Gelesen: Als Ela das All eroberte
Eine Astronautin im Rollstuhl? Undenkbar! Heute zumindest. Wer weiß, was die Zukunft bringen wird? Das Kinderbuch „Als Ela das All eroberte“ betrachtet Möglichkeiten und Gegebenheiten. Und übrigens: Alle Astronauten müssen wissen, wie man Katheter verwendet.

„Als Ela das All eroberte“ ist das 2024 erschienene Kinderbuch von Sozialhelden Adina Hermann und Raúl Krauthausen für Kinder ab fünf Jahren.
Die Geschichte
Ela ist fasziniert von Planeten, Sternen und Raketen. Ihr Traum? Als Astronautin ins Weltall fliegen! Doch irgendwie glauben nicht alle daran, dass Ela das schaffen kann. Weil sie einen Rollstuhl nutzt, vielleicht? Ela jedenfalls glaubt an ihren Traum und gemeinsam mit ihrem besten Freund Ben macht sie einen super Plan, um ihn zu verwirklichen. Außerdem ist da noch Onkel Micha, der Ela bestärkt und unterstützt. Aber dann kommen selbst Ela Zweifel.
Die Geschichte beginnt mit einer Situation, in der Ela mit ihrem Rollstuhl ihrem Freund Ben glatt davonfährt. Der Rollstuhl behindert sie nicht; der Rollstuhl gewährleistet ihre Mobilität – und gibt ihr einen erheblichen Vorteil gegenüber Fußgänger Ben. Damit wird von Anfang an klargestellt: Ela, die Rollstuhlfahrerin, kein bemitleidenswertes Opfer ist, dem geholfen werden muss. Sie ist die Macherin in ihrer Geschichte, die treibende Kraft. Sie weiß, wo sie hinwill, und sie weiß, wo es langgeht. Den Entschluss Astronautin zu werden, fasst sie mit kindlichem Enthusiasmus. Aber Astronautin werden – Das ist ein hochgestecktes Ziel.
Ela lernt, erkennt, dass es einige Hürden gibt, die sie bei der Verwirklichung ihrer Träume überwinden müssen wird, aber auch, dass sie ihre Träume auf die eine oder andere Art verwirklichen kann. Und die Eltern geben (nach einigen Anlaufschwierigkeiten) Ela das, was sich Kinder (mit und ohne Behinderung) von ihren Eltern wünschen: bedingungslose Unterstützung. Es spielt an dieser Stelle keine Rolle, ob man als Mutter oder Vater glaubt, dass das, was sich der Nachwuchs da in den Kopf gesetzt hat, realistisch ist oder nicht. Wichtig ist es dem Kind zu vermitteln, dass man an das Kind glaubt. Elas Eltern – und auch ihr bester Freund Ben – tun dies auf liebevolle und kreative Art und Weise.
Die Illustrationen
Illustratorin Laura Rosendorfer hat die Welt von Ela bunt und aufregend entworfen. Planeten, Trabanten, Außerirdische, das Planetarium, das All und ihr Umfeld – alles ist in Elas Welt farbenfroh, freundlich und kindgerecht niedlich. Und der Rollstuhl ist einer, in den man einsteigen möchte, denn auch der sieht aus, als könne man mit diesem tollen Flitzer nebst Disco-Lenkrollen einfach Spaß haben!
Fragen und Antworten
Im Anschluss an die Geschichte gibt es einen Fragen-und-Antworten-Teil. Hier werden zunächst acht Fakten über das All und die Raumfahrt beleuchtet. Der Leser erfährt z. B. dass ein Rollstuhl in der Schwerelosigkeit überflüssig wäre, da alle Astrauten z. B. auf der internationalen Raumstation ohnehin schweben und nicht gehen oder rollen. Bei einer Landung auf dem Mond (oder einem Planeten), wäre der Rollstuhl für die Mobilität wieder notwendig. Und wie sich ein Rollstuhl in der geringeren Schwerelosigkeit verhalten würde, lässt sich nicht sagen. Als erster europäischer Paraastronaut bereitet sich der britische Parasportler John McFall auf den Flug ins All vor. Er trägt eine Unterschenkelprothese. In einem Interview mit DerStandard aus dem Jahr 2023 gibt er an, dass es nicht möglich ist zu sagen, wie sein hydraulisches Knie auf die Gegebenheiten bei andauernder Schwerelosigkeit reagieren würde (Rennert, 2023).
Fun Fact: Urinieren in der Schwerelosigkeit
Ein interessantes Detail aus dem Alltag von Raumfahrern ist, dass Menschen, die (ohnehin schon) wissen wie man einen Katheter zum Entleeren der Blase verwendet, klar im Vorteil sind.
Der Harndrang ist in der Schwerelosigkeit anders
„Ohne Schwerkraft kann sich der Urin nicht nach und nach in der Blase ansammeln. Stattdessen wird die Oberflächenspannung der Flüssigkeit zur dominierenden Kraft. Mit der Folge, dass der Urin seitlich an der Blasenwand haftet. Im Gegensatz zur irdischen Variante gibt es in der Schwerelosigkeit keine verschiedenen, sich langsam aufbauenden Stufen des Harndrangs. Dass es zu einer Entleerung kommen muss, wird stattdessen erst dann bemerkt, wenn die Blase bereits vollständig gefüllt ist – und dann darf auch schon keine Zeit mehr verloren werden. Während ein Mensch auf der Erde das Wasserlassen auch noch eine gewisse Zeit nach dem ersten Harndrang hinauszögern kann, ist das in der Schwerelosigkeit nicht möglich. Als Lösung bewährt hat sich ein sogenanntes Miktionsprotokoll. In diesem werden die Zeiten festgelegt, zu denen die Blase zu entleeren ist – ganz unabhängig von einem Harndrang.“ Miktionsprotokolle kennen ja auch viele Menschen mit Querschnittlähmung schon. „Interessanterweise treten bei Flügen ins Weltall vor allem in den ersten 48 Stunden Probleme auf. Zumeist kann während dieser Umstellungsphase auf die Schwerelosigkeit die Blase nie ganz komplett geleert werden; der medizinische Begriff dafür ist Harnverhalt. Grundsätzlich legt die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA Wert darauf, dass jeder Astronaut in der Lage ist, sich selbst einen Katheter zu legen (Sommer, 2024).“
Anschließend werden acht Fragen rund um Ela beantwortet. Ein Geheimnis bleibt, wieso Ela mit dem Rollstuhl mobil ist. Die Autoren schreiben: „Vielleicht fällt es dir schwer zu akzeptieren, dass man in diesem Buch nicht auf alle Fragen eine Antwort erhält, aber so ist das im echten Leben ja auch. Niemand hat das Recht, von Menschen persönliche Informationen einzufordern, ob über eine Behinderung, über Vorlieben oder Einstellungen.“ Das stimmt natürlich. Andererseits ist der Leser – weil es ihre Geschichte ist, die wir lesen – bereits über Elas Vorlieben (Himbeeren) und Einstellungen (will Astronautin werden) informiert. Wieso also nicht über ihre Behinderung? Natürlich könnte man argumentieren, dass es auch keine Erklärung für Elas rote Haare gibt – aber ihre Haarfarbe hat keinen Einfluss auf ihren Traum Astronautin zu werden, während z. B. eine degenerative Erkrankung dies durchaus haben kann. Die Autoren umschiffen mit der Entscheidung die Art der Behinderung nicht zu thematisieren dieses Problem. Paraastronaut John McFall verlor sein Bein bei einem Unfall. Hätte es z. B. als Folge einer Diabetes-Erkrankung abgenommen werden müssen, stünden seine Chancen für ein Astronautentraining ausgewählt zu werden deutlich schlechter.
Das Buch
- Als Ela das All eroberte
- Von: Adina Hermann und Raúl Krauthausen
- Illustrationen: Laura Rosendorfer
- Seiten: 80
- ISBN: 978 3 551 52246 7
- Preis: ca. 14 Euro (Stand: Mai 2024)
Über die Autoren
Als Inklusions-Aktivist arbeitet Raúl Krauthausen seit über 15 Jahren in der Internet- und Medienwelt: als Moderator, Speaker, Podcasthost, Autor zum Beispiel. 2013 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet.
Adina Hermann ist Head of Design, Projektleiterin und Vorstandsmitglied der Sozialheldinnen. Sie hält Vorträge, berät in Sachen Diversität und Barrierefreiheit und setzt sich für eine vielfältige Gesellschaft und mehr Teilhabe ein. Sie lebt mit Mann und Pflegetochter in Berlin.