GdB und GdS: Weil der Mensch mehr ist als eine Arbeitskraft
Die Begriffe „GdS“ und GdB“ klingen wie lustige Abkürzungen aus der Social-Media-Welt, sind de facto aber von großer rechtlicher Relevanz. Nachteilsausgleiche aufgrund einer Behinderung orientieren sich am persönlichen „Grad der Behinderung“ (GdB). Der „Grad der Schädigungsfolgen“ (GdS) wird im Entschädigungs- und Unfallversicherungsrecht verwendet.

Der GdB ist im Schwerbehindertenrecht zuhause. Er beziffert die Schwere der körperlichen, geistigen, seelischen und/oder sozialen Auswirkungen einer Behinderung und ihrer Auswirkungen auf Leben und Teilhabe amtlich dokumentiert. Der GdB hat konkrete Auswirkungen auf die Höhe der Nachteilsausgleiche, beziehungsweise: Ohne amtlich festgestellten GdB gibt es überhaupt keine Nachteilsausgleiche.
Wichtig zu wissen: Der GdB gibt den Grad einer Behinderung an. Der Fokus liegt allein auf der Gesamtheit aller Einschränkungen im sozialen oder beruflichen Leben – die Ursache spielt keine Rolle.
Anders der GdS. Er gibt die Schwere von Schädigungsfolgen an (die ebenfalls Auswirkungen in allen Lebensbereichen haben können). Der GdS wird angewandt im sozialen Entschädigungsrecht und bei den gesetzlichen Unfallversicherungen. Er hat 2009 den bis dahin gebräuchlichen MdE (Minderung der Erwerbsfähigkeit) abgelöst. Nun werden auch im Entschädigungsrecht Einschränkungen in allen Lebensbereichen betrachtet – der Mensch ist mehr als nur eine Arbeitskraft.
Maß für Auswirkungen einer Behinderung auf ganzes Leben
Abgesehen von der Stoßrichtung (Schwerbehindertenrecht, Entschädigungsrecht) sind GdS und GdB identische Zwillingsbrüder. Beide sind ein „Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens“, so die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ (VG) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Dieses Dokument skizziert, welche Behinderungsart oder chronische Erkrankung zu welchen GdB führen kann, beziehungsweise, welche Schädigung zu welchem GdS.
Bei der Festlegung von GdS/GdB bildet die sogenannte GdS-Tabelle in den VG die Grundlage. An ihr orientieren sich auch die Gutachter des Versorgungsamtes, das für die Feststellung eines GdB zuständig ist.
Auch seelische Begleiterscheinung zählen
Der GdB selbst wird in 10er-Schritten angegeben, eine noch kleinere Einheit ist angesichts der Komplexität der Beurteilungsaufgabe nicht möglich, schließlich müssen die Gutachter jeweils individuell feststellen, wie schwerwiegend die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen eines Menschen sind. Hat ein Mensch mehrere Behinderungen, versuchen die Gutachter, sich ein Gesamtbild der Beeinträchtigung zu schaffen. Basierend auf der Behinderung mit der größten einschränkenden Wirkung werden alle weiteren Behinderungen betrachtet, etwaige zusätzliche Funktionseinschränkungen registriert und aus dem Gesamtbild der individuelle Grad der Behinderung ermittelt.
Es sei unerlässlich, „alle die Teilhabe beeinträchtigenden körperlichen, geistigen und seelischen Störungen im Einzelfall zu berücksichtigen. Die Beurteilungsspannen tragen den Besonderheiten des Einzelfalles Rechnung.“ Zudem gelte, dass bei der Beurteilung von GdS und GdB auch seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen zu beachten seien: „Sind die seelischen Begleiterscheinungen erheblich höher als aufgrund der organischen Veränderungen zu erwarten wäre, so ist ein höherer GdS gerechtfertigt. Vergleichsmaßstab ist nicht der behinderte Mensch, der überhaupt nicht oder kaum unter seinem Körperschaden leidet, sondern die allgemeine ärztliche Erfahrung hinsichtlich der regelhaften Auswirkungen“, betonen die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“.
GdB bei Rückenmarksschäden
Der niedrigste Grad der GdB ist 20, der höchste 100 (entgegen landläufiger Meinung stellen diese Zahlen keine Prozentangaben dar). Ab GdB 50 gilt ein Mensch als schwerbehindert, Menschen mit einem GdB von mindestens 30 können unter Umständen den Schwerbehinderten gleichgestellt werden (siehe dazu Beitrag Nachteilsausgleiche und Vergünstigungen für Menschen mit Querschnittlähmung). Bei Rückenmarkschäden geben die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen Rahmen von GdB 30 bis GdB 100 vor:

Da Menschen und ihre körperliche Situation sich im Laufe der Jahre ändern, ist auch der GdB keine lebenslange, feste Größe. Nehmen die Funktionsbeeinträchtigungen zu, kann ein Mensch mit Behinderung durchaus eine Neu-Feststellung seines GdB beantragen. Aber Vorsicht! Der Sozialverband VdK Deutschland gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken: „Der GdB kann auch herabgesetzt werden. Es ist möglich, die Schwerbehinderteneigenschaft zu verlieren, wenn der GdB unter 50 eingestuft wird. Daher sollte eine Neufeststellung sehr gut überlegt sein.“
Gewährung von Pflegezulagen
Menschen mit Querschnittlähmung finden sich in den GdS-Grundsätzen übrigens auch unter Punkt 4 („Hilflosigkeit“) wieder. Hier geht es um die Gewährung einer Pflegezulage: „Bei einer Reihe schwerer Behinderungen, die aufgrund ihrer Art und besonderen Auswirkungen regelhaft Hilfeleistungen in erheblichem Umfang erfordern, kann im Allgemeinen ohne nähere Prüfung angenommen werden, dass die Voraussetzungen für das Vorliegen von Hilflosigkeit erfüllt sind. Dies gilt stets … Querschnittslähmung und anderen Behinderungen, die auf Dauer und ständig – auch innerhalb des Wohnraums – die Benutzung eines Rollstuhls erfordern“.
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