Wohnen nach Eintritt einer Querschnittlähmung: Rückkehr nach Hause

Die Rückkehr in das Wohnumfeld ist emotional vielleicht einer der schwierigsten Phasen bei der Bewältigung einer Querschnittlähmung. In der Klinik ist alles optimal auf die Mobilitätseinschränkungen angepasst, alles ist barrierefrei. Zurück zu Hause wird die körperliche Veränderung sehr schmerzlich bewusst. Und: Eine Rückkehr in die bisherige Wohnung ist nicht immer möglich oder sinnvoll.

Seit seinem Eintritt in den Ruhestand 2021 engagiert sich der Bauingenieur Volker Huckestein bei der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Bauen und Umwelt der FGQ. Seine Schwester Tina Huckestein ist seit vielen Jahren Peer bei der FGQ. Durch sie sind ihm die Problemstellungen nach Eintritt einer Querschnittlähmung und die Arbeit der FGQ bekannt. Zuvor war er beim Hessischen Rundfunk als Abteilungsleiter unter anderem für die Gebäudeinfrastruktur (Bau, Energie, Sanitär) innerhalb der Verwaltung tätig. In dieser Funktion organsierte er gemeinsam mit der Schwerbehindertenvertretung auch den barrierefreien Ausbau des Sendegebäudes.

So arbeitet die ARGE Bauen und Umwelt der FGQ

Eine Beratung der ARGE Bauen und Umwelt läuft häufig wie folgt ab: Anfragen werden typischerweise zunächst an die Geschäftsstelle der FGQ gerichtet. Diese leitet dann die Anfragen an die Arbeitsgemeinschaft weiter. In einem ersten Telefonat werden der Grad der Einschränkung und die Wohnsituation abgeklärt und Volker Huckestein bekommt Pläne und Fotos zugeschickt. Sind diese ausreichend, wird in der Beratung besprochen, welche Umbaumaßnahmen möglich und notwendig sind. Andernfalls schaut sich ein Mitglied der ARGE das Wohnumfeld der Betroffenen vor Ort an oder es werden weitere Bilder erbeten, um konkrete Hinweise geben zu können. Da die Anfragen in der ersten Phase meist von den Angehörigen kommen und nicht von den Betroffenen, werden erstere immer in die Beratung mit einbezogen.

In einem konkreten Fallbeispiel war es notwendig, das Badezimmer umzubauen. Volker Huckestein schlug nach einem Ortstermin zwei Varianten vor. Bei der ersten Variante war der Aufwand überschaubar, da weder Dusche, Waschbecken oder Toilette versetzt werden mussten. Allerdings wäre es mit Rollstuhl eng im Bad geworden. Auch der Einbau einer neuen Dusche stellte sich kompliziert dar. Bei der zweiten Variante wäre die angrenzende Gästetoilette Teil des neuen Badezimmers geworden. So wäre Platz für eine ebenerdige und große Dusche. Auch sollte das Waschbecken – mit hohem baulichem Aufwand – versetzt werden. Auch wäre so für den Rollstuhl genug Bewegungsfreiheit zu beiden Seiten der Toilette. Letztlich wurde keiner der beiden Vorschläge verwirklicht, da man gemeinsam zum Schluss kam, dass ein Umzug in ein anderes Haus sinnvoller sei.

Vielfältige Beratungsarbeit

Auch wenn die ARGE in vielen Fällen helfen kann, im Bestand sinnvolle Veränderungen vorzunehmen, so sind einem Umbau doch immer Grenzen gesetzt. „Umzug oder Neubau sind vor allem mit Blick auf die Kosten oft die besseren Lösungen – auch wenn starke Bindungen an das vorhandene Wohnumfeld bestehen“, sagt Volker Huckestein.

Neben der individuellen Beratung betreut die ARGE Bauen und Umwelt auch öffentliche und private Bauprojekte und steuert eine Expertise bei. So hat ARGE-Mitglied Michael Reichenbach, ein erfahrener Berliner Architekt, der auch ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für barrierefreie
Bauplanung und Umfeldgestaltung ist, bei einem größeren Wohnprojekt in der Nähe von Frankfurt am Main die Planungsfirma in Hinblick auf die barrierefreie Nutzung beraten. Dabei wurden viele wichtige Details anpasst, was den Mietern mit Mobilitätseinschränkungen zugutekommt. Auch der spezialisierte Planer Sebastian Wartenberg bietet im Rahmen der ARGE eine kostenlose Erstberatung an. Seit mehr als 25 Jahren hat sich sein Ingenieurbüro in Leipzig auf das Planen und Bauen von barrierefreien Privathäusern, Kindergärten, Schulen, Klinikgebäuden spezialisiert.

Grenzen der Barrierefreiheit

Trotz aller Bemühungen wird es niemals möglich sein (zum Beispiel aus Gründen der Topografie), die komplette Umwelt barrierefrei zu gestalten. Da, wo es möglich ist, sollte das „Universal Design“ – damit ist eine Nutzbarkeit für alle Menschen gemeint – stets oberstes Planungsziel sein. „Der Ansatz, allein den öffentlichen Raum vollständig barrierefrei machen zu wollen, ist meines Erachtens falsch“, so Volker Huckestein. Der Mensch sollte sich der Umwelt anpassen, anstatt die Umwelt an den Menschen. Beispielsweise sei es einfacher, einem sehbehinderten Menschen per Handy eine Wegführung zur Verfügung zu stellen, statt den Weg komplett barrierefrei zu bauen. „Natürlich sind taktil erfassbare Rillen auf der Straße für Menschen mit Seheinschränkung eine tolle Hilfe. Aber der bauliche Aufwand ist immens und die Rillen sind wiederum für Nutzer eines Rollators oder eines Rollstuhls hinderlich.“

An die Zukunft denken

Aus diesem Grund rät Volker Huckestein zum Beispiel auch, moderne elektronische Hilfsmittel zu nutzen, um unabhängiger zu werden: „Sprachgesteuerte Systeme können beispielsweise in vielen Fällen eine Hilfsperson ersetzen.“ Auch ist langfristiges Planen besser als kurz- oder mittelfristige Lösungen: „Ich rate den Menschen immer dazu, heute schon an die Zukunft zu denken. Werden beispielsweise Rampen benötigt, sollten diese immer so flach wie möglich sein, da steile Rampen mit zunehmendem Alter immer schlechter zu überwinden sind. Denken sollte man auch an die Partner und Hilfspersonen. Auch sie altern und profitieren früher oder später stark von einer barrierefreien Planung.“

Über die Arge Bauen und Umwelt der FGQ


Die ARGE Bauen und Umwelt der FGQ möchte in erster Linie dem noch häufig bestehenden Informationsdefizit in Bezug auf barrierefreies Bauen bzw. Planen und die damit verbundene Umweltgestaltung abhelfen. Von der Barrierefreiheit profitieren Menschen mit Behinderungen, und nicht nur diese, sondern ganz allgemein. Barrierefrei zu bauen kommt allen Menschen zugute! Dies ist in den neuen DIN Normen 18040 Teil 1-3 ausdrücklich so dokumentiert. Letztlich sollte die Gestaltung unserer baulichen Umwelt in ein „Design für alle“ münden. Inhaltliche Anfragen aller Art, von Betroffenen und Interessierten (aus welchen Gründen auch immer) werden so weit wie möglich bearbeitet. Die ARGE sammelt fachspezifische Informationen und stellt diese zur Verfügung. Darüber hinaus wird an der weiteren Verbreitung von Fachwissen und der stetigen Verbesserung vorhandener Literatur und der DIN Normen gearbeitet.

Kontakt: volker.huckestein@fgq-beratung.de


Der Text von Maris Metz wurde in Ausgabe 4/2024 der Zeitschrift „Der Paraplegiker“, dem Mitgliedermagazin der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V., erstveröffentlicht. Die Redaktion von Der-Querschnitt.de bedankt sich herzlich für die Zustimmung zur Zweitveröffentlichung.