Urteil zu Teilhabebedarf Mobilität – Kostenbeteiligung für Sonderfahrdienst muss erfolgen
Das Bundessozialgericht (BSG) hat entschieden, dass die Übernahme von Kostenbeiträgen für die Inanspruchnahme eines Sonderfahrdienstes aus Mitteln der Eingliederungshilfe im Grundsatz bezahlt werden muss – es sei denn die Kosten werden durch andere Sozialleistungen abgedeckt.

Menschen mit Querschnittlähmung können für unterschiedlichste Zwecke – Kinobesuch, Arzttermin, Fahrt ins Büro – Fahrdienste nutzen. Flüchtig betrachtet klebt auf all diesen Angeboten das Etikett „Fahrdienst“ – doch die einzelnen Leistungen sind mitunter völlig anderen Bestimmungen und Kostenträgern zuzuordnen. Zu einem ausführlichen Beitrag auf Der-Querschnitt.de geht es hier: Hallo Taxi!
Im folgenden geht es um die Frage, ob Sonderfahrdienste aus Mitteln der Eingliederungshilfe im Grundsatz bezahlt werden müssen.
Der Fall
Die 1938 geborene Klägerin bezieht neben einer Altersrente vom Beklagten ergänzend Grundsicherungsleistungen unter Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen der Zuerkennung des Merkzeichens G. Bei ihr ist ein Grad der Behinderung von 90 sowie die Merkzeichen G, aG und B und das landesrechtliche Merkzeichen T festgestellt, das im Land Berlin Personen mit dem Merkzeichen aG, einem mobilitätsbedingten Grad der Behinderung von mindestens 80 und Fähigkeitsstörungen beim Treppensteigen erhalten und das zur Teilnahme am Sonderfahrdienst des Landes Berlin berechtigt.
Den Antrag der Klägerin, die Kostenbeteiligung als Eingliederungshilfe zu übernehmen, lehnte der Beklagte ab. Die Klage und die Berufung hatten keinen Erfolg. Das Landessozialgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, bei den Fahrten handele es sich nicht um eine Eingliederungshilfeleistung. Der Sonderfahrdienst richte sich zwar an einen Personenkreis mit einem Teilhabebedarf im Bereich der Mobilität, er ersetze für diesen Personenkreis aber nur die Beförderungsmöglichkeit durch Verkehrsmittel des öffentlichen Nahverkehrs. Dieser Mobilitätsbedarf sei auch von der Klägerin aus dem Teil der Grundsicherungsleistungen zu bestreiten, der ihr für die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs zur Verfügung stehe.
Fakten zu Sonderfahrdiensten
Dieser Sonderfahrdienst ermöglicht Menschen, denen eine Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln aufgrund ihrer körperlichen Behinderung nicht möglich ist, Fahrten zur Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft. Hierfür wird eine Kostenbeteiligung pro Fahrt erhoben, die für Grundsicherungsempfänger ermäßigt ist.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Ihr stehe die Kostenbeteiligung als Eingliederungshilfe zu. Andernfalls werde sie gegenüber nicht behinderten Grundsicherungsempfängern benachteiligt, weil die im Regelsatz vorgesehenen Leistungen für Verkehr monatlich nur 13 Fahrten mit dem Sonderfahrdienst abdeckten und ihr also behinderungsbedingt keine Mobilität wie bei Nutzung einer Monatskarte möglich sei.
Das Urteil
Der Senat hat die Entscheidung des Landessozialgerichts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen. Der auf landesrechtlicher Grundlage errichtete Sonderfahrdienst erbringt sowohl Beförderungsdienste als auch Assistenzdienste beim Verlassen der Wohnung, die eine den individuellen Bedürfnissen entsprechende Freizeitgestaltung ermöglichen sollen. Soweit die Freizeitgestaltung nicht über die Bedürfnisse eines nicht behinderten, nicht sozialhilfebedürftigen Erwachsenen hinausgeht, kommt die Übernahme von Kostenbeiträgen für die Inanspruchnahme des Sonderfahrdienstes aus Mitteln der Eingliederungshilfe im Grundsatz in Betracht.
Ein Anspruch auf notwendige, behinderungsbedingte Mehrkosten bei der Freizeitgestaltung als Leistung der Eingliederungshilfe besteht jedoch nur, soweit die Kosten nicht durch andere Sozialleistungen abgedeckt werden. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten für Beförderungsleistungen sind mit dem Bestandteil des Regelbedarfs, der für Verkehrsdienste statistisch berücksichtigt wird, sowie mit dem Mehrbedarf bei Zuerkennung des Merkzeichens G deckungsgleich. Nur soweit die Kosten diesen Anteil übersteigen und gegebenenfalls deshalb entstehen, weil Mehrkosten für eine nach dem Maßstab des Eingliederungshilferechts anerkannte Freizeitgestaltung angefallen sind, die über das soziokulturelle Existenzminimum hinausgeht, kommen Leistungen der Eingliederungshilfe für Beförderungsleistungen durch den Sonderfahrdienst in Betracht.
Das Landessozialgericht wird deshalb zu überprüfen haben, ob die Klägerin den Sonderfahrdienst für Freizeitzwecke genutzt hat und ob die dabei angefallenen Kosten aus den genannten Bedarfspositionen, die bei Feststellung der Grundsicherungsleistungen zugrunde gelegt worden sind, aufgebracht werden konnten.
Sofern die Klägerin den Sonderfahrdienst allein für Assistenzdienste zum Verlassen der Wohnung im Rahmen der Freizeitgestaltung in Anspruch genommen hat, was das Landessozialgericht bislang ebenfalls ungeprüft gelassen hat, werden diese Bedarfe von den Leistungen der Grundsicherung nicht erfasst. Solche Kosten sind ohne Einschränkungen der Eingliederungshilfe zuzuordnen.
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