das Wiederauftreten eines Harnwegsinfektes zu verhindern. Dies wird z.B. bei Menschen mit einem geschwächtem Immunsystem oder Allergien angewandt, da sie ein erhöhtes Risiko besitzen, erneut an einem Infekt zu erkranken.

Bei der Phagentherapie wird zunächst bestimmt, welcher Keim es ist, der die Harnwegsinfektion auslöst. (Meist sind es Escherichia coli oder Staphylokokkus aureus), denn die Bakteriophagen können nur dann ihre Wirksamkeit entfalten, wenn das Wirts-Bakterium vorhanden ist, auf das sie sich „spezialisiert“ haben. Meist wird die Behandlung vor dem Ergebnis der Diagnostik „auf Verdacht“ gestartet; da Bakteriophagen keine Nebenwirkungen haben, soll diese Vorgehensweise unbedenklich sein.

Die Phagen werden über einen Zeitraum von 14 Tagen täglich oral eingenommen. Während der Behandlung soll außerdem täglich ein Glas Wasser mit Natron getrunken werden, um den ph-Wert des Magens zu reduziert, was die Überlebensrate der Phagen auf dem Weg zur Harnblase erhöhen soll (Phage.help, 2023).

Das Projekt „ImmunoPhage – Bakterienkiller und Immunbooster gegen Harnwegsinfekte“ der Hochschulmedizin Zürich

Die Phagentherapie zur Behandlung von Harnwegsinfekten steht auch im Zentrum eines Studienprojekts der medizinischen Hochschule Zürich, das auf der Arbeit von Neuro-Urologen Prof. Thomas M. Kessler beruht. Kessler und sein Team untersuchten in Georgien,   wo diese Methode seit jeher parallel zur Therapie mit herkömmlichen Antibiotika eingesetzt wird, die Wirkung von natürlich vorkommenden Phagen bei der Behandlung von Harnwegsinfektionen.

„ImmunoPhage“ erweitert diesen Behandlungsansatz, indem esden Ansatz der Phagentherapie mittels Bio-Engineering und Immunmodulation weiterentwickelt. Zum einen werden „Designer-Bakteriophagen“ eingesetzt, die spezifisch auf die gängigen, Harnwegsinfekte auslösenden Bakterien abgerichtet werden. Zum anderen werden diese „Bakterienkiller“ mit Botenstoffen angereichert, die das Immunsystem stimulieren sollen. Diese Methode soll bei einer der häufigsten Erkrankungen getestet werden, nämlich bei wiederkehrenden Harnwegsinfektionen.

Es ist das Ziel, eine neue, nachhaltige Alternative zur Antibiotikatherapie zu entwickeln. Zu weiteren Information zum Projekt geht es hier: www.hochschulmedizin.ch/immunophage


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