Sir Ludwig Guttmann: Förderer und Begründer
Vater für die Menschen mit Querschnittlähmung – so wird Ludwig Guttmann in der Querschnittszene genannt und in Großbritannien gibt es die Poppa Guttmann Foundation (Papa Guttmann Stiftung). Doch wer war Ludwig Guttmann?

Am 3. Juli 1899 in Oberschlesien geboren, machte er schon früh mit Querschnittlähmung Bekanntschaft. Allerdings auf eine unangenehme Art. Er war Volontär in einem Krankenhaus in Königshütte, das geprägt war vom Kohlebau. Dort wurde ein Minenarbeiter mit einer Rückenverletzung eingeliefert. Als Guttmann Notizen zu dem Patienten anfertigen wollte, bekam er die Ansage: Nicht um den Verletzten kümmern, der wird in wenigen Wochen sterben. Fünf Wochen später war der junge Kohlearbeiter verstorben – an Nierenversagen und Wundfieber. Dieses Erlebnis vergaß Guttmann sein ganzes Leben lang nicht.
Ein Einblick in die markanten Lebensabschnitte von Sir Ludwig Guttmann
- 1899 in Tobst/Oberschlesien geboren
- 1919-1924 studierte Guttmann Medizin an der Universität Freiburg
- 1924 kehrte er aus finanziellen Gründen nach Breslau zurück
- 1925 als Doktor der Medizin abgeschlossen
- 1927 heiratete er Else Samuel
- 1928 ging er nach Hamburg und arbeitete dort als Neurochirurg, später als Assistent von Otfried Foerster, seinem großen Lehrmeister.
- 1929 kehrte er als Chefarzt zurück nach Breslau und erhielt 1930 seinen Professor Titel. 1929 wurde Sohn Dennis und 1933 Tochter Eva geboren
- 1933, nachdem den jüdischen Medizinern nur noch erlaubt war, jüdische Menschen zu behandeln, wechselte Guttmann ans Jüdische Krankenhaus in Breslau. Schon zu diesem Zeitpunkt war Guttmann bekannt für die Behandlung Rückenmarksverletzter.
- 1934 übernahm er den Vorsitz der neu gegründeten Jüdischen Medizinischen Gesellschaft.
- 1938, nachdem viele Juden in Konzentrationslager gebracht wurden, hatte er erkannt, dass er Deutschland verlassen musste.
- 1939 gelang ihm nach einer Kontaktaufnahme zu der „Society of Protection and Learning“ die Ausreise nach Großbritannien. Mit Frau und Kindern, ohne einen Pfennig Geld in der Tasche. Die Society ermöglichte Medizinern, aus dem Deutschen Reich auszureisen. Dort arbeitete er dann mit Hilfe der Schutzorganisation als Neurochirurg in Oxford.
Der Neuanfang in Stoke Mandeville
- Die Todesrate querschnittgelähmter Menschen während des Weltkriegs lag bei ca. 80%. Die wenigen, die überlebten, waren als hoffnungslose „Krüppel“ arbeitsunfähig und ungewollt sowie zu einem Leben in Einrichtungen verurteilt, wo keine Hoffnung für ein lebenswertes Leben Bestand. Die Lebenserwartung nach Eintritt einer Querschnittlähmung betrug damals ca. drei Monate.
- 1943 veröffentlichte Guttmann eine Übersichtsarbeit zu der Frage, wie eine Behandlung von Menschen mit Querschnittlähmung aussehen und wie diese rehabilitiert werden müssten. Daraufhin wurde er angefragt, ob er ein Zentrum zur Behandlung querschnittgelähmter Menschen aufbauen möchte. Er akzeptierte diese Anfrage unter der Bedingung, die Behandlung und Rehabilitation nach seinen Prinzipien durchführen zu können.
- So entstand das 1944 die erste Abteilung für Rückenmarksverletzte in Stoke Mandeville.
- 1948 wurden die ersten „Stoke Mandeville Games“ für Menschen mit Querschnittlähmung durchgeführt. Die Vorläufer der Paralympics.
- 1951 wurde die Abteilung in Stoke Mandeville in Nationales Zentrum für Querschnittgelähmte umbenannt.
- 1952 wurden die ersten internationalen Stoke Mandeville Games für Menschen mit Querschnittlähmung mit niederländischer Beteiligung durchgeführt.
- 1960 fanden die Stoke Mandeville Games im Ausland statt. In Rom trafen sich im Olympiastadion 400 Teilnehmer aus 23 Nationen. Die Paralympischen Spiele waren geboren. Gleichzeitig gründete Guttmann die Britische Vereinigung für Behindertensport.
Krönung seines Lebenswerks
- 1961 gründete Guttmann auch die internationale Fachgesellschaft für Querschnittgelähmte (International Medical Society of paraplegia = IMSOP), die heute als International Spinal Cord Society (ISCOS) firmiert.
- 1966 adelt Queen Elisabeth ihn zum Ritter.
- 1976 wurde Guttmann in Royal Society aufgenommen.
- 1967 zog er sich aus dem Nationalen Querschnittzentrum zurück und ging in Pension. Stoke Mandeville hatte zu diesem Zeitpunkt 200 Patientenbetten.
- 1980 verstarb Sir Ludwig Guttmann im Alter von 80 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts.
Pionier der ganzheitlichen Rehabilitation
Sir Ludwig Guttmann ist weit über die Grenzen hinweg bekannt als Pionier der ganzheitlichen Rehabilitation Rückenmarksverletzter. So gibt es weltweit rund 40 Einrichtungen für Menschen mit Querschnittlähmung nach dem Prinzip von Stoke Mandeville.
Vor allem auf körperliche Aktivitäten legte Guttmann während des Rehabilitationsaufenthalts großen Wert. Muskelaufbau diente für Rollstuhlfahrer nicht nur der körperlichen Situation sondern auch dem psychischen Zustand. Und so wurde der Sport oder wie es früher hieß die körperliche Ertüchtigung in die Rehabilitation mit eingebunden. Auch mit dem Hintergedanken, Folgeerkrankungen zu vermeiden. Der Spirit von Stoke Mandeville lebt in vielen Einrichtungen für Menschen mit Querschnittlähmung weiter.
Namensgeber
In Heidelberg wurde die erste Querschnitteinrichtung 1966 unter dem Namen Ludwig Guttmann Heim eröffnet. In Barcelona steht das Guttmann Zentrum. Und in Karlsbad-Langensteinbach und in Ludwigshafen stehen die dortigen Querschnittzentren in nach ihm benannten Straßen. Weltweit findet man den Namen Ludwig Guttmann in Verbindung zu Einrichtungen für Menschen mit Querschnittlähmung oder in Verbindung zum Behinderten-Sport. So heißt beispielsweise die Sporthalle der Manfred-Sauer-Stiftung in Lobbach – Ludwig Guttmann Halle. Der Grund: Manfred Sauer, der Stifter der Manfred-Sauer-Stiftung, wurde nach einem Kopfsprung in die Themse in Stoke Mandeville bei Sir Ludwig Guttman rehabilitiert. Er hat diesem Arzt viel zu verdanken. Siehe: Manfred Sauer über Stoke Mandeville
Für eine filmische Kurzbiographie siehe: