Auf geht´s! Serviceleistungen der Bahn, die Menschen im Rollstuhl kennen sollten

Einfach in den nächsten Zug rollen und weg? Für Menschen mit Querschnittlähmung meist nicht möglich. Auf Bahnhöfen und auf dem Weg ins Abteil gibt es viele Barrieren – ohne aufwendige Planung geht kaum etwas. Die Redaktion hat einen Überblick über die wichtigsten Services und Angebote der Deutschen Bahn (DB) sowie relevante Formalien für Menschen im Rollstuhl oder mit anderen Mobilitätseinschränkungen zusammengestellt.

Wichtige Weichenstellungen: Die Bahn baut ihr Service-Netz in Sachen Barrierefreiheit immer weiter aus.

Die Seite Bahnhof.de

Bahnhof.de (externer Link) bietet unter anderem ausführliche Angaben zu Punkten, die für Reisende mit Mobilitätseinschränkungen hilfreich sein können: Informationen zur Bahnhofsausstattung, zur Funktionsfähigkeit von Aufzügen, stufenlosen Zugängen sowie Kontaktinformationen – aufgeschlüsselt nach Gleisnummer.

Ausprobiert: Für einen beliebig ausgewählten Bahnhof – in unserem Fall Ingolstadt Nord, Gleis 3 – werden folgenden Merkmale genannt:

  • Stufenfreier Zugang: vorhanden
  • Zuganzeiger: vorhanden
  • Lautsprecheranlage: vorhanden
  • Taktiler Weg zum Bahnsteig: vorhanden
  • Taktile Handlaufschilder: vorhanden
  • Taktiles Leitsystem auf dem Bahnsteig: vorhanden
  • Kontrastreiche Wegeleitung: vorhanden
  • Treppenstufen​markierung: vorhanden
  • Bahnsteighöhe ≥ 55 cm: vorhanden
  • Haupt-Bahnsteighöhe: 76 cm

Ein eigener Button informiert über die aktuelle Funktionstüchtigkeit von Aufzügen, eine digitaler Fahrplan über Anschlusszüge und eventuelle Verspätungen. Für den Rest, den die Seite nicht beantworten kann, werden Reisewillige mit Behinderung an die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) oder den ChatBot „DB Smile“ weiterverwiesen.

Die Mobilitätsservice-Zentrale (MSZ) der DB

Rollstuhlbereich im ICE 4 mit höhenverstellbaren Tischen

Die Mobilitätsservice-Zentrale organisiert laut DB alles Notwendige, wenn Bahnreisende Hilfe beim Ein-, Um- oder Aussteigen benötigen – zum Beispiel einen Hublift für den Rollstuhl. Daneben beantwortet die MSZ Fragen zu geeigneten Zügen, der Barrierefreiheit von Bahnhöfen oder Mindestumsteigezeiten.

Damit die Mitarbeiter vor Ort – also am Bahnsteig – sich auf mobilitätseingeschränkte Reisende „einstellen können, empfehlen wir Ihnen, diesen Service bis spätestens 20 Uhr am Vortag der Reise anzumelden. Bei Hilfeleistungen im Ausland sind 48 Stunden Vorlauf erforderlich“, lässt die Bahn auf ihrer Seite (externer Link) „Barrierefreies Reisen“ wissen. Als Mensch im Rollstuhl spontan mit der Bahn zu verreisen ist also nach wie vor nur schwer möglich

„Viel Zeit und Nerven“

Eine Petition will das ändern: Kay Macquarrie, der beruflich zwischen Kiel und Berlin pendelt und dafür die Bahn nutzt, hat sie ins Leben gerufen: „Der derzeitige Buchungsprozess kostet mich … viel Zeit und Nerven und ist ein ewiges Ärgernis. Deswegen fordere ich die Deutsche Bahn auf, das Anmelden des Mobilitätsservice in den Buchungsprozess für Online-Tickets aufzunehmen. Das würde mein Leben und das von Millionen von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen wesentlich erleichtern.“

Denn momentan, so Macquarrie weiter, müsse man, um die Hilfe zum Einstieg anzumelden, ein Online-Formular ausfüllen oder eine kostenpflichtige Telefonnummer anrufen. „Das ist wahnsinnig zeitaufwendig. Auch können beim Ausfüllen leicht Fehler gemacht werden. Das Buchungsformular hat unfassbar viele Eingabefelder: es sind 79 (!) Formularfelder für Hin und Rückreise mit je einem Mal umsteigen.“ Die Petition kann auf (externer Link) change.org – Bahnfahren einfach machen (für Rolli, Rad, Rollator, Buggy & Co) eingesehen werden.

Über Macquarries Engagement berichteten zahlreiche Medien. Was trotz gut gemeinter Service-Angebot alles schiefgehen kann, wenn Rollstuhlfahrende eine Reise mit der Bahn machen wollen (Stichwort: Waggon mit den Rollstuhlplätzen fällt aus, im nächsten Zug sind die entsprechenden Plätze bereits reserviert), zeigt auf Spiegel.de recht eindrücklich der Bericht (externer Link) „Einer hat einmal gesagt: Behinderte haben doch eh keine Termine“.

Kontakt zur MSZ

Regelungen für Rollstuhlstellplätze

Die DB schlüsselt in einem 12-seitigen „Leitfaden für die Mitnahme orthopädischer Hilfsmittel“ (zusammengestellt von der Kontaktstelle für Behindertenangelegenheiten der DB, Stand: Juni 2021) detailliert auf, welche Regelungen und Maße für welches Hilfsmittel (z.B. E-Rolli, Scooter, Handbike, manueller Rollstuhl) gelten. Gut zu wissen: Der Leitfadengilt für alle Nah- und Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn AG innerhalb Deutschlands; Verkehrsverbünde können andere Festlegungen treffen.

Barrierefreies und rollstuhlgerechtes WC im modernisierten ICE 1

Muskelkraftbetriebenen Rollstühlen, handbetriebenen Fahrradrollstühlen sowie motorbetriebenen Rollstühlen und Elektro-Scootern ist der Unterpunkt 3.1. gewidmet. Darin wird u.a. festgelegt, dass im Fernverkehr behinderte Menschen mit Merkzeichen „B“ und „G/aG“ im Schwerbehindertenausweis unentgeltlich auf einem Rollstuhlstellplatz fahren – wenn in der Länge 120 cm und in der Breite 70 cm nicht überschritten werden. Das Gesamtgewicht darf die Tragfähigkeit der Einstiegshilfe nicht überschreiten (250 kg bzw. 350 kg).

Gut zu wissen: Befindet sich der Rollstuhlstellplatz im Bereich der 1. Klasse, genügt eine Fahrberechtigung für die 2. Klasse. Und: Man darf sich und seinen Rollstuhl nicht einfach einen Platz im Fahrradbereich suchen, denn diese entsprechen nach Einschätzung der Bahn nicht ausreichend „den Sicherheits- und Komfortansprüchen“ (keine Universaltoilette, keine Serviceruftaste).

Sonderregelungen für Handbikes

Rollstuhlstellplatz im modernisierten ICE 1 Baureihe 401

Außer, man ist mit einem nicht-trennbaren Fahrradrollstuhl (Handbike) unterwegs. Diese zählen zwar auch zu den Hilfsmitteln, mit denen man mit Merkzeichen „G/aG“ kostenlos fährt, aber sie passen einfach nicht auf einen Rollstuhlstellplatz. (Im Zweifelsfall im Vorfeld bei der MSZ nachfragen). Weshalb Handbike-Fahrer im Fahrradabteil untergebracht werden, „sofern die Platzverhältnisse den Zugang und die gefahrlose Beförderung erlauben

Bei trennbaren Handbikes gilt, so der Leitfaden: Bei Verwendung einer entkuppelbaren Zugmaschine für einen manuellen Rollstuhl muss der Reisende sich auf einen Zugsitz umsetzen können, der Rollstuhl faltbar sein und  – falls nötig – eine Begleitperson für den Transfer der Zugmaschine zwischen Einstiegsbereich und Rollstuhlstellplatz zur Verfügung stehen, die zudem für die Abstellung beider Hilfsmittel auf einem Rollstuhlstellplatz sorgt.

Ermäßigungen und Sonderkonditionen

Bahncard

Für Personen mit voller Erwerbsminderung und schwerbehinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 gibt es „Die ermäßigte BahnCard 25/50“ ab rund 40 Euro. Weiterführende Informationen auf (externer Link): Ermäßigte BahnCard: 25 oder 50 % sparen.

DB Gepäckservice

  • Die Bahn bietet Bahnreisenden innerhalb Deutschlands einen Haus-zu-Haus-Service für Koffer und Sondergepäck wie Fahrräder, Sportgeräte und Krankenfahrstühle an. Bei Vorlage des Schwerbehindertenausweises gewährt die DB auf den Kofferversand 2 Euro Ermäßigung.
  • Krankenfahrstühle, Gehhilfen und andere orthopädische Hilfsmittel werden gegen Vorlage des Ausweises mit Merkzeichen „G/aG““ als Sondergepäck kostenfrei befördert. Hier gilt: Das maximale Gewicht beträgt 100 kg (ab 31,5 kg ist übrigens ein separates Anmeldeformular auszufüllen), die Maximalmaße sind Länge x Breite x Höhe: 125 x 110 x 160 cm.
  • Gut zu wissen: Handbikes sowie Elektrofahrzeuge sind von der Beförderung mit dem DB-Gepäckservice ausgeschlossen (Leitfaden, 2021).

Serviceleistungen: Einige Zahlen und Fakten

  • 2019 hat das Servicepersonal in den Bahnhöfen der DB rund 875.000 Hilfeleistungen für Menschen mit Behinderung geleistet.
  • 16 mobile Teams sorgen an etwa 40 dezentralen Bahnhöfen dafür, dass Fahrgäste sicher und bequem ein- und aussteigen können.
  • Neben den spontanen Unterstützungsleistungen erbrachten im Jahr 2019 die Kundenbetreuer im Nahverkehr 340.000 Hilfeleistungen mittels fahrzeuggebundener Ein- und Ausstiegshilfen bei vorgemeldeten Kundinnen und Kunden.
  • Mehr als 1.100 mobile Hubgeräte, Rampen, Treppenlifte und Elektromobile erleichtern an DB-Bahnhöfen das Ein- und Aussteigen (Barrierefreies Reisen, 2021).

Ausblick: So soll/will sich die Bahn verändern

In den vergangenen Jahren hat sich bei der Deutschen Bahn einiges getan in Sachen Barrierefreiheit. So sind – alles Angaben der DB – 79 Prozent der rund 5.700 Personenbahnhöfe stufenfrei erreichbar – was aber immer noch bedeutet, dass rund 20% der Bahnhöfe es nicht ist. Allerdings werden laut Bahn jedes Jahr rund 100 weitere Bahnhöfe barrierefrei umgebaut. In Bahnsteigen gerechnet sogar bis zu 200. Über 100 DB-Reisezentren verfügen bereits über barrierefreie Einrichtungen.

Auch die Fernzüge sollen rollstuhlfreundlicher werden

Die Intercity-2-Flotte ist mit einem stufenlosen Einstieg für Gäste mit Mobilitätseinschränkungen ausgestattet. Der ICE 3 (Baureihe 407) sowie der ICE 4 verfügen über einen fahrzeuggebundenen Hublift für Fahrgäste im Rollstuhl. Der ICE 3neo (Baureihe 408), der ab Dezember 2022 zum Einsatz kommt, erhält einen komplett neu konzipierten Hublift für Reisende im Rollstuhl.

In immer mehr Wagen des Fernverkehrs gibt es zudem große Gepäckregale mit Stauraum in Fußbodenhöhe oder einer niedrigen Ablagehöhe, die auch vom Rollstuhl aus befüllt werden kann – schwere Gepäckstücke müssen nicht mehr über den Sitzen verstaut werden. In modernisierten ICE-Zügen sind Hubtische im Rollstuhlbereich Standard.  

„Neue Maßstäbe“ im Fernverkehr

Der neu bestellte „ECx“ des spanischen Herstellers Talgo, der ab Ende 2025 zum Einsatz kommen soll, setzt laut Bahn bei der Barrierefreiheit neue Maßstäbe: Die 23 beauftragten Fernverkehrszüge bieten einen besonders kundenfreundlichen stufenlosen Einstieg bei Bahnsteigen mit einer Höhe von 76 cm (Barrierefreies Reisen, 2021).

Mehr zum Thema „Bahnsteighöhe“ im Beitrag Nicht ohne Macken: das „Bahnsteighöhenkonzept“


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