Verhütung bei Querschnittlähmung: Thrombose-Risiko steht im Vordergrund
Eine – traumatische – Querschnittlähmung hat keinen Einfluss auf die weibliche Fruchtbarkeit. Weshalb für viele querschnittgelähmte Frauen das Thema Verhütung von großem Interesse ist. Bei der Suche nach dem passenden Präparat oder der geeigneten Methode zur Vermeidung einer unerwünschten Schwangerschaft spielt das damit verbundene Thrombose-Risiko eine große Rolle, da es bei querschnittgelähmten Menschen ohnehin erhöht ist.

Querschnittgelähmte Frauen können normalerweise ohne Probleme schwanger werden und eine glückliche Schwangerschaft erleben – wenn sie das wollen. Aber nicht jede Frau will Mutter werden. Zudem sprechen in vielen Fällen medizinische und/oder psychologische Gründe gegen eine Schwangerschaft kurz nach Eintritt der Querschnittlähmung. Manchmal ist es ratsam, mit der Schwangerschaft noch einige Zeit zu warten und kontrazeptive Maßnahmen zu ergreifen. Sprich: Zu verhüten.
Denn auch wenn nach Eintritt einer traumatischen Querschnittlähmung die Periode bis zu zwölf Monate ausbleiben kann, heißt das nicht, dass die Frau in dieser Zeit nicht empfängnisbereit ist –der Eisprung kann nach wie vor stattfinden (für weiterführende Informationen siehe Beitrag Schwangerschaft bei Querschnittlähmung).
„Schwangerschaft gut vorbereiten“
Die Leitlinie „Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bei Frauen mit Querschnittlähmung“ (Deutschsprachige medizinische Gesellschaft für Paraplegie, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) betont, dass eine Schwangerschaft bei Frauen mit Querschnittlähmung „gut vorbereitet und geplant werden sollte“, weshalb gegebenenfalls eine Kontrazeption bis zum optimalen Zeitpunkt erforderlich sei.
Das gilt auch für Frauen, die vor kurzem Mutter geworden sind. Dieselbe Leitlinie weist darauf hin, dass die Phase der ovariellen Funktionsruhe zwar bei einigen Frauen bis zu 2 Jahre andauern, die junge Mutter also nicht erneut schwanger werden könne. Die Schwangerschaftsrate nach 6 Monaten liege bei 0,9%, nach 12 Monaten allerdings bereits wieder bei 17%, „so dass kontrazeptive Maßnahmen durchaus besprochen werden müssen“. Im Durchschnitt finde der erste Eisprung bereits 45 Tage nach der Entbindung statt. Da „Wochenbett und Stillzeit keinen sicheren Verhütungsschutz darstellen, sollte sowohl im Wochenbett als auch in der Stillzeit auf eine sichere Kontrazeption“ gemäß den unten vorgestellten Empfehlungen geachtet werden.
Thromboserisiko steht im Vordergrund
„Bei der kontrazeptiven Beratung steht das jeweilige Thromboserisiko der empfohlenen Maßnahme ganz im Vordergrund, da allein aufgrund der Querschnittlähmung ein erhöhtes Risiko für eine Thrombose besteht.“ (Zum Thema Thrombose siehe die Beiträge Leitlinie: Thromboembolie-Prophylaxe bei Querschnittlähmung sowie Thrombose bei Querschnittlähmung: Entstehung, Risikofaktoren, Prophylaxe.)
Prinzipiell stünden querschnittgelähmten Frauen alle hormonellen Applikationen zur Verfügung, aber die Experten geben zu bedenken: „Problematisch beim Einsatz von kombinierten Kontrazeptiva ist das Thromboserisiko, welches im Vergleich zu nicht hormonellen oder östrogenfreien Kontrazeptiva um den Faktor 2 bis 6 erhöht ist.“ In Kombination mit dem querschnittbedingt erhöhten Thromboserisiko nicht unbedingt die erste Wahl. Weshalb grundsätzlich, so die Experten, das Kontrazeptivum mit dem geringsten Thromboserisiko bevorzugt werden sollte.
Die Leitlinie nennt einige Präparate und Methoden, die – immer in Absprache mit dem behandelnden Arzt – zur Empfängnisverhütung bei Querschnittlähmung geeignet sein könnten.
Hormonelle Methoden
- gestagenhaltige Oberarm-Implantate. (Gestagen ist eines der weiblichen Sexualhormone. Bei der Verhütung kommen meist synthetische Varianten zum Einsatz.)
- intrauterine (liegen innerhalb der Gebärmutter), kupferhaltige Pessare
- gestagenhaltige Pessare
Wichtige Einschränkung: Pessare können bei Frauen mit einer Querschnittlähmung oberhalb von T6 durch die Einlage und Manipulation zu einer Autonomen Dysreflexie führen!
- Etonogestrel-Implantate (synthetisches Progestogen, wird häufig in Verhütungsstäbchen oder Verhütungsringen angewandt)
- orale Desogestrel-75 Mikrogramm-Präparate.
In Einzelfällen ohne weitere Risikofaktoren und bei regelmäßiger Mobilisation könnten auch kombinierte Kontrazeptiva gegeben werden, also Anti-Baby-Pillen mit zwei Wirkstoffen. Hier nennt die Leitlinie zum Beispiel ein Präparat, bei dem ein niedrig dosierten (20 Mikrogramm) Ethinylöstradiol und ein Gestagen kombiniert sind – natürlich immer nach enger Absprache mit dem behandelnden Arzt und einem ausgiebigen Blick auf mögliche Indikationen.
Alternative Methoden
Wer auf Implantate oder die Einnahme von Präparaten verzichten möchte, kann hat einige Methoden zur Auswahl:
- Temperaturmethode und Beobachtung des Zervixschleimes (Schleim, der sich vor dem Muttermund befindet: Im Laufe des Zyklus verändert er seine Konsistenz, was m.E. Rückschlüsse auf die Fruchtbarkeit zulässt)
- Spermizide Gleitgele, die Spermien abtöten
- Kondome (Wichtiger Hinweis, gerade für Frauen mit Spina bifida, einer Erkrankung, die häufig mit Latex-Allergien einhergeht: Potenzielle Latex-Allergie beachten!)
Die oben genannten Methoden verlangen, das betonen die Verfasser der Leitlinie, „durchgehend Disziplin und Sorgfalt“. Sie weisen darauf hin, „dass diese alternativen Kontrazeptionsmethoden unsicherer sind und individuell auf die jeweilige Situation der Frau bzw. des Paares abgestimmt werden müssen.“ Als Beispiel seien Temperaturmethode und Zervixschleim-Beobachtung genannt: Diese Methoden haben laut Leitlinie einen relativ hohen Pearl-Index zwischen 3 und 5 (gibt die Zuverlässigkeit der Verhütungsmethode an). Zum Vergleich: Relativ sichere Methoden wie Pille oder Hormon-Spirale haben einen Pearl-Index von 0,1 bis 0,9, beziehungsweise von 0,16.
Empfohlene Methoden
Als Empfängnisverhütung bei Querschnittlähmung empfehlen die Experten nach Vergleich der oben genannten Präparate und Methoden
- Desogestrel 75 Mikrogramm Präparate
- Hormonhaltige Intrauterine Pessare
- Gestagenhaltige Stäbchen (Implantate)
- In Einzelfällen: Kombinierte Kontrazeptiva
Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.
Der-Querschnitt ist ein Informationsportal. Die Redaktion ist nicht dazu berechtigt, individuelle Beratungen durchzuführen.