Mit Querschnittlähmung über den Atlantik segeln – Rollstuhlkonsole macht Traum-Törn möglich

Der Däne Anders Lehmann ist Tetraplegiker. Um auch mit hoher Querschnittlähmung segeln zu können, hat er eine Rollstuhlplattform entwickelt, mit deren Hilfe Rollstuhlfahrer ein Boot lenken können. Für eine Atlantik-Überquerung – sein Lebenstraum – entwarf er eine Sitz-Konsole. Sie ermöglichte es ihm, während des langen Törns regelmäßig seine Position zu verändern, um Dekubitus vorzubeugen.

Anders auf seiner selbstentworfenen Rollstuhlkonsole

Anders wollte als aktives Mitglied der Crew über den Atlantik segeln. Dazu waren Anpassungen am Boot erforderlich – unter anderem eine von ihm entwickelte Rollstuhlkonsole. Dank spezieller elektrischer Linearantriebe von (externer Link) LINAK konnte er mit ihr seine Sitz- und Liegeposition zu verändern und so Druckgeschwüren vorbeugen.

Steuerung durch die Bewegung der Rollstuhlräder

Anders hat sich schon immer für das Segeln begeistert. Und obwohl 1999 bei einem Unfall sein Rückgrat im Bereich der Halswirbelsäule brach, konnte er seiner Leidenschaft weiter nachgehen. Auf dem Wasser, wo viel Platz ist und alle Bewegungen langsamer vonstattengehen, lässt sich unter Umständen ein Boot steuern, selbst wenn man wie Anders vom Hals abwärts gelähmt ist. Mit Querschnittlähmung, mit Tetraplegie zu segeln ist möglich.

Dank der hochbeweglichen Konsole konnte Anders sein Dekubitus-Risiko gering halten

Als Anders sich nach seinem Unfall damit auseinanderzusetzen begann, wie gut die Segelwelt mit dem Rollstuhl zugänglich ist, waren die Optionen leider rar gesät. Deshalb machte er sich auf, selbst etwas zu entwickeln, um mit Querschnittlähmung segeln zu können: „Ich bin eigentlich ausgebildeter Fertigungsingenieur und habe mich schon immer für Technik begeistert. Obwohl ich etwas mehr Zeit benötigte, konnte ich die digitalen Zeichenprogramme, die ich vor dem Unfall genutzt habe, auch weiterhin nutzen. Es gab also keinen Grund, warum ich nicht selbst ein Boot für das Behindertensegeln entwerfen konnte“, sagt Anders.

Das erste Boot

Das Ziel von Anders’ erstem Boot war es, sicherzustellen, dass jeder, der im Rollstuhl sitzt, – unabhängig davon, wie er seinen Rollstuhl manövriert – in der Lage sein sollte, mit ihm zu segeln. So entwickelte er eine Rollstuhlplattform, bei der das Boot über die Bewegung der Räder gesteuert wird: „Wir hatten zahlreiche Rollstuhlfahrer auf dem Wasser, und es ist mir eine große Freude, vor allem Kindern mit Behinderungen zu zeigen, dass auch sie so ein Boot steuern können. Sie können vollwertige Mitglieder der Crew sein und sind nicht eingeschränkt.“

Anders und seine Crew sind mit dem ersten Boot sowohl auf der Ostsee als auch in dänischen Küstengewässern gesegelt. Aber als Junge hat Anders stets von einer größeren Reise geträumt – nämlich der Überquerung des Atlantiks.

Segeln mit Querschnittlähmung: Die Rollstuhlkonsole

Wie kann ich mit Querschnittlähmung über den großen Teich segeln, ohne meine Gesundheit zu riskieren? Um sich seinen Jugendtraum zu erfüllen, musste Anders sich ein neues Boot speziell für diesen Zweck kaufen und es umbauen: „Das gesamte Projekt basierte auf der Prämisse, dass meine Gesundheit mir eine derart lange Reise erlauben würde. Wenn man gelähmt ist und im Rollstuhl sitzt, ist man unweigerlich mit Problemen wie Druckgeschwüren und Dekubitus konfrontiert. Ich kann nicht längere Zeit unbeweglich in einer sitzenden Position verharren“, erklärt Anders. Deshalb begann er, eine einzigartige Rollstuhlkonsole zu entwerfen, die es ihm erlauben würde, seine Sitz- und Liegeposition beim Segeln zu verändern.

Nach dem Törn ist vor dem Törn: Auch wenn sich Anders und sein Boot jetzt erholen – bald wird es wieder raus auf See gehen

„Ich wusste, dass ich zur Verstellung der Konsole Linearantriebe von Linak verwenden wollte. Ich hatte bisher drei Rollstühle mit Linearantrieben dieses Herstellers, die gut funktionierten. Deshalb war LINAK für mich die erste Wahl“, erklärt Anders und fährt fort: „Außerdem weiß ich, dass der Eigentümer von LINAK, Bent Jensen, in den Anfangstagen des Unternehmens einen Linearantrieb entwickelt hat, um einem Freund im Rollstuhl zu helfen. Deshalb war ich mir sicher, dass LINAK bereit sein würde, mir zu helfen, und über die nötigen Kompetenzen verfügt.“

Anders sollte recht behalten, denn als er sich mit den Anforderungen seiner Linearantriebe an das Unternehmen wandte, hat LINAK ihn mit allen Produkten gesponsert. „In der Konsole kommen vier LINAK Linearantriebe zum Einsatz. Ein LA20 für die Höhenverstellung des Sitzes, ein LA36 für das seitliche Neigen des Sitzes, ein LA33, um den Sitz nach vorne und hinten zu neigen, und ein weiterer LA33 zum Verstellen der Rückenlehne. Die Bewegung der Wellen tut mir gut, aber ich muss auch die Konsole verstellen können, z. B. wenn wir mehrere Stunden lang bei Seitenwind segeln müssen“, erklärt Anders.

Die Atlantiküberquerung

Der Weg von den Kanarischen Inseln über den Atlantik führte über die Kapverden. Insgesamt brauchten die acht Besatzungsmitglieder 20 Tage für die Überfahrt. Anders erzählt: „Es war unglaublich, da draußen mitten im Ozean zu sitzen und zu wissen, dass uns, egal in welche Richtung ich blickte, 2.000 Kilometer vom Festland trennten. Es war fast meditativ, so weit weg von allem zu sein. In diesen 20 Tagen begegneten uns nur vier andere Segelboote und ein Pottwal – wir waren ziemlich allein da draußen.“

„Die Reise hat absolut meinen Erwartungen entsprochen. Ich konnte dem Alltag entfliehen und stand den anderem beim Steuern des Boots in nichts nach. Es war eine großartige Erfahrung!“, sagt Anders.

Ein weiterer Vorteil für Anders war das schöne und warme Wetter. Oder wie er es ausdrückt: „Hier in Dänemark habe ich meist Schwierigkeiten, warm zu bleiben. Ich muss mich gut einwickeln. Inmitten des Ozeans, als es 26 °C hatte, war das nicht nötig. Es war toll, ich brauchte von meinen vier Helfern nicht so viel Pflege.“

Leistungsstarke Linearantriebe

Die meiste Zeit auf See verbrachte Anders in seiner Rollstuhlkonsole, die ihm als Stuhl diente und sich in ein Bett verwandeln ließ. Die Konsole hat gut funktioniert: „Die Linearantriebe haben wirklich gute Arbeit geleistet – sie haben auf der gesamten Fahrt ordnungsgemäß funktioniert“, erzählt Anders und fährt fort: „Ich muss meine Position mehrmals pro Stunde ein klein wenig verändern, damit ich nicht zu lange vollkommen unbeweglich sitze.“

Die Zukunft

Eine derart lange Reise verlangt jedem Boot einiges ab. Deshalb braucht es jetzt ein gewisses Maß an Pflege und Wartung. Sobald es wieder in Schuss ist, will Anders erneut aufs Wasser: „Es ist geplant, einige kurze Reisen zu machen. Dann werden wir andere Menschen mit Behinderungen wieder aufs Meer bringen, genau wie mit dem alten Boot. Es ist einfach großartig, auf dem Wasser zu sein“, meint Anders abschließend.


Der Text wurde erstmals in Ausgabe 1/2025 der (externer Link) Zeitschrift RehaTreff veröffentlicht. Der-Querschnitt.de dankt der RehaTreff-Redaktion ganz herzlich für die Erlaubnis, Text und Fotos zweitveröffentlichen zu dürfen. Informationen zu den genannten Linearantrieben finden sich auf der Homepage des Herstellers: LINAK Systeme: elektrische Linearantriebe, Linearaktuatoren, Hubsäulen


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