Leben mit Querschnittlähmung: Jemals wieder ein Auto führen zu können, schien undenkbar …
Bei dem Ausspruch „Benzin im Blut“ stellt sich wahrscheinlich als erstes die Vorstellung von Rennautos und dem Kick der Geschwindigkeit ein. Doch diese Worte können sich auch auf Menschen beziehen, die Autofahrten nicht bloß als Fortbewegung von einem Ort zu einem anderen ansehen, sondern denen das Gefühl, auf der Straße unterwegs zu sein, mehr bedeutet.

Generell hat für mobilitätseingeschränkte Menschen ein eigenes Auto eine große Bedeutung, da es ein größeres Maß an Unabhängigkeit und Freiheit bedeutet. Schließlich ist die Barrierefreiheit des öffentlichen Personennahverkehrs noch ausbaufähig und Assistenten, die mobilitätseingeschränkte Menschen befördern wollen, brauchen ein geeignetes Fahrzeug, um gegebenenfalls den Rollstuhl und weitere Hilfsmittel mitzutransportieren. Darius Pommer, Peer im BG Klinikum Unfallkrankenhaus Berlin, ist ein gutes Beispiel dafür, wie vielfältig die Zuschreibung „Benzin im Blut“ interpretiert werden kann.
Unabhängigkeit wiedergewonnen
Der 31-jährige Darius Pommer aus Berlin fährt einen umgebauten VW Bus T6, mit dem er sehr gerne unterwegs ist. Schon vor dem Eintritt seiner Querschnittlähmung durch einen Badeunfall im Jahr 2014 war er ein begeisterter Autofahrer, der seinen Führerschein schon im Alter von 17 Jahren erwarb. Er bezeichnet sich nicht als Autofreak, aber er ist gern auf vier Rädern unterwegs. Das gilt für alltägliche Fahrten wie seinen Arbeitsweg, aber auch für das Erkunden anderer Länder im fahrbaren Untersatz.
Den Bedürfnissen des auf Höhe C4-C5 gelähmten Tetraplegikers entsprechend, verfügt sein Auto über einen Kassettenlift und einen elektronisch rückfahrbaren, schwenkbaren und höhenverstellbaren Fahrersitz. Mit der linken Hand bedient er den Gas- und Bremshebel, während die rechte Hand das mit einem Dreizack ausgestattete Lenkrad kontrolliert. Dabei müssen seine Hände an den Bedienelementen befestigt werden, da als Folge seiner Querschnittlähmung die Sensibilität seiner Finger verloren gegangen ist.
Schöne Erfahrung
Es ist sein erstes für ihn als Aktivfahrer umgebautes Auto. Zunächst hatte er ein nur mit einem Schwenksitz auf der Beifahrerseite ausgestattetes Auto, mit dem er passiv fuhr. Das aktive Fahren eines Autos war für ihn, in der unmittelbaren Zeit nach seinem Unfall, noch undenkbar; er rechnete, aufgrund seiner verloren gegangen Funktionen der Hände, nicht damit, je wieder ein Kraftfahrzeug sicher führen zu können.
Eine Begegnung in einer Klinik änderte seine Haltung dazu: Ein anderer Patient mit Querschnittlähmung und gleicher Lähmungshöhe, der den Führerschein gemacht hat, brachte Darius Pommer auf den Gedanken, es auch auszuprobieren – und tatsächlich bestand er die Begutachtungsfahrt. „Es war für mich eine sehr schöne Erfahrung, dass ich das trotz geringer Arm- und Handfunktion geschafft habe“, sagt er rückblickend. Auf den Mitpatienten, der ihn hierzu ermutigte, hatte ihn das Pflegepersonal aufmerksam gemacht. „Auch übers Handbike fahren habe ich von ihm einiges gelernt“, erzählt Darius Pommer.
Reisen als Ausdruck von Freiheit
Das schönste Erlebnis mit seinem Auto war eine zweiwöchige Reise durch Dänemark und Schweden mit einer Assistenz. Mit der Fähre ging es von Rostock über Kopenhagen nach Malmö. Dank seines geräumigen Fahrzeugs konnte er, nachdem er die Rückbank umgeklappt hatte, im Heckraum eine Matratze unterbringen und in seinem Auto übernachten, wofür er Campingplätze ansteuerte.
Auch für zusätzliches Gepäck ist es aus diesem Grund gut geeignet. So konnte Darius Pommer neben dem notwendigen Rollstuhl auch sein Handbike mitnehmen und damit in Skandinavien unterwegs sein.
Zugute kam ihm, dass durch das sogenannte Jedermannsrecht Wildcampen in Schweden erlaubt ist und er über eine App mögliche Stellplätze fand, auf denen er für eine oder mehrere Nächte bleiben konnte. „Dank der Hilfe dieser App konnte ich zum Beispiel auch einen See in Schweden ausmachen und eine Nacht in meinem Auto mit Seeblick genießen.“
Der Traum: Irgendwann ein eigenes Wohnmobil
Auch an der Küste der Normandie entlang führte ihn schon eine Tour, ebenfalls mit Zwischenstopps an verschiedenen Campingplätzen. Nach seinen nächsten Zielen befragt, sagt er: „Ich möchte unbedingt noch die Küste der Balkanländer bereisen, besonders von Kroatien habe ich gehört, dass es an der Küste sehr schön sein soll“, spricht Darius Pommer von einem seiner Traumziele. „Am liebsten mit dem eigenen Wohnmobil, da das vor allem auf längeren Reisen durch seine Größe noch mehr Komfort zum Schlafen, Leben und mehr Platz für zusätzliche Hilfsmittel, wie beispielsweise einen Duschstuhl, bietet als mein Van. Außerdem wäre ich damit unabhängig von externen Toiletten und könnte mir vorstellen, dann auch von unterwegs zu arbeiten“, führt er seine Pläne weiter aus.
„Mir geht es hauptsächlich um die Nützlichkeit des Autos. Wenn es dazu noch ansprechend aussieht, ist das ein angenehmer Nebeneffekt, aber andere Eigenschaften des Fahrzeugs sind für mich zweitrangig“, erläutert er sein Hauptaugenmerk. „Das Reisen im eigenen, geräumigen Auto gibt mir mehr Spontaneität und Flexibilität, da man durchfahren kann, bis man zu müde ist und dann einfach den nächsten Parkplatz anfahren und im Auto übernachten kann.“
Der Text wurde dem Beitrag „Benzin im Blut. Mehr Mobilität dank eigenem Pkw“ entnommen, erschienen in der Ausgabe 3/2023 des PARAplegikers, der Mitgliederzeitschrift der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland E.V. (FGQ). Die Redaktion von Der-Querschnitt.de dankt Darius Pommer und den Autoren Maris Metz und Zacharias Wittmann herzlich für ihre Zustimmung zur Zweitveröffentlichung!
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