Sitwake: Wassersport-Fans wollen Lust auf neuen Rollstuhl-Sport machen

Das SITwake-Germany Team ist laut Eigenbeschreibung eine „leidenschaftliche Crew von Wassersport-Verrückten“. Das Team will Sitwake, den namensgebenden neuen Rollstuhl-Sport, in Deutschland etablieren. Mit dabei ist die querschnittgelähmte Gerda Pamler. Ihre Augen leuchten, wenn sie von Sitwake erzählt: „Man sitzt auf einem modifizierten Wakeboard und spürt den Fahrtwind, das Spritzwasser im Gesicht und die Wellen unter dem Board. Die Kombination aus Speed und Action macht diesen Sport aus“.

Rollstuhl-Sport mit Speed: Sitwake macht offensichtlich Spaß – und pusht das Selbstvertrauen

„Hauptsache, es ist nicht zu langsam, und man hat ein Board oder Skier unter sich!“ – mit diesem Satz beschreibt Gerda Pamler recht griffig, worauf es ihr und den anderen Mitgliedern des Sitwake-Germany Teams beim Sport ankommt. Die querschnittgelähmte Spitzensportlerin hat sich vor allem im alpinen Para-Skisport einen Namen gemacht: Sie hat mehrfach im Monoski bei den Paralympics Medaillen gewonnen, darunter zweimal Gold und war Wasserski-Weltmeisterin und langjährige Weltrekordhalterin im Wasserski-Slalom.

Keine besonders meditative Sportart

Mit dem passenden Brett kann man aber auch prima im Sommer Sport treiben, der dynamisch ist. Pamler liebt Wasserski. In den 90er entdeckte sie diese schnelle Rollstuhl-Sportart für sich. Sie ist dieser Art von Rollstuhl-Sport treu geblieben – als aktive Sportlerin, aber auch als Funktionärin in der AG Wasserski / Sitwake im Deutschen Rollstuhl-Sportverband e.V. DRS (siehe externer Link: sitwake.de).

Nun ist Wasserski an sich ja schon keine besonders meditative Sportart. Aber wenn man den langen Mono-Wasserski durch ein kürzeres und damit wendigeres Wakeboard ersetzt, ist noch mehr Abwechslung möglich.

Wakeboards sind auch für Tricks und Sprünge gemacht. Die adaptierte Variante für Rollstuhlfahrer ist mit einem Rahmen und Sitz ausgestattet und nennt sich Sitwake. In diesem Fall gleitet man sitzend übers Wasser, dreht ein paar Runden an der Seilbahn oder wagt sich an Drehungen und Sprünge über Hindernisse.

Push fürs Selbstvertrauen

Sport und Kameradschaft sind ihr wichtig: Pamler bei einem Ausflug in den Bergen

Ihre eigenen Erfahrungen spielen dabei eine wichtige Rolle. „Ich finde Sport so wichtig. Nicht nur wegen der körperlichen Effekte“, sagt Gerda Pamler. „Ich bin seit 38 Jahren querschnittgelähmt. Nach der Reha hat mir der Sport sehr geholfen, vor allem der Kontakt zu anderen, die in einer ganz ähnlichen Situation wie ich waren. Von den anderen lernt man, wie man mit den Behörden und Behinderung umgeht.“

Sport und sportliche Kameradschaft haben auch ihr Selbstbewusstsein gepusht: „Ich habe gemerkt, dass ich nach vorne schauen muss. Nicht mehr darauf achten, was nicht geht, sondern darauf, was geht! Wenn ich gesehen habe, wie einer mit meiner Lähmungshöhe ganz leicht einen Transfer hinbekommen hat, dachte ich mir, dass ich das doch auch können müsste! Das hat mich auch angespornt.“

Nicht nur beim Sitwake: Beim Rollstuhl-Sport ist das Zusammen ist wichtig

Aber auch der integrative Aspekt ist ihr – beim Skifahren genauso wie beim Wasserski und nun eben beim Sitwake – wichtig: „Wenn man die Technik erst einmal beherrscht, kann man auch wieder mit seinen alten Freunden was unternehmen und zum Beispiel an einer Wasserski-Anlage einen schönen Tag verbringen“, sagt sie.

Diese Mischung aus Freiheit, Gemeinschaft und Spaß möchte sie vielen querschnittgelähmten Menschen näherbringen. Sie rührt deshalb fleißig die Werbetrommel für das SITtwake-Germany Team, das sich selbst auf seiner Homepage als „Crew von Wassersport-Verrückten“ beschreibt, „die nicht nur auf Wakeboarden und Wasserski unterwegs sind, sondern auch auf jede Menge andere Wassersportarten abfahren!“

Sitwake-Camps als Starthilfe

Aber vor der Freiheit steht das Lernen. Deshalb organisiert das SITwake-Germany Team Camps, bei denen Menschen mit einer Einschränkung die neue Sportart kennenlernen können. Geübt wird an einer Wakeboardanlage.

Wer bei diesen Camps aufs Wasser geht, wird begleitet, wenn er/sie das wünscht. Sollte ein Teilnehmender stürzen, stehen jederzeit Helfer bereit. Und stürzen werden die Teilnehmenden am Anfang öfter.

Denn allein der Start mit dem Sitwake-Board wird nicht gleich klappen.  „Wenn dann aber jemand endlich den ersten Start hinbekommen hat, jubeln alle mit ihm mit!“ – und danach kann der Spaß auf dem Wasser beginnen. Fällt man in den Kurven ins Wasser, steht bei den Camps ein Boot zur Verfügung, das den Sportler wieder zurück zum Startsteg bringt.

Die Veranstalter selbst beschreiben den Spirit der Camps so: „Ob du ein Anfänger, ein Profi oder irgendwo dazwischen bist – egal! Bei uns ist jeder herzlich willkommen, gemeinsam mit uns das nasse Abenteuer zu rocken. Wir schaffen eine megacoole, inklusive Atmosphäre, in der Wassersport-Fans mit unterschiedlichsten Skills und Hintergründen gemeinsam am Start sein können, sei es an der Bahn oder in freier Wildbahn.“

Veranstalter ist jeweils der Deutsche Rollstuhl-Sportverband DRS. Termine, Anmeldung und weitere Informationen: SITwake-Germany

Alternative: Ausleger-Ski

Sitwake ist eine feine Sache für viele, die Rollstuhl-Sport auf dem Wasser lieben, aber nicht alle können sie ausüben. Für Menschen mit hoher Lähmung hat Pamler als Alternative zum Sitwake-Board einen Wasserski mit Auslegern nachbauen lassen, den sie in den USA gesehen hatte. Mit seiner Hilfe sind auch schon inkomplette Tetraplegiker Wasserski hinter dem Boot gefahren, vorausgesetzt, gewisse Grundfunktionen sind noch vorhanden: „Oft genügt es, wenn jemand noch in einer Hand so viel Kraft und Funktion hat, dass er die Hantel festhalten und vor allem auch loslassen kann“, sagt Pamler.

So komme fast jeder sehr schnell zu dem Punkt, an dem er sein erstes Erfolgserlebnis hat. Auch Kinder haben damit sofort ein Erfolgserlebnis, wenn sie an einer kurzen Übungsseilbahn mit dem Ausleger-Ski fahren. Es gibt eine Auswahl an kleinen Sitzschalen.

Zum Ausgleich Kunst

In ihrer restlichen Freizeit treibt Pamler selbst aktiv Sport: Sie fährt Wasserski und Kajak und ist viel mit ihrem Handbike unterwegs, manchmal, wenn es in die Berge geht, auch mit einem Zuggerät. Das alpine Skifahren macht sie nicht mehr oft, „aber das macht nichts, jetzt gehe ich mehr Langlaufen.“

Daneben findet sie Zeit für ihre zweite große Leidenschaft: ihre Malerei, über die sie auf einer eigenen Webseite informiert: Kunst | Gerda Pamler, Faszination Malen

Menschen mit Mobilitätseinschränkungen, die Lust haben, den Rollstuhl-Sport Sitwake (oder Wasserski) auszuprobieren, können sich auf folgenden Seiten informieren:

Informationen über andere rollstuhl- beziehungsweise querschnitttaugliche Wasser-Sportarten gibt es in der Kategorie Sport: Wassersport – Der-Querschnitt.de.


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