Über Auswirkung von Neuronen auf den Stoffwechsel bei Querschnittlähmung

Eine Studie der US-amerikanischen Ohio State University zeigt, wie Rückenmarksverletzungen zu erheblichen Störungen des Stoffwechsels führen und so das Auftreten von Diabetes oder Herzkrankheiten begünstigen könnten.

Fluoreszenzbild der sensorischen Axone (rot), die sieben Tage nach einer Rückenmarksverletzung bei einer erwachsenen Maus mit dem viszeralen weißen Fettgewebe verbunden sind. Bild: Andrea Tedeschi

Grund dafür ist laut Studie, dass abnorme neuronale Aktivitäten nach Eintritt einer Querschnittlähmung zu einem übermäßigen Abbau von Triglyceriden im Fettgewebe führen, wodurch schädliche Verbindungen in die Leber und andere Organe gelangen. Durch die Verabreichung des Schmerzmittels Gabapentin gelang es den Forschern im Tiermodell diese metabolischen Auswirkungen zu verhindern. Diese Entdeckung könnte den Weg für neue Behandlungen ebnen, die die durch Rückenmarksverletzungen verursachten, sekundären Gesundheitsprobleme abmildern.

Gabapentin hemmt ein neuronales Protein, das nach einer Schädigung des Nervensystems überaktiv wird und die Signalleitung zwischen sensorische Neuronen und Bauchfettgewebe stört.

Frühere Studien hatten ergeben, dass kardiometabolische Erkrankungen zu den häufigsten Todesursachen bei Menschen mit Querschnittlähmung gehören (siehe: Todesursachen bei Querschnittlähmung). Diese oft chronischen Erkrankungen können mit einer Funktionsstörung des viszeralen weißen Fettgewebes zusammenhängen, dessen metabolische Aufgabe es ist Energie zu speichern und Fettsäuren bei Bedarf als Brennstoff freizusetzen, sowie den Blutzuckerspiegel zu regulieren.

Kaskade abnormaler Aktivitäten

In der vorliegenden Studie wurde erstmals untersucht, wie sich sensorische Neuronen unter gesunden Bedingungen mit dem Fettgewebe verbinden; die Forscher schufen ein Mausmodell mit Rückenmarksverletzung, das nur diese Neuronen beeinträchtigte – ohne das sympathische Nervensystem zu unterbrechen. Hier zeigte sich innerhalb von sieben Tagen nach der Verletzung eine Kaskade abnormaler Aktivitäten in den Neuronen – allerdings nur in ihrer Kommunikationsfunktion, nicht in ihrem Nachwachsen oder ihrer Struktur – und im viszeralen Fettgewebe.

Die Aktivität des alpha2delta1-Rezeptors in den sensorischen Neuronen nahm zu: Sie schütteten ein Neuropeptid namens CGRP übermäßig aus, während sie gleichzeitig durch synaptische Übertragung mit dem Fettgewebe kommunizierten – das in einem Zustand der Dysregulation die Konzentration eines Rezeptorproteins erhöhte, das sich dann mit dem CGRP-Neuropeptid verband. Das Ergebnis war eine unkontrollierte Lipolyse (d.h. eine Freisetzung von freien Fettsäuren und Glycerin aus dem Fettgewebe). Auch kam es zu einem Anstieg des Blutflusses im Fettgewebe und die Aktivierung von Immunzellen in der Umgebung.

„Das Fett reagiert auf das Vorhandensein von CGRP, und es aktiviert eine Lipolyse“, erklärt Prof. Andrea Tedeschi. „Wir haben auch gesehen, dass sich als Folge der Querschnittlähmung neue Blutgefäße bilden. Beides kann dazu beitragen, einen chronisch entzündungsfördernden Zustand zu schaffen.

Eine Behandlung mit Gabapentin, konnte die normale Funktion des Fettgewebes wiederherstellen, allerdings entwickelten die Versuchstiere auch eine Insulinresistenz – eine bekannte Nebenwirkung von Gabapentin.

Als mögliche Lösung für diese Problem verabreichten die Forscher das Medikament in einer anderen Dosierung: Sie begannen mit einer hohen Dosis, reduzierten sie dann, und stoppte die Gabe nach vier Wochen vollständig. Tatsächlich führte dies zu einem unauffälligen Stoffwechsel der Versuchstiere.

Laut Tedeschi deuten all diese Ergebnisse darauf hin, dass der frühe Beginn einer Gabapentin-Behandlung nach Eintritt einer Querschnittlähmung vor Stoffwechselschäden – die zu kardiometabolischen Erkrankungen führen – schützen kann. Und dass es möglich sein könnte, das Medikament abzusetzen, während die gewonnenen Vorteile erhalten bleiben und das Risiko für Nebenwirkungen verringert wird.

Zusammenfassung

Die Studie zeigt einen Zusammenhang zwischen Rückenmarksverletzungen und Stoffwechselstörungen auf, die auf eine abnorme neuronale Aktivität zurückzuführen sind, die das Fettgewebe beeinträchtigt.

Gabapentin normalisierte die Stoffwechselfunktionen bei Mäusen, indem es problematische  neuronale Proteine hemmte und den übermäßigen Abbau von Fetten verhinderte.

Trotz seiner Vorteile führte Gabapentin zu einer Insulinresistenz, weshalb die Dosierungsstrategien angepasst wurde, mit dem Ziel die therapeutische Wirkung zu erhalten und gleichzeitig die Nebenwirkungen zu minimieren.

Wann und ob die Methode beim Menschen eingesetzt werden kann, ist derzeit noch unklar.

Zu den ausführlichen Studienergebnissen geht es hier: After spinal cord injury, neurons wreak havoc on metabolism (externer Link)


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