Analtampons und Einsätze bei neurogener Darmfunktionsstörung

Ein gut gewählter Analtampon kann Menschen mit Querschnittlähmung und Darmentleerungsproblematik das Leben in vielerlei Hinsicht leichter machen. Zum einen kann er dazu beitragen, dass sie – optimalerweise über mehrere Stunden hinweg – wieder unbesorgt am sozialen Leben teilnehmen können.  Zum anderen sorgt er für ein Plus an Hygiene, was sich wiederum positiv auf die Blasengesundheit auswirken kann. Mehrere Systeme sind auf dem Markt erhältlich.

Analtampons und Einsätze können helfen, Unsicherheiten im sozialen Leben zu überwinden

Vorab: Beratung und Information

Wird das Darmmanagement zum Problem und/oder kommt es zu Inkontinenzereignissen, brauchen Betroffene kompetente Beratung. Erster Ansprechpartner sollte immer der behandelnde Arzt sein. Schließt er andere Therapie-Möglichkeiten aus, kann er ein Rezept für Analtampons ausstellen. Da die Tampons zu den sogenannten Kontinenzhilfsmitteln zählen, sind sie für gewöhnlich im Hilfsmittelverzeichnis gelistet – und belasten das Budget des Arztes nicht.

Wer ergänzend zum ärztlichen Gespräch Beratung sucht, kann sich auch an Experten für neurogene Darmfunktionsstörungen wenden. Diese arbeiten vor allem in Rehakliniken, Sanitätshäusern, Homecare-Unternehmen oder Querschnitt-Zentren. Sie kennen sich aus mit den aktuellen Hilfsmitteln zum Darmmanagement und können Analtampons in ihrer jeweiligen Funktionsweise erläutern und den Umgang mit ihnen anleiten.

Eine weitere mögliche Ansprechpartnerin: Die Pflegewissenschaftlerin und examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin Veronika Geng. Sie leitet das „Beratungszentrum für Ernährung und Verdauung Querschnittgelähmter“ in der Manfred-Sauer-Stiftung. Dort können Menschen mit Querschnittlähmung und ihre Angehörigen sich über Möglichkeiten, das Darmmanagement zu optimieren, informieren. (Mehr zu diesem für Betroffene kostenfreien Angebot auf den Seiten der Manfred-Sauer-Stiftung: Beratungszentrum – Manfred-Sauer-Stiftung (manfred-sauer.com).

Auch die Deutsche Kontinenz Gesellschaft rät dazu, sich aktiv Beratung und Hilfe zu suchen. Auf ihrer Seite findet sich eine (externer Link) Suchmaschine, in der nach Postleitzahlen sortiert über 1.300 zertifizierte Ärztliche Beratungsstellen aufgelistet sind (die allerdings nicht zwingend ihren Fokus auf den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Querschnittlähmung haben). Zudem verweist die Gesellschaft auf die Möglichkeit, sich an ein zertifiziertes Kontinenz- und Beckenbodenzentren zu wenden. Dies sind interdisziplinäre Einrichtungen, die sich schwerpunktmäßig mit Problemen der Harn- und Stuhlinkontinenz beschäftigen. Auch hierfür bietet die Gesellschaft eine Suchmaschine nach Postleitzahlen an.  

Drei gängige Systeme

  1. A-Tam®-Analtampons
A-Tam®-Analtampons von Med SSE System (hier mit Applikatoren) gibt es in sechs Varianten und diversen Größen und Längen

Hergestellt werden diese Analtampons aus Polyvinylalkohol (PVA), einem Schaumstoff, der nach Angaben von Med SSE System, einem der großen deutschen Hersteller, „toxikologisch und dermatologisch unbedenklich“ und „immunologisch inaktiv“ ist.

Nach dem Entfernen der Schutzfolie muss dieser Tampons kurz in warmem Wasser eingeweicht und anschließend das überschüssige Wasser ausgedrückt werden. Zum Einführen wird der Tampon auf einen Applikator gesetzt – entfernt wird er mithilfe eines Rückholbändchens.

Die A-Tam®-Analtampons des Nürnberger Herstellers sind in sechs Varianten für unterschiedlich ausgeprägte Funktionseinschränkungen erhältlich. Jede der Varianten kann wiederum mit diversen Durchmessern und Längen bestellt werden (der Hersteller bietet Probesets an). Auch Sonderanfertigungen sind bei diesem System möglich.

Varianten der Analtampons von RECA Med

Nach einem ähnlichen Prinzip funktionieren die Anal-Tampons von RECA Med. Auch sie bestehen aus PVA-Schaumstoff. Die relativ offenporige Oberfläche sorge, so der Hersteller, für einen guten Halt.

Weiterführende Informationen auf der Seite des Herstellers: Inkontinenz-Tampons – für Blasenschwäche und Stuhlinkontinenz | RECA Med – mehr Freiheit bei Inkontinenz

2. Renew

„Strenggenommen kein Tampon, sondern ein Einsatz. Gefertigt wird der Einsatz von Renew Medical aus „weichem, geschmeidigem und hautverträglichem Silikon, das sich Ihrem Körper perfekt anpasst“, so die Produktbeschreibung.  Sie können Tag und Nacht sicher verwendet werden und werden beim nächsten Stuhlgang auf natürliche Weise ausgeschieden.“  Auch dieses System arbeitet mit einem Applikator. Angeboten wird der Einsatz in zwei Größen – der Hersteller empfiehlt, mit der Größe „Normal“ zu starten. Sollte der Einsatz verrutschen oder weiterhin unkontrollierter Stuhlverlust stattfinden, kann auf die größere Größe gewechselt werden.  

Erinnert an eine kleine Hantel: Renew von Renew Medical wird mithilfe einer Einsetzhilfe platziert. Die untere Scheibe liegt direkt am Anus an

3. Navina Fecal Incontinence Insert

Dieser Einsatz von Wellspect HealthCare ist „weich und flexibel und besteht aus Silikon und Flüssigkeit“, so die Produktbeschreibung. Durch die Flüssigkeitsdynamik passt er sich im Innern an und bewegt sich mit – was ein „unabhängiges und aktives Leben ermöglicht“. Die Halterung des Einsatzes liegt am anorektalen Übergang an und verhindert so ungewollten Stuhlverlust. Zum anderen passt sich der Schaft an und füllt den Analkanal aus, wodurch der Druck der Schließmuskeln den Kanal abdichtet und ein Vorbeilaufen von Stuhl verhindert.

Durch den flüssigen Kern sei für eine vollständige Abdichtung am Rektum gesorgt und ein ungewollter Stuhlverlust werde verhindert.

Platziert wird der Einsatz, der mit einem Gleitmittel beschichtet ist, mit einer Einführhilfe, entfernt wird er, indem man ihn an der Halterung herauszieht.

Außen flexibel und weich, innen flüssig: der Navina Fecal Incontinence Insert von Wellspect HealthCare: einmal die Einführhilfe, daneben der Silikon-Einsatz, einmal der Einsatz mit bereits platzierter Einführhilfe

Tipps für die Anwendung

Das Einführen eines Analtampons kann Assistenz erfordern, wenn die Beweglichkeit der oberen Extremitäten eingeschränkt ist. Hinzu kommt, dass wir alle keine Teleskopaugen haben, die mal eben schauen können, was hinten rum so los ist. Da heißt es, blind zu agieren.

Bei einer Querschnittlähmung, verbunden mit neurogener Darmfunktionsstörung, ist der Bereich um den Anus herum häufig nicht sensibel, d. h. der Einführort muss allein mit der Hand erstastet werden. Das kann im Liegen, aber auch sitzend auf der Toilette, und mit Handschuhen geschehen.

Welcher Tampon der richtige ist, wie gut er im Einzelfall schützt und ob er eine Einlage ggf. unnötig macht, muss jeder Betroffene für sich herausfinden.

Jedes der vorgestellten Systeme hat seine Vorteile und individuellen Nachteile. Welcher Tampon der richtige ist, wie gut er im Einzelfall schützt und ob er eine Einlage ggf. unnötig macht, muss jeder Betroffene für sich herausfinden.

Einige Punkte dürften für alle Systeme gelten:

  • Hände gründlich mit Wasser und Seife waschen. Nach Wunsch Handschuhe überziehen.
  • Ggf. Darm mit der üblichen Methode entleeren (siehe: Darmentleerungstechniken).
  • Analbereich reinigen
  • Den Tampon/Silikoneinsatz der Anleitung des Herstellers entsprechend in den Analkanal einführen. Ist ein Rückholfaden vorhanden, muss dieser noch gut greifbar sein
  • Beim Herausziehen eines Applikators die Gesäßbacken mit der Hand etwas zusammenkneifen.
  • Danach: Ab in den Müll. Alle vorgestellten Produkte sind zum einmaligen Gebrauch gedacht.
  • Und: Ein Tampon verschwindet in der Regel nicht im Körper. Verrutscht er nach innen, wird er meist mit dem nächsten Stuhlgang wieder ausgeschieden.

Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.
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