Meine Querschnittlähmung und ich: Und Blähungen „Da machen wir jetzt mal gar keinen großen Wind drum.“

Ich arbeite gerne im Home-Office. Nicht weil ich meine Kollegen nicht leiden kann oder weil ich nicht mobil genug wäre das Haus zu verlassen, sondern weil ich neuerdings immer mal wieder zu Blähungen neige. Das ist aus mehreren Gründen problematisch…

Über die Abenteuer, die meine Verdauung und ich seit Eintritt der Querschnittlähmung bereits hinter uns haben, habe ich schon hier Erbsenzählen für die Verdauung gesprochen. Blähungen waren lange kein Thema, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Dachte sich mein Darm. Der, wie andernorts beschrieben, ein finsterer Halunke ist.

Verantwortlich für die Gasbildung in meinem Darm sind zwei Dinge: das, was ich so esse, und eventuelle Verstopfung. Der erste Aspekt ist leicht unter Kontrolle zu kriegen: Kohl, Zwiebeln, Hülsenfrüchte – können alle blähend wirken, also nehme ich sie, seit ich meine Umwelt mit so heftigen Gasen erfreue, nur in sehr überschaubaren Mengen zu mir. Mit der Verstopfung ist es schon schwieriger…

„Du bist ein Zauberer. Du kannst warme Luft zum Stinken bringen.“
Esel aus „Shrek“

Zunächst kann ich mir nicht erklären, wo sie herkommen, diese häufigen und übelriechenden Blähungen. Oder warum ich so ausschaue, als wäre ich im siebten Monat schwanger. Gut, bei meiner Lähmungshöhe sind meine Bauchmuskeln so gut wie nicht vorhanden, weshalb meine Organe von nichts daran gehindert werden, nach außen zu drücken. Aber aus meinem Bäuchlein ist derzeit ein stattlicher Bauch geworden.

Nicht nur Winde können entweichen

Die Winde, die mir meist leise, manchmal aber auch laut entweichen, stinken erheblich. Meine Frau erträgt sie tapfer. Meine Kollegen werden verschont, weil ich, wie gesagt, jetzt viel Zeit im Home-Office verbringe. Und mein Sohn ist zum Glück gerade in einem Alter, in dem er sowas lustig findet. Mir selbst ist es aber ziemlich peinlich. Und die Gase sind auch nicht das einzige Problem, denn ich kann beim Luftabgang gar nicht unterschieden, ob das, was sich da an meinem Schließmuskel vorbeidrücken will, denn wirklich nur Luft ist oder vielleicht noch etwas anderes….

Das ist der wahre Grund, wieso ich immer seltener das Haus verlasse. Ich habe Angst, dass mir nicht nur Luft entfährt, sondern auch Stuhl. Und falls die Blähungen nicht ernährungs- sondern verstopfungsbedingt sind, kann das eine erhebliche Menge Stuhl sein, wie ich kurz nach Eintritt meiner Querschnittlähmung bereits mal erfahren durfte (siehe: Mein Darm, der finstere Halunke). Das stinkt dann nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft. Und das will ich keinem zumuten.

Auf lange Sicht ist das kein Leben, denke ich, und rufe die Darmexpertin meines Vertrauens an. Wir besprechen das Dilemma („Ich mach gar nichts anders, ich schwör‘!“) und analysieren gemeinsam meinen Speise- und Getränkeplan. Und kommen dem Übeltäter auf die Spur.

Der Übeltäter: Schwarzer Tee

Wegen böser Schlafstörungen bin ich von Kaffee auf Tee umgestiegen (siehe: Schlafen Sie gut, wenn Sie können…). Morgens trinke ich Grüntee, der für einen langanhaltenden Hallo-wach-Effekt sorgt. Wenn ich den allerdings nachmittags trinke, bin ich die ganze Nacht klar wie eine Glocke. Was also trinken ich zu meinem Nachmittagssnack (der vielleicht oder vielleicht auch nicht ein Stück Donauwelle ist…)? Schwarzen Tee. Lange gezogen. Da ist zwar Koffein drin, doch nach fünf Minuten gehen andere Teebestandteile ins Wasser über, nämlich Polyphenole, die den Wachmacher entschärfen und so weniger anregend wirken. Was ich nicht wusste: wenn Schwarztee lange zieht, hemmt er die Verdauung.

Deshalb hatte ich Verstopfung – dass es mit dem Abführen nicht so recht klappte, hatte ich natürlich auch schon bemerkt – und die führte zu Blähungen, Bauchschmerzen (und Schlimmerem).

„Hurra!“ denke ich zunächst. „Ab jetzt gibt es wieder Kaffee!“ Nur: Kaffee kann eben beides. Bei manchen Menschen wirkt er anregend auf die Passage der Nahrung durch den Darm und bei anderen hemmend. Außerdem kann er dehydrieren, was dem Stuhl Wasser entzieht und wiederum zu Verstopfungen führt.

Weshalb ich die Frage „Was trinke ich zu meinem Nachmittagssnack?“ nun nicht nur mir selbst, sondern auch der Expertin stelle.

„Wasser“, schlägt sie vor.

„Passt nicht so zur Donauwelle“, sag ich.

„Passt aber super zu einem Müsli mit Früchten und Joghurt“, sagt sie.

„Passt mir aber nicht in den Kram“, murmle ich, sehe aber natürlich ein, dass sie recht hat. 

Die Ersatzstrategie

Meine Frau schafft es dann auch mir aus eingeweichten Haferflocken, Naturjoghurt, gefrorenen Sauerkirschen und zartbitteren Schokoflocken ein Schichtdessert zu zaubern, das natürlich nicht ganz an mein heißgeliebtes Konditorenstück rankommt, aber ähnlich genug ist, um mich milde zu stimmen. Und auch mein Darm entspannt sich. Vielleichte beglücke ich die Tage auch mal wieder meine Kollegen mit meinem persönlichen Erscheinen. Aber da machen wir mal gar keinen großen Wind drum.


Quer Schnittchen ist eine fiktive Figur. Die Kolumnenbeiträge sind inspiriert von Gesprächen der Redaktion mit querschnittgelähmten Menschen. Alltagstipps, eine witzige Begebenheit, eine emotionale Begegnung, eine ärgerliche, aber typische Situation: Was die Leserschaft von Der-Querschnitt.de beschäftigt, greifen die Redakteurinnen gerne an dieser Stelle auf.

Einfach eine E-Mail an info(a)der-querschnitt.de schicken – die Redaktion freut sich auf spannende Ideen und Anregungen!