Pflegegrad beantragen: Voraussetzungen, Vorgehensweise, Ansprechpartner

Menschen mit Querschnittlähmung und anderen Beeinträchtigungen, die Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen wollen, müssen einen Pflegegrad beantragen. Ein Überblick über die wichtigsten Voraussetzungen, Ansprechpartner und formale Steps auf dem Weg zum Erstantrag.

Ansprechpartnerin, wenn es um Leistungen geht, ist meist die Pflegekasse

Als pflegebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches (Elftes Buch – Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) gelten Menschen, „die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen. Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Beeinträchtigungen oder gesundheitlich gedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können. Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate … bestehen.“ Festgelegt wird der individuelle Pflegegrad nach dem sogenannten Begutachtungsinstrument des Medizinischen Dienstes. § 15 SGB XI des Sozialgesetzbuchs schildert es detailliert: § 15 SGB 11 – Einzelnorm (gesetze-im-internet.de), siehe auch Beitrag Pflegegrade: Ein Überblick – Der-Querschnitt.de.

Die meisten Menschen mit Querschnittlähmung dürften sich in einigen Punkten dieser Definition wiederfinden – und damit Anrecht auf einen Pflegegrad besitzen. Diesen Anspruch besitzen sie jedoch nur, wenn sie in den letzten zehn Jahren vor der Antragstellung zwei Jahre als Mitglied in die Pflegekasse eingezahlt haben oder familienversichert waren.

Step 1: Der Antrag

Zuständig für den Pflegegrad und die damit verbundenen Leistungen ist die Pflegekasse. Sie ist jeweils bei der Krankenversicherung angesiedelt, bei der der Antragsteller versichert ist. Auch für Menschen, die eine private Pflegezusatzversicherung abgeschlossen haben, ist die gesetzliche oder private Pflege-/Krankenkasse die erste Ansprechpartnerin, wenn es um die Feststellung des Pflegegrades geht. Alternativ kann man sich auch an einen Pflegestützpunkt in Wohnortnähe wenden.

Die Antragstellung selbst läuft relativ einfach. Sie ist per Telefon, im persönlichen Gespräch in der Geschäftsstelle der Krankenversicherung oder digital möglich. Die meisten Krankenkasse bieten auf ihren Internetseiten oder im Mitglieder-Forum entsprechende Vordrucke an.

Den Antrag kann man selbst stellen, aber ausgestattet mit einer Vollmacht können dies auch Familienangehörige, Nachbarinnen und Nachbarn oder gute Bekannte erledigen.

Gut zu wissen


  • Auf den Seiten der Landesverbände der Pflegekassen gibt es Vergleichslisten über Leistungen und Preise von zugelassenen Pflegeeinrichtungen sowie über Angebote zur Unterstützung im Alltag. Diese Listen können bei Antragstellung auch direkt bei der Pflegekasse angefordert werden.
  • Mit Antragstellung haben Betroffene und ihre Angehörigen Anspruch auf eine Pflegeberatung, die innerhalb von zwei Wochen nach Antragstellung durchzuführen ist. Die Pflegeberatung kommt auf Wunsch nach Hause oder kann digital konsultiert werden.
  • Bei allen Fragen können Betroffene sich an die Pflegeberater ihrer Pflegekasse oder an die Mitarbeiter der Pflegestützpunkte vor Ort wenden. Auskunft gibt auch das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) unter Telefon 030 3406066-02.
  • Weitere Tipps und die komplette „Checkliste: Erstantrag auf Pflegeleistungen“ gibt es auf den Seiten des Bundesgesundheitsministeriums: Pflegebedürftig – was nun? (bundesgesundheitsministerium.de)

Step 2: Prüfung der Ansprüche

Sobald der Antrag eingegangen ist, lässt die Pflegekasse die Ansprüche, beziehungsweise den Grad der Pflegebedürftigkeit, überprüfen. Dazu beauftragt sie den Medizinischen Dienst oder andere unabhängige Gutachterinnen oder Gutachter. Diese erstellen ein entsprechendes Gutachten.

Bei knappschaftlich Versicherten wird der Sozialmedizinische Dienst (SMD) eingeschaltet, wer privat versichert ist, stellt den Antrag ebenfalls bei seiner Versicherung. Diese beauftragt in der Regel Gutachterinnen oder Gutachter des medizinischen Dienstes der privaten Pflege-Pflichtversicherung (Medicproof) mit der Begutachtung.

Da von der Einschätzung des Gutachters die künftige Unterstützung abhängen kann, empfiehlt es sich, sich gut auf den Termin vorzubereiten. Mehr dazu im Beitrag Pflegegutachten: So bereitet man sich auf den Gutachter-Besuch vor.

Für die Feststellung der Pflegebedürftigkeit (oder eine Ablehnung des Antrags) haben Gutachter und Pflegekasse 25 Arbeitstage Zeit. Kürzere Fristen gelten bei einigen Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn die weitere Versorgung nach einem Aufenthalt in einer stationären Rehabilitationseinrichtung gesichert werden muss.

Erteilt die Pflegekasse den schriftlichen Bescheid über den Antrag nicht innerhalb der oben genannten Fristen, muss sie übrigens für jede nach Fristablauf begonnene Woche 70 Euro (Stand: März 2024) an den Antragsteller zahlen. Ausnahmen: Die Verzögerung liegt nicht in der Verantwortung der Pflegekasse oder der Antragsteller hat mindestens Pflegegrad 2 und befindet sich in vollstationärer Pflege.

Step 3: Prüfen, Akzeptieren oder Widerspruch einlegen

Damit der Antragsteller die Entscheidung der Pflegekasse nachvollziehen kann, wird ihm das Gutachten automatisch zugesandt. Zusätzlich erhält er – und falls gewünscht auch Personen seines Vertrauens – die gesonderte Präventions- und Rehabilitationsempfehlung, die bei der Begutachtung erstellt wurde.

Gibt es an der Entscheidung der Pflegekasse nichts zu meckern, muss der Antragsteller der Entscheidung aktiv zustimmen – und das Antragsverfahren auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation kann beginnen. Sprich: Die Pflegekasse gibt ihre Entscheidung an den zuständigen Rehabilitationsträger weiter. Parallel dazu leitet die Pflegekasse eine Mitteilung über empfohlene Heilmittel an die behandelnde Ärztin oder den behandelnden Arzt weiter – aber auch das nur, wenn der Antragsteller zustimmt.

Sollte der Antragsteller mit der Entscheidung der Pflegekasse nicht einverstanden sein, kann er Widerspruch einlegen. Denkbar sind zwei Gründe: Der Antrag wird abgelehnt – oder der Pflegegrad fällt geringer aus, als es sich der Betroffene erhofft hatte.

Auch dabei gilt es, Fristen zu beachten: für den Widerspruch hat man einen Monat (ab Zustellung des Bescheids Zeit). Die Verbraucherzentrale weist in diesem Zusammenhang auf ein wichtiges Detail hin: „Hierauf muss die Pflegekasse in ihrem Bescheid hinweisen. Das nennt man Rechtsmittelbelehrung. Fehlt im Bescheid ein Hinweis auf die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen, beträgt die Frist ein Jahr.“

Erneute Prüfung

Und noch ein wichtiger Hinweis: Der Widerspruch darf nicht per E-Mail gesendet werden, sondern per Einschreiben mit Rückschein oder per Fax. Nur so kann rechtsgültig bewiesen werden, dass man fristgerecht Widerspruch eingelegt hat. Auf Pflegegrad abgelehnt? So wehren Sie sich mit Widerspruch und Klage stellt die Verbraucherzentrale übrigens ein Musterschreiben zur Verfügung.

Nach Eingang des Widerspruchs wird der Antrag erneut geprüft – entweder anhand der Aktenlage oder durch einen erneute Gutachterbesuch.

Letzter Weg: Die Klage

Bringt auch dieser Step keine Lösung, mit der der Antragsteller einverstanden ist, bleibt ihm noch die Klage beim Sozialgericht – für die ebenfalls eine 1-Monats-Frist gilt. Auch für diesen Fall hat die Verbraucherzentrale auf ihren Seiten einen Musterbrief zum Download veröffentlicht, gegebenenfalls könne man sich jedoch auch bei der Geschäftsstelle des Sozialgerichts bei der Ausformulierung und Aufnahme der Klage unterstützen lassen.

An den Kosten sollte eine derartige Klage selten scheitern: Sie ist meist kostenfrei. Weiterführende Informationen über Klagen am Sozialgericht gibt es in den Beiträgen Verfahren vor dem Sozialgericht – Der-Querschnitt.de sowie Die Sozialgerichte in Deutschland – Der-Querschnitt.de.


Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Unter keinen Umständen ersetzt er jedoch eine rechtliche oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch eine juristische Fachperson oder Menschen mit Qualifikationen in den entsprechenden Fachbereichen, z.B. Steuerrecht, Verwaltung.

Der-Querschnitt.de führt keine Rechtsberatung durch.

Ob und in welchem Umfang private Krankenkassen die Kosten für Hilfsmittel, Therapien o.ä. übernehmen, ist individuell in der jeweiligen Police geregelt. Allgemeingültige Aussagen können daher nicht getroffen werden.