Modellprojekt für außerklinische Beatmung: Visiten zu Hause, Versorgung aus einer Hand
Wie Tracheotomie- und Beatmungspatienten zu Hause optimal versorgt werden können, zeigte ein Berliner Modellprojekt für außerklinische Beatmung. Dort arbeiteten Pneumologen, Casemanager, Hausarzt, Angehörige, Pflegende, Hilfsmittellieferanten, Therapeuten und andere Spezialisten eng zusammen – und trafen sich regelmäßig zur Visite in der Wohnung des Patienten.

Schon 2014 erhielt die „Praxis für außerklinische Beatmung“ (PaB) von der Deutschen Interdisziplinären Gesellschaft für Außerklinische Beatmung (DIGAB) den 1. Preis für das „Beste Abstract“. Danach setzte das Team um den Internisten und Pneumologen Dr. Eckehard Frisch das Konzept in Berlin und Brandenburg in die Tat um. Und war so erfolgreich, dass der Arzt zu hoffen wagte, dass die PaB Vorbild werde für ähnliche best practices in Deutschland.
Diese zwei Säulen machten PaB zu etwas Besonderem:
Außerklinische Beatmung – Versorgung aus einer Hand
Damit möglichst viele Patienten selbstbestimmt bei sich zu Hause leben können, betreute sie ein fein abgestimmten Netzwerk. Die Schnittstelle in diesem Netzwerk rund um die außerklinische Beatmung waren sogenannte Casemanager, Versorgungskräfte, die in Beatmung qualifiziert sind.
Sie begleiteten den Facharzt zu seinen Visiten, kümmerten sich aber auch um alles Administrative und den Kontakt zu allen Beteiligten: zum Pflegedienst, zu Ergo- und Physiotherapeuten sowie Logopäden und Hilfsmittellieferanten. Auf Wunsch koordinierten sie die komplette Versorgung eines Patienten mit Hilfsmitteln und Therapien. „Uns geht es darum, den ganzen Menschen optimal zu betreuen und uns nicht nur auf seine Tracheotomie zu fokussieren,“ betonte Frisch in einem Interview mit Der-Querschnitt.de. „Deshalb organisierte der Casemanager alle Hilfsmittel, z. B. auch Kontinenzmaterial.“
Zeitintensive Visiten zu Hause – in der großen Runde
Mindestens einmal im Quartal kam ein Facharzt mit entsprechender Expertise zum Patienten nach Hause: „Es ist ein ungeheurer Vorteil, wenn man die häusliche Umgebung eines Patienten kennt und ihn auch in dieser Umgebung untersuchen kann“, so Frisch.
Bei den Terminen traf sich beim Patienten oft eine große Runde: Der Arzt, ein Casemanager und die Angehörigen waren dabei, aber auch viele der anderen Beteiligten, zum Beispiel die Therapeuten, ein Neurologe, ein Gastroenterologe oder der Hausarzt. „Deshalb sind diese Visiten nie zeitlich gedeckelt“, betonte Frisch. „Wenn das zwei oder drei Stunden dauert, ist das halt so. Aber nur dadurch haben wir die Möglichkeit, dass wirklich alle Beteiligten an dem Gespräch teilnehmen und aktiv am künftigen Therapieplan mitarbeiten können.“
Besonders die Mitarbeit des Hausarztes war für Frischs Konzept wichtig: Schließlich sei er derjenige, der die Grundversorgung gewährleiste – PaB selbst sah er als Ergänzung zur Arbeit der Hausärzte.
Außerklinische Beatmung: So zahlte sich PaB aus
Für die Patienten: Individuelle Feinabstimmung der therapeutischen Maßnahmen
Durch die Arbeit im Netzwerk könnten, so Frischs Erfahrung, medizinische und therapeutische Maßnahmen deutlich feiner aufeinander abgestimmt und miteinander verzahnt werden als dies im klassischen Falle – diverse Einzeltermine bei diversen Ärzten und Therapeuten – möglich wäre. Die Patienten könnten davon in vielerlei Hinsicht profitieren: Weniger Erkrankungen, die Schluckfähigkeit werde verbessert und damit die Gefahr einer Lungenentzündung reduziert. Strapaziöse Arztbesuche und Krankenfahrten entfielen.
„In der häuslichen Versorgung von Beatmungspatienten ist unglaublich viel möglich“, so Frisch. Viele dieser Menschen hätten im Krankenhaus traumatische Erlebnisse gehabt, sie wollten so selten wie möglich wieder in eine Klinik. Wenn es ihr Gesundheitszustand zuließ, konnte die PaB gerade für sie einiges tun. Die Experten konnten vor Ort – also beim Patienten – die Beatmung modulieren, das Gerät neu einstellen und neue Parameter festlegen, was ihnen den ein oder anderen Kontrolltermin in der Klinik ersparte. Sogar der Austausch einer Maschine war zu Hause möglich.
Weiterer wichtiger Vorteil des PaB-Modells: Es eröffnete vielen die Möglichkeit, ein selbstständiges, selbstbestimmtes Leben in eigenen vier Wänden zu führen.
Für die Krankenkassen: Kostenersparnis in fast jedem Bereich
Die PaB hatte Verträge mit einigen gesetzlichen Krankenkassen. Im Rahmen dieser Vereinbarungen betreute die Praxis rund 600 Beatmungs- und Tracheotomiepatienten. Für 80 bis 100 Patienten stand jeweils ein Team (1 Arzt, 2 Casemanager) zur Verfügung. Zum Vergleich: Ein Hausarzt braucht laut Frisch 800 bis 1000 Patienten, um seine Praxis finanziell am Laufen halten zu können.
Trotz des hohen Personalaufwands und der zeitintensiven Betreuung hätte sich das PaB-Modell auch für die Krankenkassen gerechnet: „Das Ganze wurde wirtschaftlich durchgerechnet: In jedem Bereich wurden im Vergleich zur herkömmlichen Behandlung von Beatmungspatienten Kosten gespart, nur die Heilmittelversorgung ist bei uns teurer. Unterm Strich rechnet sich PaB.“ Kurz gesagt: weniger Erkrankungen, weniger Krankenhausaufenthalte, weniger Ambulanzen-Einsätze = weniger Kosten.
PaB war ein Modellprojekt für Berlin und Brandenburg, ermöglicht durch Rahmenvereinbarungen mit einigen Krankenkassen. Es war auf zwei Jahre ausgelegt.
Zum Thema außerkliniksche Intensivpflege spricht Dr. Eckehard Frisch auch auf „ÄrzteTag“, dem Podcast der „Ärzte Zeitung“ (externer Link): Außerklinische Intensivpflege: „Kein großer Wurf von Kassen und KBV“ – ÄrzteTag – Podcast