Neues Schrankensystem: Freie Durchfahrt für Rollstuhlfahrer, Rollatornutzer und Waldläufer

Viele Menschen mit Querschnittlähmung und anderen Mobilitätseinschränkungen dürften das Problem kennen: Manche Ausflüge in die Natur enden, bevor sie beginnen. Bei der ersten Schranke ist Schluss. Der querschnittgelähmte Frank Marasek und seine Frau Birgit haben eine einfache Lösung entwickelt:  Einen „Mobilitäts-Bügel“ als Nachrüstsatz für Schranken auf Geh-, Feld- und Forstwegen.

Da geht nix: Mit dem Rollstuhl kommt man links nicht an der Schranke vorbei, rechts müsste man sich durch Brennnesseln kämpfen – und in der Mitte ist ohnehin keine Durchfahrt möglich

Die Motivation hinter der Erfindung umschreibt Birgit Marasek so: „Nach einem Unfall war mein Mann querschnittgelähmt. Nachdem er an der ein oder anderen Schranke wieder umkehren musste, war er einerseits sehr frustriert, hat aber andererseits mit seinen technischen Kenntnissen überlegt, wie eine barrierefreie Lösung aussehen könnte.“ Die Hauptanforderung – neben der Rollstuhltauglichkeit: „Die Lösung musste einfach, nachhaltig, robust sowie lokal montierbar sein.“

Keine leichte, aber eine machbare Aufgabe für Marasek, der als junger Mann eine Lehre in der Metallverarbeitung und ein Ingenieursstudium absolvierte, bevor er sich letztendlich in der IT-Branche etablierte.

Funktioniert fast überall

Der Mobilitäts-Bügel macht den Weg frei für Rollstuhlfahrer, Menschen mit Kinderwagen und Rollatornutzer

Der Clou an dem Mobilitäts-Bügel, der inzwischen zum Patent angemeldet ist: Dank spezieller Universaladapter lässt sich der Durchfahrtsbogen in nahezu jede bestehende Schranke einfügen. Was simpler klingt, als es ist: „Wir haben uns natürlich zig Schranken angeschaut – da ist fast jeder Querbalken anders. Manche sind eckig, der Durchmesser ist ohnehin immer unterschiedlich, manchmal wurden auch alte Lichtmasten verwendet, dann hat man links einen anderen Umfang als rechts. Und trotzdem funktioniert´s fast überall.“

Schranken, die Waldwege blockieren sind natürlich nicht Maraseks persönliches Problem, sondern ein gesellschaftliches: „Fußgänger oder Fahrradfahrer können diese Schranken seitlich passieren. Für Rollstuhlfahrer oder für Menschen mit bestimmten Behinderungen stellen diese Schranken allerdings ein unüberwindbares Hindernis dar“, schildert Marasak die Situation auf – oder besser: vor – vielen Waldwegen.    

Im Widerspruch zum Gleichstellungs-Gesetz

Das stehe, betont er, im Gegensatz zum Behinderten-Gleichstellungs-Gesetz (BGG): „Ziel dieses Gesetzes ist es, die Benachteiligung von Menschen mit Behinderungen zu beseitigen und zu verhindern sowie ihre gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu gewährleisten und ihnen eine selbst bestimmte Lebensführung zu ermöglichen. Dabei ist ihren besonderen Bedürfnissen Rechnung zu tragen.“ Darüber hinaus schreibe das Bundeswaldgesetz (BWaldG) vor, dass zu Erholungszwecken jedermann ein freies Betretungsrecht für den deutschen Wald besitzt. „Personen im Rollstuhl oder Personen mit eingeschränkter Mobilität dürfen hiervon nicht ausgenommen werden.“

Montage dauert nur 2 Stunden

Birgit Marasek vertreibt die Nachrüst-Sets. Im Paket, das abhängig vom aktuellen Metallpreis etwa 1.000 Euro kostet, stecken der Bausatz, eine Werkzeugliste, die vormontierten Adapter, eine Bauanleitung und der Link zu einem Montagevideo. Die Montagezeit vor Ort beträgt etwa zwei Stunden, wenn 2 Mann anpacken.

Das Nachrüst-Set lässt sich an nahezu jeder Schranke montieren

Ihr Unternehmen bietet auch komplett neue, rollstuhlgerechte Schranken an, „aber hauptsächlich wollen wir mit dem Mobilitäts-Bügel dafür sorgen, dass bestehende Schranken nachgerüstet werden und dann noch einmal zig Jahre ihren barrierenfreien Dienst tun. Nachhaltigkeit ist und sehr wichtig.“

Auf Missstand aufmerksam machen

Menschen mit Mobilitätseinschränkungen sind nicht die einzige Zielgruppe der Maraseks. Ihnen geht es um ein möglichst universelles Design, von dem viele profitieren können. Auf ihrer Homepage nennen sie als potenzielle Nutznießer ihrer Idee nicht nur Menschen im Rollstuhl oder mit Rollator, sondern auch Eltern mit Kinderwagen und Menschen, die vielleicht nicht mehr so sicher zu Fuß unterwegs sind, dass sie die oft holprigen, mit Pfützen gespickten Trampelpfade neben Wegschranken benutzen könnten. Radfahrer können durch den Bogen ihr Bike bequem durchschieben.

„Uns ist es ganz wichtig, dass möglichst viele Menschen raus in die Natur können. Deshalb appellieren wir auch an jeden, der von einer Schranke ausgebremst wird, sich an die zuständige Gemeinde zu wenden – oft weiß man da überhaupt nicht, für wie viele Menschen eine durchgängige Schranke ein Problem ist!“ Für sie alle würde ein Durchfahrtsbogen den direkten, meist gut zu benutzenden Weg freimachen. Nur Kraftfahrzeuge werden weiterhin an der Durchfahrt gehindert.

Nähere Informationen zu den Schrankensystemen und ein Kontaktformular gibt es auf der Homepage von des Herstellers: Barrierefreie-Schrankensysteme.de.


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