Elternschaft mit Querschnittlähmung: Lernen, die Grenzen neu zu akzeptieren
Der Alltag mit Baby oder Kind ist für Mütter und Väter mit Querschnittlähmung nicht immer leicht zu wuppen. Zum einen gibt ihr Körper ihnen Grenzen des Machbaren vor, zum anderen bremsen Barrieren in der Umwelt sie mitunter aus. Und schließlich stehen sie auch vor einer inneren Herausforderung: Sie müssen lernen, die Grenzen, die ihnen durch ihre Behinderung gesteckt werden, neu zu akzeptieren.

Für ein Kind Verantwortung zu tragen, bedeutet vielfach auch, sich seiner Grenzen bewusst werden zu müssen
Vor welchen psychischen Herausforderungen querschnittgelähmte Eltern stehen, thematisiert die 2024 neu aufgelegte Leitlinie „Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bei Frauen mit Querschnittlähmung“ in Kapitel 8. Wie es der Titel vermuten lässt, sind die Empfehlungen der Leitlinie an Mütter adressiert, aber viele Aspekte sind durch aus auch für Väter relevant. Auf diesen Aspekten liegt der Fokus dieses Beitrags.
Neue Grenzen, neue Barrieren
„Meist haben die Frauen die Einschränkungen, die ihre Behinderung im Alltag mit sich bringt, für sich angenommen und Lösungen für sich gefunden. Nun als Mutter für ein Kind Verantwortung zu tragen, bedeutet vielfach, mit neuen/anderen Grenzen bzw. Barrieren konfrontiert zu sein“, skizzieren die Leitlinien-Autoren diese Herausforderungen.
Die Leitlinie nennt einige Szenarien, in denen einer querschnittgelähmten Mutter ihre körperlichen Grenzen bewusst werden können. Zum Beispiel, wenn sie ihr Baby nicht selbst zum Stillen anlegen oder ihr Kind nicht selbst zum Trösten hochnehmen kann, wenn es sich weh getan hat.
Hinzu kommen Grenzen, die durch äußere Rahmenbedingungen aufgebaut werden: Die Mutter möchte mit dem Kind „Spielplätze besuchen und muss feststellen, dass sie hier nur am Rand stehen kann, da der Untergrund aus Sand besteht (siehe Beitrag Stück zum Glück: Inklusive Spielplätze – Der-Querschnitt.de). Auch Räume, in denen Mutter-Kind-Kurse und ähnliche Veranstaltungen stattfinden, sind häufig nicht barrierefrei zugänglich“, nennt die Leitlinie zwei Negativ-Beispiele aus dem Alltag von Rollstuhlnutzern mit Kindern.
Wut und Hilflosigkeit als Teil des Akzeptanz-Prozesses
Auch wenn den betroffenen Frauen größtenteils schon vor der Geburt bewusst gewesen sei, „auf was sie sich einstellen müssen, können solche Situationen Trauerreaktionen, Wut und/oder ein Gefühl der Hilflosigkeit hervorrufen.“ Diese Gefühle gehören zum manchmal vermutlich schmerzhaften Prozess der Akzeptanz. Helfen könne der Austausch mit anderen Müttern mit Querschnittlähmung oder Behinderung und ein wohlwollender Blick auf sich selbst. Wer den inneren Kritiker beherzt zur Seite kickt, macht den Blick frei auf die eigenen Stärken und mütterlichen Qualitäten.
Wenn die negativen Gedanken und Selbstzweifel nicht weichen wollen, raten die Autoren der Leitlinie dazu, sich psychologische Unterstützung zu suchen, wie sie zum Beispiel viele Querschnittgelähmten-Zentren anbieten (siehe Beitrag Kliniken zur Behandlung von Querschnittlähmungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz – Der-Querschnitt.de). Die Experten betonen: „Dem Bedürfnis nach Hilfe von außen sollte unbedingt nachgekommen werden.“
Umfangreiche Kontaktliste
Folgerichtig enthält die neue Ausgabe der Leitlinie als Service erstmals auch einen Anhang mit einer sehr umfangreichen Liste mit Kontaktstellen für querschnittgelähmte Schwangere bzw. querschnittgelähmte Frauen mit Kinderwunsch sowie für querschnittgelähmte Eltern.
Ebenfalls neu aufgenommen wurde eine themenspezifische Hilfsmittelliste mit Babybetten, Autositzen, Stillkissen und ähnlichem.
Auch einige Beiträge auf Der-Querschnitt.de stellen Hilfsmittel vor, die es Müttern und Vätern mit Querschnittlähmung erleichtern, beziehungsweise ermöglichen, ihr Kind zu versorgen:
- Fünf Dinge, die (werdende) Eltern mit Querschnittlähmung wissen sollten – Der-Querschnitt.de
- Höhenverstellbar und unterfahrbar: Wickeltische, an denen Eltern im Rollstuhl und im Stehen das Baby versorgen können – Der-Querschnitt.de
- Rollstuhladapter für Einkaufstaschen, Fotoausrüstung, Kindersitze… – Der-Querschnitt.de
- Wenn der Nachwuchs mitfahren soll – Kindervorspannwagen und Co. – Der-Querschnitt.de
Eine große Hilfe kann auch eine Elternassistenz sein. Wer bedingt durch eine Querschnittlähmung sein Kind nicht alleine versorgen kann, kann sich mit ihrer Hilfe selbstbestimmt um das Wohl und die Erziehung des Kindes kümmern (siehe Beitrag Elternassistenz für Menschen mit Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de
Die Leitlinie „Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett bei Frauen mit Querschnittlähmung“ entstand unter der Federführung der Deutschsprachigen Medizinischen Gesellschaft für Paraplegiologie e.V. (DMGP) und der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG). Sie steht online hier zum kostenfreien Download zur Verfügung.
Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.
Der-Querschnitt ist ein Informationsportal. Die Redaktion ist nicht dazu berechtigt, individuelle Beratungen durchzuführen.