„Fehlende Hilfsmittel und uneinheitliche Regelungen behindern den Zugang zum Sport“

55 Prozent der Menschen mit Behinderungen treiben nie Sport – viele, weil ihnen oft die entsprechenden Hilfsmittel fehlen. Deshalb fordert der Bundesinnungsverband für Orthopädie-Technik (BIV-OT) zum Tag der Menschen mit Behinderungen echte Teilhabe in Form von „Sport für alle“.    

Spitzenleistungen wie von Léon Schäfer hier bei den Paralympics 2024 in Paris sind ohne moderne Prothesen oder Sportrollstühle undenkbar – doch im Alltag kämpfen viele Menschen vergeblich um die Finanzierung solcher Hilfsmittel.

Für Menschen mit Behinderungen ist Sport weit mehr als nur Bewegung – er bedeutet Gesundheit, Lebensfreude und Zugehörigkeit. Doch in Deutschland bleibt das Recht auf Sport viel zu oft unerfüllt, befindet der Verband in einer Pressemeldung. Am 3. Dezember 2024, dem „Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen“, macht er deshalb auf eine „erschreckende Realität“ aufmerksam: 55 Prozent der Menschen mit Beeinträchtigungen treiben nie Sport – und das nicht aus eigenem Willen, sondern weil zu oft entsprechende Hilfsmittel von Kostenträgern nicht bewilligt werden.  

„Orthopädietechniker leisten gemeinsam mit Ärzten und Physiotherapeuten entscheidende Beiträge, damit Menschen mit Einschränkungen Hürden im Alltag und im Sport überwinden können“,betont Alf Reuter, Präsident des BIV-OT. „Wir haben die Technik und das Wissen, um Menschen echte Chancen zu bieten. Doch ohne klare politische Entscheidungen bleibt Sport für viele unerreichbar.“ Besonders deutlich werde, so die Pressemeldung weiter, der Kontrast bei sportlichen Großereignissen wie den Paralympics: Spitzenleistungen sind ohne moderne Prothesen oder Sportrollstühle undenkbar – doch im Alltag kämpfen viele Menschen vergeblich um die Finanzierung solcher Hilfsmittel. „Der Tag der Menschen mit Behinderungen ist ein Weckruf“, mahnt Reuter. „Echte Teilhabe erfordert klare Strukturen, entschlossene Politik und den Willen, Chancengleichheit für alle zu schaffen.“ 

15 Jahre UN-BRK: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft eine Lücke 

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) verpflichtet Deutschland seit 15 Jahren dazu, gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten – auch im Sport. In Artikel 30 „Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport” heißt eswörtlich: „Mit dem Ziel, Menschen mit Behinderungen die gleichberechtigte Teilnahme an Erholungs-, Freizeit- und Sportaktivitäten zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen, a) um Menschen mit Behinderungen zu ermutigen, so umfassend wie möglich an breitensportlichen Aktivitäten auf allen Ebenen teilzunehmen, und ihre Teilnahme zu fördern; b) um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen die Möglichkeit haben, behinderungsspezifische Sport- und Erholungsaktivitäten zu organisieren, zu entwickeln und an solchen teilzunehmen, und zu diesem Zweck die Bereitstellung eines geeignetenAngebots an Anleitung, Training und Ressourcen auf der Grundlage der Gleichberechtigung mit anderen zu fördern; …”, zitiert BIV-OT das Regelwerk.  

Doch die Realität sehe anders aus: Während Artikel 30 der UN-BRK explizit Maßnahmen fordere, um Menschen mit Behinderungen die Teilnahme am Freizeit- und Breitensport zu ermöglichen, zeige der „Dritte Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen“ aus dem Jahr 2021: Mehr als die Hälfte (55 Prozent) aller Menschen mit Beeinträchtigungen in Deutschland treiben nie Sport. 

Klare Regelungen für echte Teilhabe schaffen 

„Die UN-BRK setzt klare Ziele, doch die Umsetzung bleibt Stückwerk. Statt verbindlicher Regelungen erleben Betroffene ein Flickwerk an Zuständigkeiten, das viel zu oft von ihrem Wohnort oder dem Wohlwollen einzelner Kostenträger abhängt“, kritisiert Alf Reuter. 

Gerichtsurteile wie jenes des Sozialgerichts Mannheim, das 2020 Sportrollstühle als Eingliederungshilfe anerkannte (siehe Beitrag Querschnittgelähmter klagt erfolgreich: Sozialhilfeträger muss Sportrollstuhl zahlen – Der-Querschnitt.de), würden zwar  Zeichen setzen, sie blieben jedoch Einzelfälle. Ohne einheitliche gesetzliche Grundlagen drohe Deutschland, die Chance auf echte Inklusion zu verspielen. 

„Es ist höchste Zeit, dass die politischen Verantwortlichen handeln“, so Reuter weiter. „Menschen mit Behinderungen brauchen keinen guten Willen, sondern ein klares Recht auf sportliche Teilhabe – mit Hilfsmitteln, die ihnen nicht als Luxus, sondern als Grundlage für ein aktives Leben zugestanden werden.“

Der BIV-OT fordert daher anlässlich des „Internationalen Tags der Menschen mit Behinderungen“ konsequente Reformen, die Sport und Bewegung für alle ermöglichen. Denn wahre Teilhabe beginnt dort, wo Barrieren überwunden und Chancen geschaffen werden – im Alltag ebenso wie im Sport.