Wie lebt es sich mit Querschnittlähmung und Beatmung?

Der Psychologe Jörg Eisenhuth beschreibt in dem Band „Klinische Psychologie bei Querschnittlähmung“ besondere Herausforderungen in der Behandlung von Patienten mit Querschnittlähmung und Beatmung.

Dauerbeatmung stellt Tetraplegiker vor viele Herausforderungen

„Pro Jahr treten in Deutschland ca. 25 neue Querschnittlähmungen auf, die eine maschinelle Dauerbeatmung erfordern“, erklärt Eisenhuth in Anlehnung an Hirschfeld (2015 a). Das sind etwa 2 % aller neu auftretenden Fälle. Plötzlich sind Betroffene rund um die Uhr von Fremdhilfe abhängig, mobil extrem eingeschränkt, und selbst die Kommunikation ist besonders am Anfang überaus schwierig: „Jedes selbst noch so kleine Bedürfnis muss in Frageform gefasst und kann nicht selbstverständlich und selbstständig erledigt werden. Selbst das ist sehr schwierig, denn man muss sich mit stimmloser Sprache oder Flüstersprache verständlich machen. Um Hilfe rufen geht nicht“ (Eisenhuth, 2015 a). Mehr Informationen zu diesem Aspekt gibt es im Beitrag Stimme und Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de.

Lebensbedrohlicher Kontrollverlust

Der völlige Verlust der körperlichen Kontrolle macht Angst, denn bei verschleimten Atemwegen oder Ausfall des Beatmungsgerätes droht das Ersticken. „Auch wenn Personal schnell zur Stelle ist, erleben Betroffene diese Situation immer als lebensbedrohlich“, kommentiert Eisenhuth die Akutphase.

Später, insbesondere nach der Entlassung, geht es verstärkt u. a. um folgende Herausforderungen:

  • Organisation des Alltags
  • Berufliche Wiedereingliederung
  • Balance zwischen dem Bedürfnis nach ständiger Anwesenheit von Pflegekräften und Privatsphäre

Die Lebenserwartung von Menschen mit hoher Tetraplegie und Dauerbeatmung ist im Vergleich zu anderen Querschnittgelähmten deutlich niedriger (Eisenhuth nach Shavelle et al. 2015 a). Dabei scheint das erste Jahr nach Eintritt der Querschnittlähmung besonders kritisch zu sein. Die Behandlungsdauer im Rahmen der Erstversorgung übersteigt häufig ein Jahr (Eisenhuth, 2015 a).

Lebensqualität mit Dauerbeatmung

1999 befragten Eisenhuth et al. 34 beatmete Betroffene, von denen 32 zuhause lebten und zwei in Pflegeeinrichtungen. Unter Lebensqualität verstanden die Betroffenen vor allem:

  • Mobilität durch eine rollstuhlgerechte Wohnung, rollstuhlzugänglichen PKW und rollstuhlgerechte Umgebung
  • Eigene Entscheidungsfähigkeit
  • Familienleben (gemeinsames Familienleben und eigenes Zuhause)

„Selbstwirksamkeit, Eigenverantwortung und eigene Entscheidungsfähigkeit werden von den Betroffenen verstärkt entwickelt, um körperliche Abhängigkeit zu kompensieren“, ergänzt Eisenhuth (2015 a). Eine akzeptable Lebensqualität ist auch aus Sicht des Autors daher gebunden an

  • größtmögliche Mobilität durch technische Hilfen und Umweltanpassung,
  • Kommunikationsfähigkeit und
  • ein Familienleben unter häuslichen Bedingungen.

Ein selbstbestimmtes Leben außerhalb klinischer Einrichtungen hatte auch Hirschfeld 2002 als Behandlungsziel für beatmungspflichtige, querschnittgelähmte Menschen betont (Eisenhuth 2015 a). In vielen Fällen werde dieses Ziel erreicht, so Eisenhuth in Bezug auf einen Bericht von 1999, nach dem 90% der Betroffenen in eine eigene Wohnung entlassen werden konnten (Eisenhuth 2015 a). In den vergangenen Jahren sei das Durchschnittsalter der Betroffenen stark angestiegen und mit einhergehenden posttraumatischen Erkrankungen auch eine Tendenz zur Entlassung in Pflegeeinrichtungen erkennbar.