Elon Musks „Neuralink“: Patient steuert mit Gedanken Schach-Figuren

Geräte via Gedanken steuern – diese Vision soll in naher Zukunft Menschen mit Querschnittlähmung oder Alzheimer helfen. Das Start-up-Unternehmen Neuralink, eine der Firmen von Elon Musk, hat erstmals einem Menschen einen Gehirnchip implantiert. Nun kann man den sichtlich euphorischen Patienten auf Musks Plattform X (ehemals Twitter) beim Schachspielen beobachten.  

Der 29-jährige Noland ist seit einem Tauchunfall komplett querschnittgelähmt, ein Tetraplegiker. „Ich konnte während der letzten paar Jahre wirklich wenige Sachen tun“, erzählt Noland in dem X-Video. „Aber jetzt kann ich am Computer Schach spielen.“ Danach demonstriert er, wie er den Cursor über den Bildschirm gleiten lässt: „That´s pretty cool! … That´s all brain-power here!“ (Das ist ziemlich klasse, das habe ich alles mit meinem Gehirn gemacht). Zu Demozwecken lässt er einen weißen Springer übers Schachfeld springen. Dazu fokussiert er zunächst auf die Figur, die er bewegen will und dann auf das Feld, auf das er die Figur setzen will – die Figur folgt seinem Wunsch, nicht durch Zauberhand, sondern mit Hilfe des Hirnimplantats, das Noland eingesetzt wurde (Wer die ganze Partie und das Interview sehen will, kann dies auf X (vormals Twitter) unter diesem Link tun: Neuralink (@neuralink) / X.

1024 Elektroden

Zahlreiche Medien, unter anderem die Tagesschau (siehe Musk-Firma implantiert erstmals Gehirnchip beim Menschen | tagesschau.de) berichteten über den Eingriff. Das Implantat habe 1024 Elektroden, die ein Roboter mithilfe einer extrem feinen Nadel mit dem Gehirn verbunden habe.

Für die Erprobung am Menschen hatte Neuralink Patienten mit Tetraplegie gesucht. Ziel der Studie ist es, Menschen mit einer Lähmung aller vier Gliedmaßen zu ermöglichen, Geräte mit ihren Gedanken zu steuern, heißt es auf der Website des Unternehmens.

Auch wenn zunächst nur Menschen mit Querschnittlähmung von der technischen Innovation profitieren: Langfristig könnte der Tesla-Chef noch weitergehende Ziele verfolgen: Er will via Hirnimplantat eine Brücke zwischen Menschen und Künstlicher Intelligenz – und damit die Möglichkeit für Cyborgs schaffen.

Cyborgs sind technisch veränderte Wesen, meist Menschen, deren Körper dauerhaft durch künstliche Bauteile ergänzt wurde. Klingt nach Science-Fiction, ist aber bereits Realität, in vielen Fällen wird bereits mit sogenannten Gehirn-Computer-Schnittstellen gearbeitet: Cochlea-Implantate übertragen Töne ans Gehirn, Bein- und Handprothesen geben Feedback, Parkinson-Patienten tragen Implantate im Gehirn, um ihr Zittern zu unterdrücken, es existiert ein System, das Gehirnaktivitäten im Sprachzentrum auswertet und diese Informationen so umwandelt, dass sie per Computersprachausgabe hörbar werden.

Fernziel: Erweiterung des Verstands

Nun träumt auch Elon Musk – der Kopf hinter Unternehmen wie SpaceX oder Tesla – davon, einen Cyborg zu erschaffen. „Wir wollen Gehirne mit künstlichen Intelligenzen verknüpfen“, vermeldete er bei einer Präsentation, die öffentlichkeitswirksam auf YouTube gestreamt wurde und dort abzurufen ist.

Fernziel soll es sein, den eigenen Verstand dank des Chips zu erweitern, in dem man sich zum Beispiel aus einem Appstore eine neue Fremdsprache direkt ins Gehirn lädt. Damit wollen Musk und Co. Menschen weiterhin konkurrenzfähig erhalten gegenüber Künstlicher Intelligenz (KI), beziehungsweise menschliche Gehirne dazu befähigen, das Treiben von KI zu kontrollieren.

Im Juli 2016 hatte Musk dafür mit einigen Experten Neuralink gegründet. Ein Unternehmen, über das in den Anfangsjahren nur recht wenig zu erfahren war. Nun immerhin gibt es eine Webseite, auf der zu lesen ist: „Hallo Welt. Wir freuen uns, euch zeigen zu können, woran wir in den letzten zwei Jahren gearbeitet haben.“ Angereichert ist dieser Satz mit einem Link zum Stream und zu einem üppigen Whitepaper, das im Detail den bisherigen Stand der Neuralink-Forschung widerspiegelt. Immerhin mit dem Zusatz, dass das Papier und seine Inhalte noch nicht von externen Wissenschaftlern geprüft wurde.

Entwickelt wurde ein Roboter, der winzigste Elektrodenfäden – so dick wie ein Viertel Menschenhaar oder wie eine einzelne Nervenzelle – im menschlichen Gehirn platzieren kann. Schön dicht an den Synapsen, dort, wo die Kommunikation zwischen den einzelnen Nervenzellen stattfindet. Die Elektrodenfäden werden in einem ebenfalls neu entwickelten Mini-Chip (der winzige Sensor misst nur 8 mm), einem sogenannten BCI (Brain Computer Interface, Brücke zwischen Gehirn und Computer), gebündelt. Und dieses BCI schließlich kommuniziert ohne Kabelverbindung mit einem Sender, den man wie ein Hörgerät hinterm Ohr tragen kann. Bis zu zehn Chips könnten in ein menschliches Gehirn implantiert werden, so hoffen es die Experten von Neuralink, und zwar so einfach, wie heute bereits Augen gelasert werden.

Die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine wäre in beide Richtungen möglich, behaupten die Neuralink-Leute: Lern-Input, aber auch schöne Bilder, könnten von außen in das Hirn geleitet werden. Andererseits könnte das Gehirn direkt aktiv Maschinen, eine KI oder eben Nerven und Muskel dirigieren, die z. B. aufgrund einer Querschnittlähmung nicht (mehr) auf natürlichem Weg via Wirbelsäule anzusteuern sind.

Auf diese Option konzentrieren sich die Wissenschaftler von Neuralink im ersten Schritt: Die Mensch-Maschine-Schnittstelle soll zunächst Tetraplegikern helfen, allein durch ihre Gedanken ihr Smartphone oder den Computer zu bedienen.

Anfangs Probleme mit Elektroden (Update vom Mai 2024)

Auf Nachfrage des Wall Street Journals räumte das Unternehmen am 08. Mai 2024 in einem (externer Link) Blog-Beitrag ein, dass sich in den Wochen nach der Operation einige Elektroden vom Gehirn des Probanden gelöst hätten, „als Reaktion auf diese Änderung haben wir den Aufzeichnungsalgorithmus geändert.“

Keine völlig neue Forschungs-Idee

Die Ideen sind nicht völlig neu. Es gibt zahlreiche andere Forschungsprojekte, mit dem Ziel, Menschen die Steuerung von Maschinen oder Computern per Gedanken zu ermöglichen.  Über einige Beispiel hat Der-Querschnitt.de berichtet:


Der-Querschnitt.de betreibt keine Forschung und entwickelt keine Produkte/Prototypen. Wer an der beschriebenen Methode oder den vorgestellten Prototypen Interesse hat, wendet sich bitte an die im Text genannten Einrichtungen.