Berufsförderwerk: Berufliche Rehabilitation nach Eintritt einer Querschnittlähmung

Der Weg zurück in ein geregeltes Berufsleben gilt neben der medizinischen Rehabilitation als wesentliches Element einer gelungenen Rückkehr in die Normalität unter veränderten Bedingungen. Das Berufsförderwerk in Heidelberg will Menschen mit Querschnittlähmung helfen diesen Weg zu finden.

Symbolbild

Das Berufsförderungswerk in Heidelberg-Schlierbach (externer Link) entstand in den 60er Jahren. Das Kurt-Lindemann-Haus unter Trägerschaft des Universitätsklinikums Heidelberg bieten Ausbildungen und Umschulungen, sowie Vorbereitungsmaßnahmen und Arbeitserprobungen im kaufmännischen Bereich an. Der Fokus liegt auf einer engen und individuellen Begleitung, Förderung und Ausbildung von Menschen mit Querschnittlähmung und anderen physischen und/oder psychischen Erkrankungen. In unmittelbarer Nähe ist auch die medizinische Betreuung durch die Orthopädische Universitätsklinik Heidelberg gewährleistet.

Umschulung bzw. berufliche Förderung von Menschen mit Querschnittlähmung

Das BFW bietet verschieden Ausbildungs- bzw. Umschulungsmöglichkeiten im kaufmännischen Bereich, die IHK zertifiziert sind. Die Ausbildungen dauern i.d.R. drei Jahre und die Umschulungen zwei Jahre. Die Teilnehmer lernen in kleinen Klassen mit ca. fünf bis zehn anderen und werden in der hauseigenen Übungsfirma an die kaufmännische Praxis herangeführt. Zudem gibt es sog. Rehabilitationsmaßnahmen oder Arbeitserprobungen, die in Frage kommen, wenn noch eine genaue Abklärung zur beruflichen Orientierung beantwortet werden muss. Bei jedem gewählten Zweig werden die Teilnehmer in Heidelberg durch Fachdienste durch eine konstante Ansprechperson beraten und begleitet. Für Menschen, die von weiter her kommen, gibt es die Möglichkeit im Internat zu wohnen.

„Eine dreistündige Belastbarkeit am Tag muss gegeben sein.“

Sozialarbeiter Osman Karcier berichtet über das BFW: „Zu uns kommen Menschen mit Querschnittslähmung, in der Regel vermittelt durch die Kostenträger (Agentur für Arbeit, die Rentenversicherung oder andere Stellen), meist nach dem Eintritt einer traumatischen Querschnittlähmung, aber auch Ausbildungen für Menschen mit z.B. Spina bifida sind möglich. Sinnvoll ist die berufliche Rehabilitation natürlich meist erst dann, wenn die physische Rehabilitation abgeschlossen ist und der Betroffene psychisch dazu bereit ist, diesen Aspekt seines Lebens anzugehen. Ob diese Eignung, d.h. eine entsprechende Rehabilitationsfähigkeit vorliegt, muss im Vorfeld geklärt werden. Es muss z. B. eine dreistündige Belastbarkeit am Tag gegeben sein; andernfalls wird die Ausbildung schnell zur Überforderung – was schlimmstenfalls physische und psychische Folgen haben kann. Für den Kostenträger ist es jedenfalls immer wichtig, dass eine Maßnahme bei uns im Haus zielführend ist. Also im Idealfall sollte der Mensch nach Abschluss der Ausbildung einer Arbeit nachgehen.“

„Für eine konkrete Abklärung, ob eine Ausbildung bei uns für den einzelnen sinnvoll ist oder nicht, finden bei uns mit den potenziellen Teilnehmern Vorstellungsgespräche und Hospitationen statt“, so Karcier weiter. „Die Leute können in die Klassen reinschauen und einen Tag miterleben. Meist ist das sehr hilfreich für eine Entscheidungsfindung.“

„Unterstützt werden Menschen mit Querschnittlähmung durch Fachdienste, z.B. durch den Sozialdienst (Vernetzung mit Kostenträgern, alltägliche Themen, Perspektivenfindung), Jobcoach (Bewerbungstraining, Praktikumssuche). Für Menschen mit Pflegebedarf haben wir einen ambulanten Pflegedienst vor Ort. Auf dem Gelände haben wir durch die Orthopädische Klinik Trainingsmöglichkeiten wie einen Rollstuhl-Parcours, usw.. Durch die Uniklinik haben wir eine Anbindung an die Querschnittsabteilung sowie Physiotherapie, Ergotherapie, Mobilitätstraining usw. und können uns bei Bedarf und auf Wunsch auch mit anderen ambulanten Diensten vernetzen.“

Ein weiterer Schwerpunkt ist die individuelle Zukunftsperspektive nach einer beruflichen Rehabilitation. Da bieten wir auch Beratungen, z.B. zum Thema selbstbestimmtes Leben mit Assistenz für Menschen, die einen Assistenzbedarf haben, an und  vermitteln an entsprechende Fachdienste.

Eigenverantwortung: Ausschlaggebend für den Erfolg

Laut Karcier ist ein gewisses Maß an Eigenverantwortung ausschlaggebend für den Erfolg. „Für die Teilnehmer bei unserem Programm – und eigentlich für das ganze Leben – ist es ganz wichtig, dass sie Experten in eigener Sache sind oder werden. Niemand außer dem Betroffenen selbst kann sagen, wann er bereit für die berufliche Rehabilitation ist. Wir erleben manchmal, dass Menschen sich zu früh zu viel zumuten. Oder dass die Ausbildung pausiert oder abgebrochen werden muss, weil es zu gesundheitlichen Komplikationen kommt, die eigentlich vermeidbar gewesen wären, wie das Auftreten von Dekubitus. Das Achten auf die eigene Gesundheit ist nach Eintritt einer Querschnittlähmung sehr, sehr wichtig und diese Verantwortung kann einem keiner abnehmen.“

Das Team des Kurt-Lindemann-Haus in Heidelberg

Weitere Möglichkeiten der beruflichen Rehabilitation

Programme zur beruflichen Neuorientierung und/oder Berufsförderungswerke speziell für Menschen mit Querschnittlähmung gibt es in Deutschland nicht nur in Heidelberg. Auch im Querschnittgelähmten-Zentrum in Bad Wildbad gibt es seit 1956 eine Modelleinrichtung für querschnittgelähmte Menschen, aus der das heutige BFW hervorgegangen ist. Medizinische und berufliche Rehabilitation in 15 Ausbildungsberufen können hier kombiniert werden. Zur Heinrich-Sommer-Klinik für Menschen mit Querschnittlähmung gehört zudem eine eigene Fahrschule.

Über weitere Möglichkeiten informieren die Querschnittgelähmten-Zentren, siehe: Kliniken zur Behandlung von Querschnittlähmungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz

Siehe auch: Schule, Beruf & Rente Archive – Der-Querschnitt.de