Leben mit Querschnittlähmung: Der Kauf eines Wohnmobils kann Blick in den Führerschein erforderlich machen

Hans J. und seine Frau wollten im Urlaub frei und mobil sein und schafften sich dafür ein Wohnmobil mit passender behinderungsgerechter Ausstattung an. Endlich konnte auch er ein Wohnmobil selbst fahren! Alles prima, bis ein Blick in den Führerschein die Reiselust abrupt stoppte: Im aktuellen Führerschein war die entsprechende Berechtigung nicht eingetragen worden. Der Paraplegiker fand eine äußerst unbürokratische Lösung: Er redete mit den Leuten.

Das Zünglein an der Waage: Der Lift sorgte dafür, dass das Gewichtslimit überschritten wurde

Wieso die beiden sich ein Wohnmobil anschaffen wollten und welche bürokratischen Hürden sie bis zur ersten Fahrt überwinden mussten, wird im nachfolgenden Erfahrungsbericht von Hans J. erzählt:

Mobilität

Mobilität kann auf unterschiedliche Art erreicht werden. In den zurückliegenden Jahren war es u.a. auch die Mobilität mit dem Pkw, dem Hand-Bike und dem Quad. Mit dem Wohnmobil sollte die Barrierefreiheit auf Reisen erreicht werden. Während die Erfahrungen bezogen auf Hotels trotz vorheriger Abstimmung nicht immer positiv waren, bietet ein Wohnmobil die Gewissheit, dass die erforderlichen Dinge an Bord sind und damit mehr Unabhängigkeit erreicht werden kann.

Nachdem ich mit meiner Frau bereits mehrere Jahre von dem begrenzt vorhandenen Mietangeboten von Wohnmobilen Gebrauch gemacht hatte, kam ein eigenes Wohnmobil auf den Hof. Dieses auch, da die behindertengerechten Miet-Wohnmobile nicht für Selbstfahrer ausgestattet waren.

Aber in diesem Zusammenhang geriet der Führerschein in den Blick, da das Fahrzeug aufgrund der behinderungsbedingten Ausstattung von 3,5 auf 4,5 Tonnen aufgelastet wurde.

Das Wohnmobil

Das Selbstfahrer-Cockpit des Wohnmobils

Im Jahr 2022 schafften wir ein Wohnmobil an, welches bereits individuell umgerüstet war. Auch ein Lift war schon vorhanden. Das Wohnmobil konnte also – auch bedingt durch die veränderte Türbreite – problemlos mit dem Rolli bestiegen werden.

Durch den Transfer vom Rolli auf den Beifahrersitz und von da auf den Fahrersitz konnte es losgehen. Endlich konnte ich dank Gasring und der von Hand zu bedienenden Bremse ein Wohnmobil selbst fahren!  Leider musste die Dusche aufgrund der veränderten Türbreite ausgebaut werden. Dies ist aber durch die auf den Campingplätzen vorhandenen Sanitäranlagen problemlos kompensierbar.

Um auch das Hand-Bike im Urlaub zu nutzen, wurde in der Heckgarage des Wohnmobils eine elektrische Teleskop-Hebe-Vorrichtung installiert. Dadurch ist es auf Knopfdruck möglich, das Hand-Bike und ein Zweirad mühelos zu verladen.

Der Führerschein

Ursprünglich verfügte ich über den grauen Führerschein (Klasse 3) mit verschiedenen Eintragungen der behinderungsbedingt erforderlichen Ausstattung auf der Rückseite. Damit durfte ich Fahrzeuge mit einem zulässigen Gesamtgewicht von bis zu 7,5 Tonnen führen.  Beim Übertragen des Führerscheins in das Scheckkartenformat wurden – was erst später aufgefallen ist – nicht alle Berechtigungen übertragen. Statt der Führerscheinklasse C1 (Lkw bis 7,5 Tonnen) hatte ich einen Führerschein der Klasse B (zum Führen von Fahrzeugen mit einer zulässigen Gesamtmasse von nicht mehr als 3,5 Tonnen).

Die Folge des Übertragungsfehlers: Mir war es erst einmal nicht möglich, mein Wohnmobil zu führen. Denn dieses war aufgrund der behinderungsbedingten Ausstattung (insbesondere Lift) von 3,5 auf 4,5 Tonnen aufgelastet worden.

Was tun? Ein Widerspruch wäre mangels Rechtsbehelfsbelehrung binnen Jahresfrist einzulegen gewesen. Die Frist war unzweifelhaft verstrichen und eine Klage – wenn überhaupt – nur unter sehr eingeschränkten Möglichkeiten (z.B. im Wege einer Verpflichtungsklage) zulässig.

Um eine Lösung herbeizuführen war es zunächst naheliegend, einen Führerschein der Klasse C1 zu erwerben. Nur – was würde dies losgelöst von den Kosten bedeuten? Es fand sich weit und breit keine Fahrschule, die für Menschen mit Handicap eine C1-Prüfung im Programm hatte. Ein Lkw bzw. ein Fahrzeug mit einer Gesamtmasse von mehr als 3.500 Kilogramm stand als Fahrschulfahrzeug nicht zur Verfügung. Selbst der Landes-Fahrlehrerverband hatte keine Lösung parat. Zwei auf Menschen mit Handicap spezialisierte Fahrschulen konnten auch nicht weiterhelfen.

Nach intensiven und länger andauernden Gesprächen ergab sich aber eine Lösung im Zusammenwirken mit der zuständigen Zulassungsstelle. Es wurde in der Rubrik C1 des Führerscheins die Schlüsselzahl 50 „Beschränkung auf ein Fahrzeug“ und die Fahrzeug-Identifizierungsnummer des Wohnmobils eingetragen. Zusätzlich wurde in den Bescheid die Begründung aufgenommen: „Nach dem hier vorliegenden Sachverhalt sind Sie unter Einhaltung der oben genannten Beschränkung geeignet, ein Kraftfahrzeug der Klasse C1 im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.“

In anschließenden Gesprächen zu vergleichbaren Fällen wurde deutlich, dass es in derartigen Angelegenheiten in den zuständigen Stellen der öffentlichen Verwaltung unterschiedliche Ansätze gibt. Es bietet sich aus meiner Erfahrung daher an, mit den zuständigen Stellen ins Gespräch zu gehen und eine Lösung z.B. im Rahmen einer Ermessensentscheidung zu erreichen.

Darüber hinaus ist mir mittlerweile bekannt geworden, dass es zumindest in Nordrhein-Westfalen eine Fahrschule gibt, die über einen behinderungsgerechten Lkw als Fahrschulfahrzeug verfügt (Anmerkung der Redaktion: Dabei handelt es sich um (externer Link) die Fahrschule-Schopphoven.de, die ein rollstuhlgerechtes, mit Lifter ausgestattetes Ausbildungs-/Prüfungsfahrzeug für den C1, bzw. C1e-Führerschein hat.)

Fazit

Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass Mobilität nicht immer ein Selbstgänger ist, da Regelungen der öffentlichen Verwaltung den Rahmen vorgeben. Oftmals lassen sich Lösungen finden, wenn auf beiden Seiten die Bereitschaft dazu besteht.


Die Redaktion dankt Hans J. (voller Name der Redaktion bekannt) herzlich für diesen Erfahrungsbericht!

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