Depression und Querschnittlähmung

Nach dem Eintritt einer Querschnittlähmung kann es einige Zeit dauern, bis Betroffene sich an die daraus resultierenden Veränderungen gewöhnt haben. Während dieser Zeit sind kurze Phasen der Trauer, Hoffnungslosigkeit oder intensive Gefühle des Verlusts normal. Wenn negative Gefühle allerdings chronisch werden, spricht man von Depression. Und diese kann (und sollte) behandelt werden.

Das Auf und Ab der Gefühle, das mit der Anpassung an ein Leben mit Querschnittlähmung einhergeht, unterscheidet sich von einer schweren Depression. Bei einer schweren Depression fühlen sich Betroffene die meiste Zeit des Tages, fast jeden Tag, zwei Wochen oder länger niedergeschlagen oder deprimiert oder verlieren das Interesse an den jeglichen Aktivitäten. Menschen mit Querschnittlähmung sollten diese Alarmsignale nicht ignorieren.

Depressionen sind eines der häufigsten psychischen Probleme bei Menschen mit Querschnittlähmung. Im ersten Jahr nach Eintritt einer Rückenmarksverletzung internationalen Studien zufolge 20 % bis 40 % der Betroffenen unter Depressionen (Craig et al. 2009, Bonanno et al. 2012). Bei Menschen mit chronischer Querschnittlähmung liegen die Zahlen etwas niedriger.

Wann spricht man von Depression?

Eine Depression unterscheidet sich von Anpassungsproblemen und Trauer um das bisherige Leben nach Eintritt einer Querschnittlähmung durch die Art der Symptome, die Dauer und Intensität der Symptome und die Auswirkungen auf das Leben des Betroffenen.

Symptome einer schweren Depression können sein:

  • Gefühl der Niedergeschlagenheit, Depression oder Hoffnungslosigkeit
  • Verlust des Interesses oder der Freude an Aktivitäten oder Dingen, die Sie normalerweise gerne tun
  • Verminderter Appetit, der zu Gewichtsverlust führt (oder das Gegenteil, vermehrtes Verlangen nach Essen, das zu Gewichtszunahme führt)
  • Schlafprobleme (zu wenig oder zu viel Schlaf)
  • Müdigkeit oder Energielosigkeit
  • Das Gefühl, körperlich verlangsamt zu sein, oder das Gegenteil, das Gefühl, unruhig zu sein und nicht stillhalten zu können
  • Übermäßige Schuldgefühle oder das Gefühl, wertlos zu sein
  • Schwierigkeiten beim Denken, bei der Konzentration oder beim Treffen von Entscheidungen und
  • Wiederholte Gedanken an den Tod, Selbstmordgedanken oder Selbstmordversuche.

Diese Symptome verursachen erheblichen Leidensdruck oder beeinträchtigen das tägliche Leben des Betroffenen am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft oder in privaten Bereichen.

Stress und Coping nach Eintritt einer Querschnittlähmung

Der Eintritt einer Querschnittlähmung ist ohne Zweifel ein Ereignis, das das Leben des Betroffenen (und seiner Familie) grundlegend verändert. Für die Verarbeitung des Traumas gibt es Hilfe (z. B. Traumaverarbeitung nach Eintritt einer Querschnittlähmung oder Sieben Strategien, die bei der Bewältigung einer traumatischen Querschnittlähmung helfen können) und es gibt Strategien, wie dem situationsgeschuldeten Stress begegnet werden kann (siehe: Stress – Nur eine beiläufige Komponente bei Querschnittlähmung?).

Die Wahrscheinlichkeit, dass Menschen eine echte Depression entwickeln, ist geringer, wenn sie das Leben mit Querschnittlähmung als Herausforderung und nicht als Bedrohung sehen. Das bedeutet, dass sie die Querschnittlähmung (und ihre Konsequenzen) als ein Gesundheitsproblem betrachten, mit dem sie lernen können umzugehen und an dem sie sogar wachsen können. Um sich vor Depressionen zu schützen, besteht die Herausforderung darin, ein Gleichgewicht zwischen Hoffnung und Akzeptanz zu finden.

Der Austausch mit anderen Menschen in einer ähnlichen Situation kann helfen, depressive Gefühle zu lindern. Regelmäßige körperliche Aktivität ist ein wirksames Mittel, um das Risiko einer Depression zu verringern oder den Schweregrad depressiver Symptome zu reduzieren.

Siehe auch: Nach Eintritt einer Querschnittlähmung: Aspekte der Verarbeitung

Behandlungsmöglichkeiten bei Depressionen

Es ist wichtig, Depressionen zu behandeln. Durch eine Behandlung lassen sich die Symptome wie Konzentrationsschwäche, schlechte Laune, Energiemangel, Desinteresse, schlechter Schlaf und negative Gedanken verringern. Dabei ist eine Kombination von Psychotherapie und medikamentöser Behandlung besonders erfolgsversprechend; ergänzt werden können sie durch regelmäßige körperliche Bewegung (am besten im Freien), gesunde Ernährung und kreativen Aktivitäten.

Wie kann Psychotherapie helfen?

Die kognitive Verhaltenstherapie (CBT) ist ein evidenzbasierter Ansatz, der zur Verringerung depressiver Symptome beiträgt. Sie kann dabei helfen, Bewältigungskompetenzen zu entwickeln und zu lernen, wie man Gefühlen und schwierigen Situationen umgehen können. Sie hilft, sich bewusst zu machen, wie Gedanken und Überzeugungen eigene Gefühle, Handlungen und den emotionalen Zustand beeinflussen.

Eine andere Therapieform, die hilfreich sein kann, ist die achtsamkeitsbasierte Therapie, bei der das Bewusstsein für die Gegenwart, Meditation und Atemübungen im Vordergrund stehen. Therapieformen und Entspannungsmethoden werden auf Der-Querschnitt.de in den Kategorien Psychologische Aspekte und Entspannungsmethoden vorgestellt.

Siehe auch: Psychotherapie bei Querschnittlähmung: Darauf kommt es an – Der-Querschnitt.de

Wie können Antidepressiva helfen?

Es gibt viele Arten von Antidepressiva. Die meisten von ihnen wirken, indem sie chemischen Botenstoffe im Gehirn erhöhen, die die Stimmung regulieren. Beim Einsatz von Antidepressiva kann es zwischen vier und sechs 6 Wochen dauern, bis eine spürbare Wirkung eintritt, und zwölf Wochen oder länger, bis die maximale Wirkung erreicht ist. Die Nebenwirkungen eines Medikaments nehmen in der Regel mit der Zeit ab, während der Nutzen des Medikaments allmählich zunimmt.

Antidepressiva können in vielerlei Hinsicht helfen. Sie können sowohl die Symptome der Depression lindern als auch zukünftigen depressiven Episoden vorbeugen. Sie können Betroffenen helfen, wieder an Aktivitäten im sozialen Umfeld teilzunehmen und dazu beitragen, dass der (Arbeits-) Alltag leichter bewältigt werden kann. Zudem können Antidepressiva chronische Schmerzen lindern.  

Antidepressiva machen nicht süchtig; wenn sie allerdings plötzlich abgesetzt werden, kann dies negative Auswirkungen haben. Deshalb sollte die Annahme und das Absetzten von Antidepressiva ausschließlich in Absprache mit Fachpersonen stattfinden.

Hilfe annehmen bei Depressionen

Wenn Menschen mit Querschnittlähmung auf die vergangenen zwei Wochen zurückblicken und feststellen, dass sie an der Mehrheit dieser 14 Tage ein überwiegendes Gefühl des Desinteresses und der Hoffnungslosigkeit hatten, ist es Zeit Hilfe zu suchen und sie auch anzunehmen.

Rückblick auf die vergangenen 14 Tage. Wie oftAn keinem Tag An mehrere TageAn über der Hälfte der TageAn (fast) jedem Tag
Kein Interesse an oder wenig Vergnügen bei Aktivitäten0123
Gefühl der Traurigkeit, Depression oder Hoffnungslosigkeit0123

Wenn die Gesamtsumme drei oder höher ist, ist professionelle Hilfe von Nöten.

Depressionen sind nichts, wofür man sich schämen muss. Sie ist nicht auf persönliche Schwäche oder mangelnde Willenskraft zurückzuführen. Eine Behandlung kann dazu beitragen, die Symptome der Depression zu verringern und die Dauer einer depressiven Episode zu verkürzen.

Wo findet man Hilfe?

Menschen mit Querschnittlähmung, die in der akuten oder chronischen Phase nach Eintritt der Rückenmarksverletzung Symptome einer Depression an sich feststellen, sollten sich wegen der Diagnose und einer möglichen Behandlung unbedingt an Fachpersonen wenden, die sich mit der besonderen Situation bei Querschnittlähmung auskennen.

Ansprechpartner finden Betroffene in den Querschnittgelähmten-Zentren. Siehe: Kliniken zur Behandlung von Querschnittlähmungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz – Der-Querschnitt.de

Natürlich ist es auch möglich sich an klinikunabhängige Therapeuten zu wenden. Siehe: Psychotherapie: So findet man eine rollstuhlgerechte Praxis – Der-Querschnitt.de

Für Betroffene und Fachpersonen kann die Leitlinie der DMGP eine hilfreiche Lektüre sein: S1-Leitlinie „Depressionen bei Menschen mit Querschnittlähmung: Besonderheiten in der Diagnostik und Behandlung“ – Der-Querschnitt.de


Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.
Der-Querschnitt ist ein Informationsportal. Die Redaktion ist nicht dazu berechtigt, individuelle Beratungen durchzuführen.