Roman mit Rollstuhlfahrer: Die Strafsache Wilhelm Schweiger

Der Roman „Zwei Leben – Die Strafsache Wilhelm Schweiger“ spielt im damals noch geteilten Berlin und schildert in einer Mischung aus Krimi, Justizdrama, Lebens- und Liebesgeschichte den Werdegang des Berliner Rechtsanwalts Wilhelm Friedrich Schweiger. Und am Ende gibt es tatsächlich auch eine Leiche.

Aus dem Inhalt

„Zwei Leben“ bezieht sich dabei einerseits auf ein gesellschaftlich akzeptiertes Leben sowie ein dunkles Geheimnis; andererseits auf ein Leben mit und ohne eine Behinderung.

Die Geschichte des Anwalts spielt im Westberlin der 80er Jahre. Schweiger, gefangen in den konservativen Konventionen seiner Familie und aufgewachsen in der bedrückenden Nachkriegsatmosphäre, übernimmt die Kanzlei seines Vaters. Doch insgeheim führt er von seiner Familie unbemerkt ein Parallelleben, in dem er Grenzen überschreitet. Eines Tages geschieht das Unfassbare: Er wird selbst zum Straftäter. Danach verändert ein Unfall sein gesamtes Leben.

Wilhelm Schweiger

Für den Leser ist es zunächst schwierig für Schweiger Sympathie zu empfinden, denn schon auf den ersten paar Seiten vergewaltigt er seine Ex-Affäre und lässt sie, als er sie Stunden später schwer verletzt in ihrer Wohnung vorfindet, zum Sterben liegen, statt den Notarzt zu rufen. Dann geht er nach Hause zu seiner Frau, die er in seinem inneren Monolog unter Verwendung des besitzanzeigenden Fürwortes ständig als „seine“ Margot bezeichnet. Und als er wenig später bei einem Prozess nicht ganz so erfolgreich ist, wie er gerne hätte, mutmaßt er, die Staatsanwältin sei rachsüchtig oder hätte gerade ihre Tage… Waren die 80er Jahre wirklich so finster?

Pabst sagt dazu: „Wilhelm Schweiger hat ohne Frage schwere Schuld auf sich geladen, ist aber trotzdem kein unsympathischer Mensch. Ich begegne täglich äußerst sympathischen Menschen, die Familienväter und weiterhin geliebte Ehepartner sind, ihre Taten sind hingegen das krasse Gegenteil. Aber darum geht es ja unter anderem auch, sonst wäre das alles viel zu einfach. Jeder ist mehr als die Summe seiner Taten, ohne irgendeine Tat rechtfertigen zu wollen. Ein Prozess vor Gericht kann immer nur Erklärungen liefern.“

Bei einem unverschuldeten Unfall zieht Schweiger sich eine Querschnittlähmung auf Höhe des neunten Brustwirbel zu. Die Konsequenzen einer Rückenmarksverletzung z. B. für das Darm- oder Blasenmanagement werden nicht im Detail thematisiert. Einzig die Auswirkung auf sein Berufsleben – Schweiger selbst glaubt er könne nicht mehr arbeiten, seine Kollegen zwingen ihn zu seinem Glück – werden kurz beleuchtet.  Und auch die Barrierefreiheit ist ein Thema, denn was diese angeht, waren die 80er wohl wirklich das Herz der Finsternis. Leute tragen Schweiger nebst Rollstuhl in der Kanzlei oder im Gericht (!) ständig die Treppen hoch und runder, was seine selbstbestimmte Mobilität erheblich beeinträchtigt. Vor der Untersuchungshaft schützt ihn der Rollstuhl allerdings nicht.

Vor Gericht hat Wilhelm Schweiger den Massel, dass er mit seinen 50 Plus Jahren das Objekt der Begierde von nicht nur seiner eigenen fast zwanzig Jahre jüngeren Ehefrau, sondern auch der ebenso jungen Richterin Doris Aalatt ist, die einfach nicht glauben kann, dass der nette, gutaussehende Rechtsanwalt, bei dessen Anblick sie ganz weiche Knie kriegt, einer Tötung schuldig sein soll. Zum Glück hat sie damit recht, denn wenn nicht, wäre sie mit einem Mörder im Bett gelandet. Oder irrt sie sich am Ende doch…?

Was den Leser die Stirn runzeln lässt, ist gar nicht so weit hergeholt. Pabst weiß schließlich, von was sie spricht. Sie verwebt in dem Roman persönliche Erfahrungen und bei Gericht Erlebtes. Die manchmal verstörende Handlung gewährt tiefe Einblicke in die Psyche von Straftätern und beleuchtet die oft befremdlichen Perspektiven ihres Umfeldes.

Die Mühlen in „Zwei Leben – Die Strafsache Wilhelm Schweiger“ mahlen wahrlich langsam. Schließlich kommt es aber doch zu einer Charakterentwicklung, die aus Schweiger einen annehmbaren Protagnisten macht. 

Das Buch

  • Zwei Leben – Die Strafsache Wilhelm Schweiger
  • Erhältlich als book on demand oder als Hörbuch
  • Autorin:              Pamela Pabst
  • Sprecher:          Hörbuch gelesen von Ingo Hoppe
  • ISBN:                   3818705496
  • Seiten:                732
  • www.wilhelmschweiger.de

Der Roman erscheint auf allen gängigen Hörbuchplattformen sowie als E-Book und als Book on demand. Pabst hat jedoch den Traum, ihren Figuren auch einmal persönlich die Hand schütteln zu können und daher auch bereits die entsprechenden Drehbücher verfasst.

Über die Autorin

Pamela Pabst ist die erste von Geburt an blinde Strafverteidigerin Deutschlands. Ihr Leben dient als Vorbild der ARD-Serie „Die Heiland – Wir sind Anwalt“ und sie fungiert als Fachberaterin für das Drehbuchteam. Sie lebt und arbeitet in Berlin.

Genau 30 Jahre, nachdem Pabst zum ersten Mal im Berliner Kriminalgericht war, um dort bei einer Hauptverhandlung zuzuhören, hat sie sich nun gemeinsam mit dem Berliner Radiomoderator und Kommunikationscoach, Ingo Hoppe, ihren Herzenswunsch erfüllt und einen Kriminalroman veröffentlicht.

Für Der-Querschnitt.de schrieb sie den Beitrag Hinter Gittern: Auch Rollstuhlfahrer können ins Gefängnis kommen