Leben mit Querschnittlähmung: Gitarrist Eric Howk kämpft für „Representation“ – auf der Bühne und vor der Bühne
Eric Howk scheint ein verdammt zäher Brocken zu sein. Ach nein, vielleicht sollte man besser sagen: Eric Howk hat ein signifikant ausgeprägtes Resilienz-Potenzial. Nein, das trifft es auch nicht. Vielleicht hat der Mann aus Wasilla, Alaska, einfach nur Lust aufs Leben und keine Lust, aufzugeben?

Wer weiß, vielleicht ist es auch eine Mischung aus allem. Auf jeden Fall ist der Paraplegiker als Gitarrist der Band „Portugal. The Man“ ein Star und als Mensch, der etwas verändern will, ein Vorbild. Auch, weil er manchmal beeindruckend ehrlich ist.
Zum Start sollten Sie sich das untenstehende Video ansehen und sich 2:50 Minuten Zeit nehmen, um den Song in voller Länge anzuhören, mit dem Howk und seine Band Portugal. The Man (PTM) weltberühmt wurden: „Feel It Still“. Auch wer den Namen der Band nicht kennt – das Grammy-dekorierte Lied kennt vermutlich jeder.
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Mehr InformationenUnd nun, mit dem Ohrwurm im Kopf, können wir uns näher mit dem Gitarristen von PTM befassen. 2007 ist Howk noch Mitglied der Band „The Lashes“. Auf einer Party lehnt er sich an eine Mauer. Diese stürzt ein, er fällt rücklinks in eine Baugrube. Seither ist er auf Höhe T4 querschnittgelähmt.
Erster Meilenstein: Das erste Konzert nach dem Unfall
Noch auf der Intensivstation greift er wieder zur Gitarre. Dem Magazin „New Mobility“ erzählt er später: „Ich wusste, dass sie (seine Musiker-Freunde, Anmerk. der Red.) zu Besuch kommen würden. Ich wusste nicht, dass sie ein kleines Aufnahmestudio in mein Zimmer bringen würden“. Aber sie haben es getan. „Zu diesem Zeitpunkt hatte ich noch nicht einmal länger als zehn oder 15 Sekunden gesessen, ohne dass mir schwindlig wurde und ich ohnmächtig wurde. Ich habe immer noch eine Halskrause und bin voll angeschlossen. Ich glaube, eine Krankenschwester hat mir ein paar Infusionen entfernt, weil sie Geräusche auf den Mikrofonen machten. … Zuvor hatte ich ein bisschen auf der Gitarre herumgeklimpert und herumgespielt, aber das war definitiv eine Feuerprobe.“
Von da an macht er konsequent weiter mit seiner Musik, die für ihn „wie eine Therapie“ ist, zitiert ihn ein Portrait auf den Seiten von der Stiftung Wings for Life. Erstes konkretes Ziel ist ein Festival, bei dem er zumindest für 45 Minuten auf der Bühne dabei sein will. Auf diesen Tag arbeitet er mit seinen Therapeuten konsequent hin: „Das war für alle Beteiligten Neuland. Aber es ging nicht darum, ob es passieren würde. Es ging nur darum, wie es geschehen würde.“
Rockclubs sind selten barrierefrei
Back on stage! Eric drängt es auf die Bühne: „Ich fing an, mit jeder Band zu spielen, die mich haben und auf Tournee gehen wollte“, sagt er Wings for Life. Schnell wird klar: Die eigentliche Herausforderung ist nicht der Gig selbst, sondern der Weg dorthin. Eric fährt seiner Band tausende von Meilen im eigenen Auto hinterher, weil er keine Möglichkeit sieht, als Rollstuhlfahrer ein Flugzeug zu benutzen. Rollstuhlgerechte Tourbusse gibt es ebenfalls nicht, und die Clubs, Backstage-Bereiche und Festivalgelände vor Ort sind selten barrierefrei. Rollstuhllifts oder Rampen? Fehlanzeige. Oft müssen seine Bandkollegen ihn tragen, damit er überhaupt in die Nähe der Bühne kommt.
Seit 2015 ist Eric Mitglied der Indie-Rock-Band PTM, die spätestens seit „Feel It Still“ zu den bekannteren Größen im Musikgeschäft zählt. Je erfolgreicher die Band wird, desto leichter fällt es, bei lokalen Konzertveranstaltern auf eine rollstuhlgerechte Ausstattung von Bühne und Backstage-Bereich zu bestehen. Schön für Eric! Und schön für seine Fans. Zumindest für die Fans, die die Band live sehen können und nicht draußen bleiben müssen, weil sie zum Beispiel im Rollstuhl unterwegs sind und der Veranstaltungsort eben nicht rollstuhlgerecht ist.
Irgendwann sollen die Rampen liegenbleiben
PTM beginnen, bei ihren Gigs auch auf die Barrierefreiheit im Publikumsbereich zu achten. 2022 rufen sie die Initiative „PTM Night Out“ ins Leben – möglichst alle ihrer Fans sollen die Möglichkeit bekommen, die Konzerte zu besuchen. Der große Masterplan hinter der Idee: Irgendwann sollen all die Rampen, die für ein PTM-Konzert aufgebaut wurden, einfach dauerhaft stehen bleiben. „Diese Initiative bedeutet für uns alles“, schreibt Eric auf seinem Instagram-Account: „Representation on stage. Representation in the audience. 🤘“
Sichtbar sein, dabei sein sollen alle, für die der ADA, der „Americans with Disabilities Act“ relevant ist. Dieses US-amerikanische Bundesgesetz von 1990 schreibt – in Anlehnung an den Civil Rights Act von 1964 – die Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen vor. Zum 30. Jahrestag des „Americans with Disabilities Act“ veröffentlicht Howk ein Video:
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Mehr InformationenAber PTM will nicht nur Menschen mit Behinderung sichtbar machen und unterstützen. Im Jahr 2020 gründen sie eine Stiftung, die PTM Foundation, deren Schwerpunkt auf der Unterstützung indigener Völker liegt. In der Stiftung engagieren die Bandmitglieder sich zudem für die Communitys, in denen sie leben und die ihnen am Herzen liegen, Howk macht zum Beispiel auf die Situation von Menschen mit Behinderungen aufmerksam.
Wo ist die nächste rollstuhlgerechte Entzugsklinik?
Ein Bereich, der Erics Leben offenbar sehr negativ beeinflusst hat, ist seine Suchterkrankung – in der Einsamkeit der Covid-Zeit eskalierte sein Konsum, erzählt er in einem Interview mit der United Spinal Association. Damit ist er als Mensch mit Behinderung nicht allein: Nach Schätzungen der US-amerikanischen CDC (Centers for Disease Control and Prevention Studies) sind allein in den USA etwa fünf Millionen behinderte Menschen substanzabhängig.
Der Musiker zieht die Notbremse, macht sich auf die Suche nach einer Entzugsklinik und sieht sich wieder konfrontiert mit Gebäuden, die alles sind, nur nicht rollstuhlzugänglich. Er spricht über seine Erkrankung und die Barrieren auf dem Weg in ein cleanes, glücklicheres Leben, um andere Menschen mit Behinderungen zu ermutigen, sich für leichter zugängliche stationäre Einrichtungen einzusetzen. Der United Spinal Association sagt er: „Für Menschen auf der Suche nach Abstinenz sollte es nie unendlich schwierig sein, in einer Einrichtung untergebracht zu werden. Sie sollten keine Schwierigkeiten haben, durch die Eingangstür zu kommen, ganz zu schweigen von allen anderen Bereichen, zu denen sie während eines Monats stationärer Behandlung Zugang benötigen.“
Und es sollte ihnen möglich sein, jedes Konzert und jede andere Veranstaltung zu besuchen, auf die sie Lust haben.
Der Text wurde in Ausgabe 3/2024 der Zeitschrift „Der Paraplegiker“, dem Mitgliedermagazin der Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in Deutschland e.V., erstveröffentlicht.
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