Der Medizinische Dienst: Zuständig für den Pflegegrad, für Hilfsmittel – und vieles mehr
Der Medizinische Dienst (MD) deckt einen großen Aufgabenbereich ab. Viele seiner Entscheidungen können direkt oder indirekt das Leben von Menschen mit Querschnittlähmung beeinflussen, z. B. wenn eine gesetzliche Krankenkasse ihn wegen eines scheinbar unnötigen Hilfsmittels zu Rate zieht oder ein Pflegegutachten erstellt werden soll.

Beim MD arbeiten Ärzte oder Pflegefachkräfte, aber auch Medizintechniker und Pharmazeuten. Der Medizinische Dienst ist eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts. Er gilt als unabhängiger Gutachterdienst, der im gesetzlichen Auftrag Kranken- und Pflegekassen in medizinischen und pflegerischen Fragen unterstützt. In Deutschland gibt es 15 MD, die in der Regel ein Bundesland betreuen. Sie werden je zur Hälfte von den Krankenkassen und den Pflegekassen über eine Umlage finanziert.
Der MD löste am 30. Juni 2021 den MDK (Medizinischer Dienst der Krankenkassen) ab, der jeweils auf Landesebene als Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen organisiert war. Mit dem „Gesetz für bessere und unabhängigere Prüfungen“ wurden die Dienste von den Krankenkassen gelöst.
Sieben große Aufgabenfelder des MD
- Pflegebegutachtung
Wer einen Antrag auf Pflegeleistungen gestellt hat, erhält in der Regel Besuch von einer Gutachterin oder einem Gutachter des MD. Vor Ort, im persönlichen Gespräch, manchmal – in erster Linie bei der Begutachtung von Höherstufungsanträgen und für Wiederholungsbegutachtungen – auch via strukturiertem Telefoninterview oder Videotelefonie sollen sie feststellen, wie viel Hilfe der Antragsteller tatsächlich benötigt – der entsprechende Grad der Pflegebedürftigkeit wird in einem Gutachten fixiert, das wiederum die Grundlage für Leistungen der Pflegekasse bildet. - Pflegequalität
Mindestens einmal im Jahr werden ambulanten Pflegedienste und Pflegeeinrichtungen überprüft – die Ergebnisse der Prüfungen werden veröffentlicht. Wer die Leistungen einzelner Dienste und Einrichtungen vergleichen möchte, kann auf drei Online-Portale zurückgreifen: - Kontrolle von Krankenhäusern
Auch in Kliniken sind die Expertinnen und Experten des MD aktiv. Hier sind sie für Qualitäts- und Strukturprüfungen zuständig und für die Abrechnungskontrolle gegenüber den Krankenkassen. - Neue Behandlungsmethoden
Im Auftrag einer Krankenkasse beurteilt der MDK, ob eine neue Behandlungsmethode als sinnvoll, sprich besser als etablierte Methoden, einzuschätzen ist und damit eingesetzt werden sollte. - Spezielle Hilfsmittel
Wird ein Hilfsmittel verordnet, das besonders aufwendig oder komplex ist, können Krankenkassen den MD einschalten. In einem Gutachten soll geklärt werden, ob das betreffende Hilfsmittel- medizinisch notwendig
- im Einzelfall geeignet und
- wirtschaftlich ist (immerhin soll die Solidargemeinschaft der Versicherten nicht unnötig belastet werden)
- Patientenschutz
Hier sind zwei Bereich zu nennen:- Wird ein Behandlungs- oder Pflegefehler vermutet, können die Krankenkassen beim MD Sachverständigengutachten in Auftrag geben, das Klarheit schaffen soll. Für gesetzlich Versicherte ist dieses Gutachten kostenlos.
- Beratung und Begutachtung
Ein weites Feld. Die MD-Ärzte beraten unter anderem bei allgemeinen Fragen zu Hilfsmitteln, zu Reha-Maßnahmen, zur häuslichen Krankenpflege oder zur Arbeitsunfähigkeit.
Auf den Seiten des Medizinischen Dienstes gibt es zum Thema Hilfsmittel ein Erklärvideo: Hilfsmittel | Medizinischer Dienst, über die Aufgabenbereiche des MD informiert im Überblick die Broschüre Für eine gute und gerechte Gesundheitsversorgung (medizinischerdienst.de)
Einige der Aufgabengebiete des MD sorgen manchmal für Verwirrung: Ist der MD nun im Auftrag der Pflegekasse unterwegs oder im Auftrag der Krankenkasse? Entscheiden seine Mitarbeiter über die Hilfsmittel, die ich bekomme oder über das Pflegegeld, das mir als Mensch mit Behinderung zusteht? Diese und weitere Fragen hat die Redaktion Jörg Albers gestellt, einem Berliner Fachanwalt für Sozialrecht. Seine Kanzlei (externer Link) hat sich auf die Vertretung behinderter Menschen und auf sozialrechtliche Angelegenheiten spezialisiert.
Der-Querschnitt.de: Die Mitarbeiter des MD sind die Leute, die für die Feststellung des Pflegegrades zuständig sind, aber zugleich entscheiden sie gefühlt auch über Hilfsmittelgenehmigungen. Woher kommt dieses eher diffuse Bild?
RA Albers: Nehmen wir an, dass ein Mensch mit Behinderung eine Pflegeeinstufung beantragt hat. Dann wird er, sofern er gesetzlich versichert ist, Besuch von einem Gutachter des MD bekommen, auch eine telefonische Begutachtung ist mitunter möglich. Optimalerweise wird jedoch der Gutachter oder die Gutachterin vor Ort im persönlichen Gespräch feststellen, welche Pflegeleistungen der Betreffende benötigt und dies in einem Gutachten formulieren, das wiederum die Grundlage bildet für die Berechnung der Leistungen, die die Pflegekasse künftig zahlen wird. Was der Betroffene dann mit dem Geld macht, ist ihm überlassen. Er kann Pflegesachleistungen anfordern – also zum Beispiel einen ambulanten Pflegedienst beauftragen – oder sich das Geld einfach überweisen lassen. Wenn das Pflegegeld nicht reicht, um die Pflege zu finanzieren, kann er außerdem noch zum Sozialamt gehen und weitere Unterstützung („Hilfe zur Pflege“) beantragen.
Der-Querschnitt.de: Woher kommen dann die Unklarheiten, wofür der MD zuständig ist?
RA Albers: Der MD bestimmt den Pflegegrad.* Und gleichzeitig erfasst er dabei, welche Leistungen – zum Beispiel Hilfsmittel – Sache der Krankenkassen sind und welche Leistungen Sache der Pflegekasse sind. Wenn der MD kommt und feststellt, dass sich die Situation eines Patienten durch geeignete Hilfsmittel oder Maßnahmen (zum Beispiel eine Reha) deutlich verbessern würde, kann der MD diese auch verordnen. Der Betroffene muss dann auf Reha gehen oder die geeigneten Hilfsmittel in Anspruch nehmen, um seine Pflegebedürftigkeit zu mindern – entsprechend bekommt er dann auch weniger Pflegegeld bewilligt. Wenn der MD in solchen Fällen ein Hilfsmittel oder eine Maßnahme „verschreibt“, ist diese auch sofort bewilligt; man benötigt keine ärztliche Verschreibung mehr. Natürlich bleibt am Ende die Option offen, nach der Reha den Bewilligungsprozess noch einmal anzugehen. Dann muss sich aber zeigen, dass die Reha keine Verbesserung gebracht hat. Zum anderen können die gesetzlichen Krankenkassen aber auch den MD um Hilfe bitten, wenn sie Zweifel haben, ob ein beantragtes, vom Arzt verordnetes Hilfsmittel, wie ein teurer Elektrorollstuhl, tatsächlich sinnvoll ist. Auch in solchen Fällen erstellt ein MD-Mitarbeiter ein Gutachten.
Der-Querschnitt.de: In der Vergangenheit standen einzelne gesetzliche Krankenkassen in der Kritik, weil sie externe Gutachter zu Rate zogen. Berichtet wird von Fällen, in denen externe Gutachter ein vom MD empfohlenes – teures – Hilfsmittel ablehnten oder von Fällen, in denen der MD gar nicht erst gefragt wurde, sondern die Kasse direkt einen externen Berater vorbeischickte.
RA Albers: Salopp gesagt: Manche Krankenkassen haben das in der Vergangenheit versucht, aber seit ein paar Jahren ist das meiner Erfahrung nach kein Thema mehr. Ich persönlich hatte seit mehr als zwei Jahren keinen solchen Fall mehr auf dem Schreibtisch. Und meiner Einschätzung nach dürfen Krankenkassen – wenn es um die Frage geht, ob jemand ein spezielles Hilfsmittel tatsächlich braucht oder nicht – keine externen Gutachter beauftragen, sondern müssen sich an den MD wenden. Anders ist das übrigens beim Pflegegeld: Pflegekassen dürfen durchaus externe Gutachter heranziehen, müssen dann aber drei zur Auswahl stellen. So ist es in (externer Link) Paragraph 18, SGB XI geregelt.
Der-Querschnitt.de: Auch wenn es offenbar Vergangenheit ist: Die externen Krankenkassenberater wurden im Fachjargon als „externe Hilfsmittelberater“ bezeichnet. Traf diese Bezeichnung zu?
RA Albers: Der Begriff des Hilfsmittelberaters ist nicht geschützt. Hilfsmittelberater arbeiten aber in der Regel im Sanitätshaus. Sie sorgen dafür, dass die Versorgung mit Hilfsmitteln gut läuft, sie erstellen keine Gutachten.
Der-Querschnitt.de: Vielen Dank für das Interview!
*Nicht zu verwechseln mit dem Grad der Behinderung. Für dessen Feststellung, aber auch für die Ausstellung eines Schwerbehindertenausweises, sind die Versorgungsämter zuständig.
Weiterführende Informationen zum Thema Gutachten in den Beiträgen
- Pflegegutachten und Gutachterbesuch
- MDK-Gutachten auf dem Prüfstand
- Pflegegrade: Ein Überblick
Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Unter keinen Umständen ersetzt er jedoch eine rechtliche oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch eine juristische Fachperson oder Menschen mit Qualifikationen in den entsprechenden Fachbereichen, z.B. Steuerrecht, Verwaltung.
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Ob und in welchem Umfang private Krankenkassen die Kosten für Hilfsmittel, Therapien o.ä. übernehmen, ist individuell in der jeweiligen Police geregelt. Allgemeingültige Aussagen können daher nicht getroffen werden.