Rollstuhl-Zuggeräte: Zusatz-PS für Tetra- und Paraplegiker
Alltägliche Besorgungen oder bewegungsintensive Ausflüge können mit dem manuellen Rolli manchmal ganz schön mühsam oder nur mit Helfern machbar sein. Mit einem Zuggerät hingegen lassen sich zum Teil selbst beachtliche Steigungen auf unebenen Wegen meistern. Ein Plus an Unabhängigkeit und Freiheit.

Nicht nur Wald- oder Wanderwege, auch Kopfsteinpflaster, oft in Kombination mit Steigungen in der hübschen Altstadt, Bordsteinkanten oder längere Bergauf-Strecken bewältigen entsprechende Zuggeräte problemlos. Sie lassen sich einfach an den Rollstuhl an- und wieder abkuppeln und brauchen keine manuelle Unterstützung. Anders als beispielsweise beim Handbiken reicht hier Gasgeben und Lenken – und die Sache rollt. Tetra-Ausstattungen sorgen auch bei eingeschränkter Arm- und Handfunktion für Mobilität.
Es gibt aber Unterschiede in der Zugleistung: Manche Geräte eignen sich eher für Fahrten im Ort, auf asphaltierten Wegen und Rampen, andere schaffen auch Bergwanderungen über Wurzeln und Gestein. Ganz entspannt können Nutzer die Aussicht genießen und ihre Kräfte anderweitig investieren.
Im Folgenden werden beispielhaft und in alphabetischer Reihenfolge einige Hersteller und einige ihrer Modelle mit E-Antrieb vorgestellt. Die genannten Daten, z.B. die Reichweiten, beruhen auf Herstellerangaben. Meist beziehen sich diese Angaben auf ebene Strecken. Wie viel Energie Steigungen, Unebenheiten oder Temperaturunterschiede schlucken, lässt sich nicht klar definieren, mit entsprechender Erfahrung wächst aber das Gefühl für die jeweilige Reichweite.
Bei faltbaren Rollstühlen kann es vorkommen, dass die Bedienungsanleitung von der Ankoppelung eines Zuggerätes abrät. Meist sind Starrrahmenrollstühle besser geeignet, weil sie stabiler bleiben. Die Eignung muss in jedem Fall vor dem Kauf geprüft und das jeweilige Gerät Probe gefahren werden. Darauf sollte auch achten, wer sich ein derartiges Zuggerät gebraucht anschaffen will (siehe auch: Hilfsmittelbörsen im Netz).
A2J crazy horse
Design und Technik aus dem Allgäu: Von leicht und leise bis kraftvoll und geländetauglich: Die fünf Modelle des A2J crazy horse sind in verschiedenen Motorleistungsklassen (250 bis 1400 Watt) zu haben. Auch die Auswahl an Reifen und Zubehör kann sich sehen lassen: Tetra-Lenker, Räder in vielen Varianten, Fat-Bike Rad, Fatbike-Breitreifen, Mountain-Bike-Reifen, Kinderrad, Rahmenschutz aus Kunststoff …
Auch die Statur des Nutzers spielt eine Rolle. Für das Crazy HorsEPower 400R empfiehlt der Hersteller z.B. 36 Volt für Personen bis ca. 65 kg Körpergewicht und 48 Volt für Personen bis ca. 80 kg Körpergewicht. Auch die Sitzbreite ist variabel – zwischen 32 cm bis 45 cm. Weitere Details: erhältlich in Silber oder Schwarz, angetrieben von einem 400 Watt Freilauf-Getriebe-Motor (ca. 35 Nm), das Tempo wird über Daumengas (rechts oder links) kontrolliert.
Das Crazy HorsEPower 600R hat größere Zugkraft, der Hersteller empfiehlt bei einem Gewicht bis 115 kg 48 Volt. Weitere Eigenschaften: Dreh-Gas rechts oder links, Daumen-Gas rechts und links, Tempomat, Tetra-Lenker mit Bügel links und oder rechts. Beide Beispiel-Modelle verfügen neben einer Feststellbremse (links oder rechts montierbar) und einer mechanischen Scheibenbremse (Durchmesser 200mm) über eine elektromotorische Bremse (Rekuperation).
Hersteller: A2J Gmbh, weitere Hersteller-Informationen, auch zu Zusatzausstattungen: A2J GmbH – Crazy Horse)
Pro aktiv Reha-Technik GmbH, Wheel-E
Für ihre Wheel-E-Serie setzt die Pro activ Reha-Technik GmbH auf eine Koopertaion mit Triride (siehe unten), die Zuggeräte sind mit dem Antrieb der Italiener ausgestattet.
Auch mit den Wheel-Es kann man laut Hersteller im eigenen Rollstuhl leicht und unabhängig vorankommen, das Gerät zeihe Nutzer sicher über Gehsteige, Wald- oder Wiesenwege, Steigungen und Gefälle.
Dank 20“-Rad und breiter Bereifung sei das Wheel-E auch auf unebenem Gelände optimal geeignet, das Antriebssystem von Triride habe eine Steigfähigkeit bis zu 15%. Bei Vorwärtsfahrt sind 5 Unterstützungsstufen wählbar, ein Rückwärtsgang erleichtert das Rangieren.
In der Basisausstattung hat das Antriebssystem laut Hersteller eine programmierte Maximalgeschwindigkeit, die standardmäßig 6 km/h beträgt (in der Schweiz: 10 km/h aufgrund der dort geltenden Bestimmungen). Wird ein Gerät mit Einzelbetriebserlaubnis für Deutschland ausgewählt, beträgt die programmierte Maximalgeschwindigkeit 15 km/h. In diesem Fall und mit dem entsprechenden Ausstattungspaket ist die Nutzung im öffentlichen Bereich und im deutschen Straßenverkehr bis 15 km/h gestattet – sofern es mit einem Versicherungskennzeichen zugelassen wurde.
Die Bedienung erfolgt über einen Fahrtsignalgeber sowie ein Display am Lenker. Als besonders komfortabel bezeichnet der Hersteller den Tempomat: „Während der Fahrt kann durch Drücken der Tempomat-Taste die aktuelle Geschwindigkeit beibehalten werden, ohne über Gasgriff und Bremse die Geschwindigkeit ständig regulieren zu müssen.“
Die Reichweite des 504Wh-Akkus wird mit 45 Kilometern angegeben, ein Doppelakku erhöhe die Reichweite auf bis zu 90 Kilometer. Beim Bergabfahren oder Bremsen kann durch die sogenannte Rekuperation (Akkurückspeisung) der Akku aufgeladen werden, was nicht nur umweltfreundlich sei, sondern bei längeren Touren die Reichweite erhöhe.
Ebenfalls im Angebot: Zubehör wie Schutzbleche, Gepäckträger und Rückspiegel sowie Zubehör für funktionseingeschränkte Nutzer.
Nähere Informationen auf der Seite des Herstellers: Zuggerät WHEEL-E für Rollstühle | PRO ACTIV (proactiv-gmbh.de)
Speedy
Handbike-Spezialist Speedy aus Delbrück hat seine „Speedy electra“-Serie aus dem Sortiment genommen. Die rein elektrischen Kraftpakete werden nicht mehr hergestellt – in Delbrück wird nach Auskunft des Herstellers aber bereits (Stand: Februar 2024) an einem Nachfolgemodell gearbeitet.
Hersteller: Speedy Reha-Technik GmbH, Delbrück
Stricker, „Lipo Lomo“ und „Crossbike“
R & E Stricker aus dem Schwarzwald hat zwei Reihen von elektrischen Zuggeräten im Angebot: „Lipo Lomo“ und „Crossbike“. Beide verfügen laut Hersteller „über neueste Technologien und eignen sich für den alltäglichen Stadtverkehr als auch für unebenes Gelände und unvergessliche Reisen.“ Stricker wirbt mit einem „einzigartigen, flexiblen Kopplungssystem“. Durch die eigenentwickelte Klemme mit Schnelleinraster und ein laut Hersteller hoch-flexibles Rahmensystem passen die Geräte ohne Umbauten oder Modifikationen an 99% aller Rollstühle. (Was laut Hersteller auch interessant für Kostenträger ist, dadurch Zuggerät und Rollstuhl wiedereinsetzbar sind. Und auch für Verleiher berge das System Vorteile, da meist nur eine kurze Anpassung nötig sei).
Im Angebot sind vier Modelle: Lipo Lomo (ein Allrounder mit 16- oder 20-Zoll-Bereifung, V-Bremse und Scheibenbremse, Transportgewicht ab 14 kg, Gesamtgewicht ab 19 kg, Max. Nutzergewicht: Standardbelastung bis 120 kg Nutzerlast, mehr ist auf Anfrage möglich. Reichweite bis 40 km – weitere Akkus möglich, Tempomat, Drehgas am Griff, Scheibenbremse und V-Bremse, optional: viele Rahmenfarben und Tetra-Ausstattung).
Seine kleinen Geschwister: Lipo Lomo Pico und Micro. Das „Pico“ ist laut Hersteller „klein, leicht, stabil und hat ordentlich Power. Kompakt gefaltet begleitet Sie das Lipo Lomo Pico auch auf Ihren Flug- und Kreuzfahrtreisen.“ Und auch das Micro lasse sich als Behindertenfahrzeug in „in der Regel problemlos im Flugzeug transportieren“.
Nicht ganz so schlank, dafür aber besonders kräftig ist das „Crossbike“ (Transportgewicht ab 20 kg, Gesamtgewicht ab 25 kg), das mit einer Motorleistung von 1500 oder 2000 Watt gedacht ist „für alle Freiheitsliebenden, die keine Hindernisse kennen!“ Auch hier ist eine Tetraausstattung möglich.
Hersteller: Stricker-Handbikes, weitere Hersteller-Informationen, auch zu Zusatzausstattungen: Elektrische Rollstuhlzuggeräte – Stricker-Handbikes
Swiss-Trac

Der Swiss-Trac aus dem Land der Berge ist laut Eigenbeschreibung des Herstellers geeignet für „alle Rollstuhlfahrenden, die ihren Rollstuhl selber minimal bewegen können. Am Rollstuhl angekuppelt steuern Sie den Swiss-Trac mit geringem Kraftaufwand, weshalb er nicht nur für Para-, sondern auch für Tetraplegiker und Hemiplegiker geeignet ist. Die Bedienung ist darauf ausgelegt, dass Sie trotz eingeschränkter Greiffunktion selbstständig an- und abkuppeln, fahren, lenken und bremsen können.“ Er sei mit den meisten gängigen Handrollstühlen mit Starr- oder Faltrahmen kompatibel – eine Liste aller kompatiblen Rollstühle schafft bei diesem Punkt Sicherheit.
Die Zuggeräte sind kleine Kraftriesen – was sich auch in ihrem Gewicht zeigt: Zwischen 55 und 70 kg, was zumindest eine gewisse Bodenhaftung verspricht. Trotz des hohen Gewichts lässt sich der Swiss-Trac ohne fremde Hilfe in einen Kombi verladen. Dazu sind im Lieferumfang Auffahrschienen enthalten, über die der Trac in den Kofferraum fährt. Optional kann der Swiss-Trac mit Winterreifen inkl. Spikes aufgerüstet werden (siehe auch Beitrag: Mit dem Rollstuhl auf Eis und Schnee).
Die Reichweite wird zwischen 20 und 30 Kilometern angegeben (integrierte Akkus und externes Ladegerät sind im Lieferumfang enthalten) – die maximale Steigung mit 12 bis 20 %. Eine Tabelle stellt alle relevanten technischen Daten der vier Swiss-Trac-Modelle gegenüber.
Hersteller: Atec Ingenieurbüro AG, Küssnacht/CH, weitere Hersteller-Informationen, auch zu Zusatzausstattungen: www.swisstrac.ch
Triride
Aus Italien kommt das sportliche Design des Triride, den Vertrieb in Deutschland haben u.a. die Pro aktiv Reha-Technik GmbH und Kadomo übernommen. Triride ist ein elektrisches Zuggerät, das sich laut Kadomo „sehr einfach mit wenigen Handgriffen an die allermeisten Rollstühle ankoppeln lässt“.
Gleich zehn Rollstuhlzuggeräte (eines davon für Kinder-Rollstühle) werden auf der Kadomo-Seite vorgestellt – mit Überschriften wie „Zähme das Biest für Deine Offroad-Träume“, „Drehmoment am Limit“ oder „Wenn Du ab und zu normal sein musst“ (bemerkenswerterweise heißt das dazugehörige Model MadMax).
Vom Einsteigermodell (Triride Light, 670 – 890 W, Tempomat, 8,4 kg Gewicht, 10-, 12- oder 14-Zoll Antriebsrad, 5 Geschwindigkeitsstufen), über das laut Hersteller „Spitzenmodell der Flotte“, das „Special L’14 (Motor integriert im 14-Zoll-Antriebsrad, besonders für Nutzer mit einem höheren Körpergewicht und/oder Vorliebe für anspruchsvolles Gelände geeignet) bis zum muskulösen „T-Rocks HT 20″ (für Offroad-Enthusiasten entwickelt, Cross-Reifen, optional mit zweiter Batterie, was laut Hersteller für eine Reichweite von bis zu 100 Kilometern sorgt) dürfte für recht viele Benutzerwünsche das passende dabei sein.Ebenfalls erhältlich: das Modell „Triride Foldable“, das mit gefaltetem Lenker und abnehmbarer Kupplung in einen Reisetrolli passt.
Hersteller/Deutschlandvertrieb, siehe: Kadomo sowie proactiv-gmbh.de.
Um bei der Benutzung eines Rollstuhlzuggerätes auch rechtlich auf der sicheren Seite zu sein, empfiehlt es sich, beim Kauf genau nachzufragen, welche Geräte mit welcher Leistungsfähigkeit ohne Auflagen für die Benutzung im öffentlichen Raum zugelassen sind. Für nähere Informationen siehe auch: Zulassung für Rollstuhlzuggeräte
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