Zum SCI-Day am 5. September 2025: Aktuelle Ergebnisse der GerSCI-Studie
Die zweite GerSCI-Querschnittstudie beleuchtet die Versorgung und Lebensqualität von Menschen mit Querschnittlähmung in Deutschland. 2.670 Befragte äußersten sich zu Themen wie Sexualität, neuropathische Schmerzen, Gelenkkontrakturen, Erwerbstätigkeit. Pünktlich zum SCI-Day veröffentlicht die DMGP nun die ersten Ergebnisse.

Bereits zum 10. Mal ruft die Internationale Rückenmarkgesellschaft (ISCoS) zum Internationalen Tag der Querschnittlähmung (SCI-Day) auf. Der diesjährige SCI-Day steht unter dem Motto „Sturzprävention, Schutz des Rückenmarks“.
Zum SCI-Day veröffentlicht die (externer Link) Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie (DMGP) e.V. aktuelle Ergebnisse der zweiten German Spinal Cord Injury Survey (GerSCI). Sie stammen aus einer Befragungsstudie, die die Klinik für Paraplegiologie des Universitätsklinikums Heidelberg (Direktor: Prof. Dr. med. N. Weidner) koordinierte. Die Studie liefert umfassende Einblicke in die Lebensrealität von Menschen mit Querschnittlähmung in Deutschland.
In Deutschland beteiligten sich 15 Zentren der DMGP. Mit finanzieller Unterstützung durch die (externer Link) Deutsche Stiftung Querschnittlähmung (DSQ) wurden rund 23.600 betroffene Personen kontaktiert. 2.670 beantworteten die 90 Fragen der GerSCI-Umfrage. 90% davon online.
Wer wurde befragt?
Das durchschnittliche Lebensalter der Personen, die mehr als 25% der Fragen beantwortet haben, betrug zum Zeitpunkt der Befragung 58,5 Jahre. 71,5% der Befragten sind männlich. Im Schnitt liegt bei den Teilnehmenden der Eintritt der Querschnittlähmung 19,5 Jahren zurück.
Bei 75,7% war die Querschnittlähmung durch einen Unfall verursacht, 24,3% hatten eine nicht-traumatische Ursache. 45,6% der Antwortenden gaben an, dass bei Ihnen alle Extremitäten durch die Querschnittlähmung eingeschränkt sind (Tetraplegie), während beim Rest (54,4%) eine Lähmung nur der unteren Extremitäten vorlag.
InSCI- und GerSCI-Studien
2017 wurde erstmals eine internationale InSCI-Studie durchgeführt, initiiert von der (externer link) Weltgesundheitsorganisation (WHO), der (externer Link) International Spinal Cord Society (ISCoS) und der (externer Link) International Society of Physical and Rehabilitation Medicine (ISPRM). Die Koordination übernahm die (externer Link) Schweizer Paraplegiker-Forschung (SPF)
Bei der zweiten InSCI-Studie nahmen 2023/2024 weltweit 32 Länder teil. Ziel der Befragung ist die Erhebung globaler und verlässlicher Daten zu Menschen mit Querschnittlähmungen, um mögliche Veränderungen zu erkennen und gegebenenfalls zu reagieren.
Auch in Deutschland wurde eine nationale Befragung durchgeführt. Das Ergebnis ist die GerSCI-Studie, die Aussagen über die Situation von Menschen mit Querschnittlähmung in Deutschland zulässt und die zugleich in die InSCI-Studie einfließt.
Die Ergebnisse in der Kurzfassung
Rund 20% aller Querschnittlähmungen in Deutschland sind durch Stürze verursacht, die meisten führen zu Lähmungen an Armen und Beinen (Tetraplegie). Die Ergebnisse der GerSCI-Befragung zeigen schwerwiegende Folgen der Querschnittlähmung auf, die weit über die allgemein bekannte Rollstuhlabhängigkeit hinausgehen:
Sexuelle Dysfunktionen
Bei den angegebenen gesundheitlichen Problemen wurden an erster Stelle sexuelle Dysfunktionen genannt, bei denen über 40% der Befragten angaben, extreme Probleme zu haben. Im Gegensatz dazu haben nur 19% keine Beschwerden bezüglich der Sexualfunktionen geäußert. (Siehe auch: Sexualität Archive – Der-Querschnitt.de)
Neuropathische Schmerzen
Erstmalig wurden Probleme mit neuropathischen Schmerzen abgefragt, wobei 44% der Teilnehmenden eine Schmerzbehandlung, z.B. in medikamentöser Form, erhalten. Dennoch geben fast 50% der Teilnehmenden moderate bis extreme (38%) Schmerzproblematiken an. (Siehe auch: Schmerz Archive – Der-Querschnitt.de)
Gelenkkontrakturen
Das drittgrößte Gesundheitsproblem (34%) stellten Gelenkkontrakturen. (Siehe u.a. Beitrag Kontrakturen bei Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de)
Darm- und Blasenmanagement
An vierter Stelle stehen Komplikationen bezüglich des Darm- und Blasenmanagements (31%). Deutlich angestiegen ist die Zahl derer, die von Unregelmäßigkeiten (21%) oder Komplikationen, z.B. Obstipation, beim Darmmanagement berichten. Des Weiteren gaben mehr als 24% der Befragten an, dass sie Probleme mit ungewollten täglichen Stuhlabgängen haben. Demgegenüber steht die Aussage, dass 75% sich in keiner Behandlung hinsichtlich Darmmanagementprobleme befinden. Dieses Missverhältnis lässt auf einen starken Bedarf an kompetenten Versorgungs- und Beratungsangeboten schließen. (Siehe auch: Darm Archive – Der-Querschnitt.de sowie Blase Archive – Der-Querschnitt.de)
Weitere Problemfelder
25%-30% der Betroffenen geben wie schon 2017 extreme Probleme mit Gelenk- und Muskelschmerzen, Spastik, Schlafstörungen und Harnwegsinfekten an. Demgegenüber stellen respiratorische Einschränkungen, autonomische Dysreflexie und Hautdruckstellen in dem Gesamtkollektiv weniger schwerwiegende Probleme dar (zwischen 10 und 11%).
Erwerbstätigkeit
Ein weiterer Schwerpunkt der GerSCI-Befragung bildet die Befragung hinsichtlich Erwerbstätigkeit von Menschen mit Querschnittlähmung. Über 66% der Befragten gaben an, berufliche Rehabilitationsmaßnahmen nach Eintritt der Querschnittlähmung in Anspruch genommen zu haben. Fast 60% kehrten direkt nach der querschnittspezifischen Primärbehandlung-/Rehabilitation auf den Arbeitsmarkt zurück. Im Vergleich zu 2017, in dem 42% der Befragten angaben, einer bezahlten Beschäftigung nachzugehen, gehen in der aktuellen Umfrage nur 32% der Teilnehmenden im erwerbsfähigen Alter einer bezahlten Tätigkeit nach.
Die durchschnittliche Arbeitszeit ist mit ca. 28,5 Stunden pro Woche zu beiden Befragungszeitpunkten ähnlich. Bezüglich der für die Ausführung der beruflichen Tätigkeit notwendigen Hilfsmittel beurteilten 25% der Befragten, dass sie mit der Hilfsmittelausstattung wenig bis gar nicht zufrieden gewesen seien. Im Gegensatz dazu waren 53% mit den Hilfsmitteln für den beruflichen Kontext zufrieden bis sehr zufrieden. (Siehe auch Schule, Beruf & Rente Archive – Der-Querschnitt.de)
Schlussfolgerung
„Die GerSCI-Zahlen machen deutlich: Eine Querschnittlähmung bedeutet einen massiven Verlust an Selbständigkeit und Lebensqualität und stellt eine große Herausforderung hinsichtlich der medizinischen Versorgung, der Hilfsmittelversorgung und der gesellschaftlichen Teilhabe dar. Umso wichtiger sind öffentliche Präventionskampagnen zur Aufklärung über Sturzrisiken bei jungen (Kopfsprung in flaches Wasser) und über Maßnahmen zur Sturzvorbeugung bei älteren Menschen (Sturz im häuslichen Umfeld)“, betont PD. Dr. med. Andreas Badke, erster Vorsitzender der DMGP in einer Pressemitteilung.
Die Wiederholung der GerSCI-Erhebung ermöglicht erstmals Aussagen zu zeitlichen Trends als Grundlage für gezielte Verbesserungen der Versorgung und Inklusion. Der Vergleich mit anderen europäischen Ländern wird helfen, strukturelle Schwächen in der Versorgung von Menschen mit Querschnittlähmung in Deutschland zu identifizieren und politische Handlungsfelder aufzuzeigen.
Über die DMGP
Die (externer Link) Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie e.V. (DMGP) setzt sich seit über 25 Jahren für die umfassende medizinisch-rehabilitative Versorgung und die gesellschaftliche Inklusion von Menschen mit Querschnittlähmung ein.
Downloads zum Weiterlesen:
Eine Zusammenfassung der zweiten GerSCI-Studie steht hier zum Download bereit: Kurzbericht der GerSCI-Befragungsstudie 2023/24
Die Pressemeldung der DMGP steht hier zum Download bereit: „Zum SCI-Day am 5. September 2025: Aktuelle Ergebnisse der GerSCI-Studie beleuchten Versorgung und Lebensqualität von Menschen mit Querschnittlähmung in Deutschland“