Querschnittlähmung: Teamsport erhöht Lebensqualität – und nimmt chronischen Schmerzen die Wucht
Sport hebt die Lebensqualität von Menschen mit Querschnittlähmung – vor allem auch, weil Sport ihnen hilft, besser mit chronischen Schmerzen umzugehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie aus Brasilien. Sie untersucht den Zusammenhang zwischen angepasstem Wettkampfsport, chronischen Schmerzen und Lebensqualität bei Menschen mit Rückenmarksverletzungen.

Chronische Schmerzen sind ein häufiges und belastendes Symptom bei Querschnittlähmung. Sie können physische Funktionen und die Stimmung beeinflussen. Studien zeigen, dass die Schmerzbeeinträchtigung bei täglichen Aktivitäten stärker die Lebensqualität beeinflusst als die Schmerzintensität selbst.
Körperliche Aktivität und Sport können sekundäre Komplikationen wie Schmerzen, Müdigkeit und Depression verringern. In Ländern mit hohen finanziellen Ressourcen hat sich Sport längst als förderlich für soziale Integration und Selbstwirksamkeit bei Menschen mit Querschnittlähmung etabliert.
Teamsportler und Nicht-Sportler mit Querschnittlähmung verglichen
Aber wie sieht es in ärmeren Ländern aus? Das wollte die brasilianische Studie „Pain and quality of life in athletes vs non-athletes with spinal cord injury“ (Schmerzen und Lebensqualität bei Sportlern vs. Nichtsportlern mit Rückenmarksverletzung) herausfinden. Sie untersuchte erstmals quantitativ die Beziehung zwischen angepasstem Sport, Schmerz und Lebensqualität bei querschnittgelähmten Menschen in einem Umfeld mit begrenzten Ressourcen. Ziel war es, in diesem Umfeld die Auswirkungen von Sport auf Schmerzwahrnehmung und Teilhabe zu analysieren. Die Ergebnisse lassen sich sicherlich auch auf reichere Länder transferieren.
Die Studie verglich 16 querschnittgelähmte Leistungssportler, die in drei Sportteams für Rollstuhl-Rugby, -Handball und -Basketball in der Stadt Campinas aktiv waren. Als Athleten wurden Personen definiert, die seit mindestens einem Jahr an Wettkampftraining teilnahmen, und zwar mindestens dreimal pro Woche. Die Vergleichsgruppe bestand aus 24 querschnittgelähmten Menschen, die keinen Sport treiben. Sie waren Patienten in der Ambulanz für Rückenmarksverletzungsrehabilitation des Klinikums der Staatlichen Universität von Campinas (UNICAMP).
Personen mit akuten Begleiterkrankungen wie Druckgeschwüren oder Harnwegsinfektionen wurden ausgeschlossen, ebenso Menschen kurz nach Operationen oder Krankenhausaufenthalten. So sollte verhindert werden, dass diese aktuellen Faktoren, die Schmerzen oder Lebensqualität beeinflussen, die Ergebnisse verfälschen.
Fragen nach Lebensfreude, Beziehungen und Beeinträchtigungen durch Schmerzen
Die Datenerhebung und die Befragungen erfolgten in der Ambulanz für Rückenmarksverletzungsrehabilitation oder an den Trainingsorten. Erfasste Variablen: Alter, Geschlecht, Bildung, Schweregrad der Querschnittlähmung gemäß der ASIA-Scale, Dauer der Querschnittlähmung, Familieneinkommen sowie die Einnahme oder Nicht-Einnahme von Schmerzmitteln.
In die Studie flossen unter anderem die durchschnittliche Schmerzintensität und die Schmerzbeeinträchtigung bei allgemeinen Aktivitäten, Stimmung, Bewegungsfähigkeit, normaler Arbeit, zwischenmenschlichen Beziehungen, Schlaf und Lebensfreude ein. Neuropathische Schmerzen wurden anhand einer 100-Punkte Skala erfasst. Die Lebensqualität schließlich wurde mit einem standardisierten Fragebogen der Weltgesundheits-Organisation erfragt.
Da die Sportler im Durchschnitt jünger waren als die Nicht-Athleten, haben die Forscher das Alter in ihren Berechnungen mit einbezogen, um sicherzustellen, dass die Unterschiede in der Lebensqualität tatsächlich auf den Sport zurückzuführen sind und nicht nur am Alter liegen.
Unterschiedliche Wahrnehmung der Schmerzen bei Querschnittlähmung
Es gab keinen signifikanten Unterschied in den Schmerzintensitätswerten zwischen Sportlern und Nicht-Sportlern. Zwar spüren die Leistungssportler genauso häufig und heftig Schmerzen wie die Nicht-Sportler, aber sie kommen im Alltag besser damit zurecht.
Die Bewegungsfans erlebten jedoch deutlich weniger Einschränkungen durch Schmerzen in folgenden Bereichen:
- Beziehungen zu anderen
- Lebensfreude
- Gesamte Schmerzbeeinträchtigung
Deutlich höhere Lebensqualität bei den Sportlern
Die Sportler hatten in fast allen Bereichen eine deutlich höhere Lebensqualität als die Nicht-Sportler. Sie fühlten sich körperlich und psychisch wohler, hatten bessere soziale Beziehungen und eine höhere Zufriedenheit mit sich selbst. Die Leistungssportler hatten in ihrem täglichen Leben weniger Beeinträchtigungen durch Schmerzen. Die Teilnahme an Wettkampfsportarten war bei ihnen signifikant mit einer höheren Lebensqualität verbunden. Nur die Bewertung der Umwelt zeigte keinen Unterschied zwischen beiden Gruppen.
Die erzielten Werte für Beziehungen zu anderen und Lebensfreude Athleten deuteten darauf hin, dass Sport dabei helfen könnte, besser mit chronischen Schmerzen umzugehen. Kurz gesagt: Sport scheint für Menschen mit Rückenmarksverletzungen ein wichtiger Faktor zu sein, um sich besser zu fühlen und ein erfüllteres Leben zu führen!
Sport hilft auch gegen die Isolation
Nicht nur die Schmerzen, die durch die Querschnittlähmung hervorgerufen werden, sondern auch die soziale Isolation waren ein Thema der Studie. Die Häufigkeit und Qualität authentischer sozialer Interaktionen spielen eine wichtige Rolle bei der Verringerung von Einsamkeit und sozialer Isolation bei Menschen mit Querschnittlähmung. Die Teilnahme an Sportaktivitäten und die damit verbundene soziale Interaktion können die körperliche und geistige Gesundheit von Menschen mit Querschnittlähmung positiv beeinflussen.
Vor allem, wenn sie sich – wie alle an der Studie beteiligten Sportler – in einem Mannschaftssport engagieren. Auf diesen Aspekt weisen die Macher der Studie ausdrücklich hin. Sie betonen, dass die Studie mehrere Einschränkungen hat. Neben der kleinen Stichprobengröße eben auch die Beschränkung auf nur drei Teamsportarten, die allein schon die soziale Interaktion fördern.
Die Studienmacher beenden ihre Ausführungen mit einem Appell: Da Querschnittlähmungen oft mit erheblichen Einschränkungen verbunden sind, könnten die gewonnenen Erkenntnisse dazu beitragen, politische Maßnahmen zu gestalten. Dazu gehören:
- Barrierefreie Transportmöglichkeiten und Sporteinrichtungen für Menschen mit Behinderungen
- Finanzierungsprogramme für Sportangebote und Ausrüstung für Menschen mit Behinderungen
- Trainingsprogramme für Sportlehrer und Paralympische Trainer, um qualifizierte Unterstützung zu gewährleisten
Die Studie wurde in „The Journal of Spinal Cord Medicine, Volume 47; 2024 – Issue 1 veröffentlicht und kann hier (externer Link) nachgelesen werden: Pain and quality of life in athletes vs non-athletes with spinal cord injury: Observational study