Hyperaktive Blase bei Querschnittlähmung mit Herpesvirus behandeln

Eine klinische Studie untersucht 2025 die Auswirkung gezielt eingesetzter modifizierter Herpesviren zur Behandlung der neurogenen Blasenfunktionsstörung bei Menschen mit Querschnittlähmung.

Anatomische Darstellung einer menschlichen Blase.

Menschen mit Querschnittlähmung sind meist von einer neurogenen Blasenfunktionsstörung (auch: neurogene Funktionsstörung der unteren Harnwege) betroffen. Eine Form hiervon ist die hyperaktive (auch: spastische) Blase. Hier bleibt der äußere Schließmuskel trotz Entleerungsreflex angespannt oder öffnet sich nur stockend. Der Druck in der Blase steigt an, was nicht nur dazu führen kann, dass sich die Harnblase verformt, sondern auch, dass die Ventile in der Blasenwand geschwächt werden. Dies wiederum kann zu einem Harnrückfluss in die Nieren führen, was diese dauerhaft schädigen kann. Siehe auch: Neurogene Blasenfunktionsstörungen: Konservative Therapien.

Es gibt verschiedene Methoden zu Behandlung der neurogenen Blase, u.a. die Injektion von Botox, ein Protein, das vom Bakterium Clostridium botulinum produziert wird. Botox entspannt den Blasenmuskel, wodurch reflexartige Kontraktionen der Blase vermieden werden können. Die Wirkung von Botoxinjektionen in die Blase hält sechs bis zwölf Monate an.

Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2024 beschäftigt sich mit modifizierten Herpesviren (EG 110A), die einen ähnlichen Effekt haben sollen und deren Wirkung mehrere Jahre anhalten könnte.

So funktioniert die untersuchte Methode

Bei der Therapie handelt es sich um ein (sich nicht vermehrendes) genetisch modifizierter Viruspartikel, mit dem genetisches Material gezielt in Zellen eingebracht werden kann; in diesem Fall eine modifizierte Form des Herpesvirus. Mit diesem Vektor können sensorische Nervensignale blockiert werden, die zu unwillkürlichen Blasenkontraktionen führen.

Im Tiermodell wurde die Methode in Verbindung mit dem Alkaloid Capsaicin bereits auf Sicherheit und Nutzen erprobt:

EG110A, egal in welcher Dosierung, verursachte demnach während der 5-wöchigen Studiendauer keine unerwünschten Wirkungen oder Mortalität. Darüber hinaus wurden während der Studie keine relevanten Veränderungen des Körpergewichts beobachtet. Während der Capsaicin-Behandlung verringerte EG110A die Häufigkeit der Blasenentleerungskontraktionen und verbesserte die Blasenkapazität, verringerte den intravesikalen Druck (Druck in der Harnblase) und verbesserte die Compliance der Blase.

Die Forschenden unterstreichen, dass am Ort der Verabreichung in der Blase keine Transgenexpression gefunden wurde, was zeigt, dass die funktionelle Wirkung von EG110A ausschließlich durch die Transgenexpression in sensorischen Neuronen vermittelt wird.

Das Abstract der Studie ist (in englischer Sprache) hier nachzulesen: ICS 2024 Abstract #33 EG110A, a novel non-replicative HSV1-derived vector expressing the light chain of botulinum toxin F, shows dose-dependent efficacy in an acute intravesical capsaicin rat model

Wie geht es weiter?

2025 wird die Methode testweise bei Menschen mit Querschnittlähmung eingesetzt. An der 52-wöchigen klinischen Phase-1b/2a-Studie nehmen Personen mit chronischer Querschnittlähmung im Alter von 18 bis 75 Jahren teil. Die Studie umfasst eine fünfjährige Nachbeobachtungsphase zur Sicherheit. Da es sich um eine First-in-Human-Studie handelt, ist nach den Blaseninjektionen ein Krankenhausaufenthalt über Nacht erforderlich.

Sobald Ergebnisse vorliegen, wird Der-Querschnitt.de berichten.


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