PNF: Die physiotherapeutische Technik kann bei Querschnittlähmung die Bewegungsfähigkeit aktivieren
Die Propriozeptive Neuromuskuläre Facilitation (PNF) ist eine Technik innerhalb der Physiotherapie, diedurch Ansteuern verschiedener Rezeptoren im Körper Impulse überträgt. Ziel ist es, eine individuelle, bestmögliche Haltung und Bewegung im Alltag zu generieren und so Voraussetzungen für eine bestmögliche Aktivität und Teilhabe am täglichen Leben zu schaffen. Physiotherapeutin Julia Hönicka über die Vorteile dieser Therapie-Technik.

Die Sinnesorgane eines Menschen (Haut, Augen, Ohren, Mund, Nase) erhalten über sogenannte Bewegungsfühler (Rezeptoren) Informationen. Mit ihrer Hilfe nimmt ein Mensch wahr, wie sein Körper sich bewegt oder in welcher Position er selbst oder eines seiner Gliedmaßen sich derzeit befindet. Diese Fähigkeit zur Eigenempfindung wird Propriozeption (von lateinisch proprius = „eigen“ und recipere = „aufnehmen“) genannt.
Ziel der Propriozeptiven Neuromuskulären Facilitation (von engl. facilitation = Erleichterung) ist es, pathologisch veränderte Bewegungsprozesse möglichst nah an ihre gesunde Form zurückzuführen. Dazu regen Therapeut oder Therapeutin Rezeptoren in Gelenken, Muskeln und Sehnen durch gezielte Stimulation an, aktivieren sie und fördern so eine Verbesserung der Bewegungsfähigkeit, beziehungsweise erleichtern diese.
PNF bei Querschnittlähmung
Die PNF ist auch für Menschen mit Querschnittlähmung eine Option. Sobald noch ein Mindestmaß an Aktivität vorhanden ist, bzw. sich ein Bewegungsmuster noch ansteuern lässt, kann man mit PNF arbeiten. Entweder passiv, um eine Verschlechterung des Allgemeinzustandes zu vermeiden, oder assistiv-aktiv, um zu fördern, zu erhalten und ggfs. zu verbessern.
Daher profitiert der komplett Querschnittgelähmte ebenso wie ein inkomplett Gelähmter, jeder für sich in seinem ganz individuellen Bewegungszustand, auf den jeweiligen Menschen angepasst. PNF bietet ein hohes Maß an Flexibilität in Bezug zu Ausführung und Anbahnung eines Bewegungsmusters.

Konkret: Was bringt PNF?
Regelmäßige PNF kann einige positive Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Gesundheit haben, zum Beispiel:
- Normalisierung der Muskelspannung
- Förderung der motorischen Kontrolle/ Bewegungsverhalten
- Förderung der Mobilität
- Steigerung der dynamischen Stabilität, Ausdauer und Kraft
- Verbesserung von Koordination und Geschicklichkeit
- Wiederherstellung des für das Individuum normale Bewegungsverhalten
Sowohl bewusste als auch unbewusste Bewegungen des Körpers werden gleichermaßen in ihrer Aktivierung und Koordination gefördert, was bei schweren Erkrankungen auch lebenswichtige Bewegungen wie Schlucken oder Atmen sein können.

Wie wirkt´s?
Neurologische (sowie jede andere) Erkrankungen können dazu führen, dass die koordinations- und Bewegungsfähigkeit langfristig eingeschränkt ist oder dauerhaft abnimmt.
Durch spezielle Techniken und Reizungen wird der Muskel-Bewegungsapparat aktiviert und gefördert. Ziel ist es, das Bewegungsmuster so weit zu trainieren bzw. zu stabilisieren, dass zuvor gestörte Bewegungsmuster wieder einfacher und für den betroffenen Menschen normaler/selbstverständlicher durchführbar sind. Angewandt wird die PNF zum Beispiel nach Unfällen, Operationen oder diversen neurologischen Erkrankungen.
Therapie-Ziele sind unter anderem:
- Verbesserung der körperlichen Wahrnehmung
- Stärkung des Zusammenspiels zwischen Muskel und Nerv
- Erleichterung des physiologischen Bewegungsmusters
Wie oft?
Der positive Effekt von PNF basiert auf langen Behandlungsmustern. Zwar lässt sie sich auch kurzfristig sinnvoll und gut nutzen, z.B. nach orthopädischen Eingriffen, ihr Hauptziel in der Praxis gilt jedoch dem langfristigen Ergebnis.
Der Mensch profitiert in allen Stadien seiner Erkrankung von den Mustern des PNF und kann vor allem selbst damit gut reflektieren. Bewegungen, beziehungsweise Verhaltensmuster, die eventuell zu Beginn einer Schädigung nicht oder nur noch sehr schwach ausgeprägt waren, können sich verbessern, Gliedmaßen wieder ganz anders genutzt werden. Derartige Erfolgserlebnisse wiederum können eine Therapie positiv beeinflussen.
Der Unterschied zu anderen Formen der Physiotherapie?
Es gibt eine Vielzahl an weiteren Methoden und Techniken speziell in der Neurologie (siehe auch die Beiträge Physiotherapie bei Querschnittlähmung – Größtmögliche Selbstständigkeit sowie Physiotherapie bei Querschnittlähmung in der Praxis).
Gängig sind z.B. das Konzept von Bobath und Vojta.
Bobath hat seinen Ursprung in der Behandlung des Schlaganfalls. Das Bobath-Konzept nutzt die Lernfähigkeit des Gehirns, um verloren gegangene Funktionen wiederzuerlangen oder durch andere natürliche Bewegungsmuster zu kompensieren.
Vojta arbeitet vorwiegend mit den Reflexen und wird eher im Kindesalter verwendet. Mit der so genannten Reflexlokomotion (oder Reflexfortbewegung) hat Vojta eine Methode entwickelt, die elementare Bewegungsmuster auch bei Menschen mit geschädigtem Zentralnervensystem und Bewegungsapparat zumindest in Teilbereichen wieder zugänglich macht.
Im Vergleich dazu werden bei der Propriozeptiven Neuromuskulären Facilitation verschiedene Rezeptoren im Körper angesteuert.
Und wer zahlt es?
PNF ist ein anerkanntes Heilmittel, für das ein Kassenärztliches Rezept ausgestellt werden kann. Der Schlüssel dafür lautet ZNS KG PNF, wobei ZNS für Zentrales Nervensystem steht, KG für Krankengymnastik und PNF für Propriozeptive Neuromuskuläre Facilitation.
Zur Autorin/Expertin
Julia Hönicka arbeitet als Physiotherapeutin bei der (externer Link) Physiotherapiepraxis Liebich, Zentrum für Neurologie und Orthopädie, in Lobbach.
Die Praxis befindet sich in den Räumlichkeiten des Gesundheitszentrums der Manfred-Sauer-Stiftung und bietet ein umfangreiches Leistungsspektrum inklusive verschiedener Massagen und Osteopathie.
Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.
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