Patientenleitlinie „Akute Querschnittlähmung: Was ist für Betroffene wichtig zu wissen?“

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und die Deutschsprachige Medizinische Gesellschaft für Paraplegiologie (DMGP) haben eine S3-Leitlinie zur „Diagnostik und Therapie der akuten Querschnittlähmung“ herausgegeben. Für Menschen mit Querschnittlähmung, deren Angehörige und andere vertraute Personen wurde parallel dazu eine Patientenleitlinie „Akute Querschnittlähmung“ aufgelegt, die sich an der medizinischen Leitlinie orientiert.

Die Patientenleitlinie beantwortet viele Fragen zu Diagnosen und Behandlungsoptionen.

Die Patientenleitlinie bietet laut Eigenbeschreibung wissenschaftlich gesicherte Informationen zum Thema akute Querschnittlähmung. Sie soll in der Akutphase und darüber hinaus Betroffenen und ihren Unterstützern ein besseres Verständnis der Vorgänge und Behandlungen zu ermöglichen.

Betroffene und Angehörige können auf 48 Seiten nachlesen, was bei einer Querschnittlähmung nach einem Unfall passiert und welche Maßnahmen durchgeführt werden können. Daneben finden sich auch Informationen zu den Maßnahmen und Diagnosen bei einer nicht-traumatischen Querschnittlähmung.

Patientenleitlinie „Akute Querschnittlähmung“: Fünf relevante Punkte

Die Patientenleitlinie behandelt einige zentrale Punkte, die für frisch Gelähmte und ihre Angehörigen relevant sein dürften:

  • Aktueller wissenschaftlicher Stand zum Thema akute Querschnittlähmung
  • Aufklärung über Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten
  • Tipps im Umgang mit der akuten Querschnittlähmung und möglichen Folgen im Alltag
  • Hinweise auf Beratungs- und Hilfeangebote
  • Ein umfassendes Fach-Wörterbuch

Grundlage für diese Patientenleitlinie ist die (externer Link) S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der akuten Querschnittlähmung“. Für diese haben viele medizinische Fachgesellschaften und Experten aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zusammengetragen, auf deren Grundlage die S3-Leitlinie Handlungsempfehlungen ausspricht. S3-Leitlinien gelten als höchste Qualitätsstufe medizinischer Leitlinien.

Wie Empfehlungen zustande kommen

Zunächst erklärt das Autoren-Team der Leitlinie, wie die Empfehlungen in Hinblick auf eine akute Querschnittlähmung zustande kommen. Je unsicherer die Datenlage, desto schwächer ist die Empfehlung. Der Empfehlungsgrad spiegelt sich in der Sprache wider: „Soll“ zum Beispiel steht für eine starke Empfehlung – Nutzen und/oder Risiko sind eindeutig belegt. „Kann“ dagegen steht für eine sogenannte offene Empfehlung. Die Ergebnisse stammen, so die Autoren weiter, entweder aus weniger hochwertigen Studien, oder die Ergebnisse aus zuverlässigen Studien sind nicht eindeutig, oder der belegte Nutzen ist nicht eindeutig.

Begriffserklärung akute Querschnittlähmung

Die Patientenleitlinie erklärt zunächst, was unter einer akuten Querschnittlähmung zu verstehen ist. Sie beschreibt Aufbau und Funktion des Nervensystems, mögliche Schädigungen und deren Auswirkungen. (Siehe hierzu auch Formen der Querschnittlähmung: Klassifizierung und Ausprägungen – Der-Querschnitt.de).

Dabei werden verschiedene Formen und Ursachen beleuchtet:

  • Traumatische Ursachen: Hierzu zählen Verletzungen durch Unfälle (z.B. Auto-, Sport- oder Arbeitsunfälle), Stürze oder Gewalteinwirkung.
  • Nicht-traumatische Ursachen: Dies umfasst eine Vielzahl von Erkrankungen, wie beispielsweise Entzündungen des Rückenmarks (Myelitis), Gefäßerkrankungen (z.B. spinaler Infarkt), Bandscheibenvorfälle, Tumore, Blutungen oder degenerative Veränderungen. Die Leitlinie geht auf die unterschiedlichen Mechanismen ein, die in diesen Fällen zu einer Querschnittlähmung führen können.

Diagnose-Methoden bei Verdacht auf Querschnittlähmung

Ein wichtiger Abschnitt der Patientenleitlinie widmet sich der Diagnosestellung. Die Autoren erläutern, welche Schritte unternommen werden können, um eine akute Querschnittlähmung zu diagnostizieren:

  • Körperliche/neurologische Untersuchung: Die neurologische Untersuchung spielt eine zentrale Rolle, um das Ausmaß der Lähmungen und Empfindungsstörungen zu erfassen und die Höhe der Schädigung zu bestimmen. Dazu die Patientenleitlinie: Experten empfehlen, „dass Patienten in ein überregionales Traumazentrum oder mit Querschnittlähmung erfahrenes regionales Traumazentrum gebracht werden sollen. Das soll schonend und so schnell wie möglich geschehen. Ist sicher festgestellt worden, dass eine Querschnittlähmung vorliegt, sollen die Patienten dann frühzeitig in ein Querschnittzentrum verlegt werden.“
  • Bildgebende Verfahren: die Leitlinie nennt und erklärt verschiedene Methoden wie die Magnetresonanztomographie (MRT) und die Computertomographie (CT). Sie betont die Bedeutung dieser Verfahren, um die genaue Lokalisation und Ursache der Rückenmarkschädigung darzustellen. (Siehe auch Sichtbar machen, was unsichtbar ist: moderne Bildgebungsverfahren bei Prognose und Behandlung von Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de)
  • Je nach vermuteter Ursache können weitere Untersuchungen notwendig sein, wie beispielsweise die Analyse des Nervenwassers (Liquorpunktion) bei Verdacht auf eine nicht-traumatische Querschnittlähmung.

Im weiteren Verlauf beschreibt die Patientenleitlinie detailliert die Behandlungsstrategien in der ersten Phase nach dem Eintreten der Querschnittlähmung. Unter anderem nennt sie:

  • Stabilisierung und Notfallversorgung: Bei traumatischen Ursachen steht die Stabilisierung der Wirbelsäule im Vordergrund, um weitere Schäden zu verhindern. Die notfallmedizinische Versorgung wird erläutert.
  • Medikamentöse Therapie: In bestimmten Fällen, insbesondere bei nicht-traumatischen Ursachen wie Entzündungen, können Medikamente wie Kortikosteroide eingesetzt werden, um die Entzündungsreaktion zu reduzieren. Die Leitlinie erklärt die Wirkungsweise und möglichen Nebenwirkungen.
  • Operative Eingriffe: Bei bestimmten Verletzungen der Wirbelsäule oder bei Raumforderungen, die auf das Rückenmark drücken, kann eine Operation notwendig sein, um das Rückenmark zu entlasten und die Stabilität der Wirbelsäule wiederherzustellen.
  • Intensivmedizinische Betreuung: Die Leitlinie betont die Bedeutung einer engmaschigen Überwachung und Behandlung auf einer Intensivstation, um mögliche Komplikationen wie Atemprobleme oder Kreislaufinstabilität frühzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Ausblick – was nach der Akut-Phase wichtig wird

Dieser Abschnitt der Leitlinie geht auf die langfristigen Aspekte des Lebens mit einer Querschnittlähmung ein. Themen sind unter anderem:

  • Rehabilitation: Die Leitlinie hebt Bedeutung einer frühzeitigen und umfassenden Rehabilitation hervor. Zudem erklärt sie verschiedene Bereiche der Rehabilitation, wie Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie (bei Beteiligung der oberen Extremitäten oder der Sprechfunktion), psychologische Unterstützung und soziale Beratung. (Siehe auch: Dauer und Phasen der Rehabilitation bei Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de)
  • Alltag: Hierzu gehören Aspekte wie Mobilität (Rollstuhlversorgung, Hilfsmittel), Blasen- und Darmmanagement, Hautpflege zur Vermeidung von Druckgeschwüren, Sexualität und Partnerschaft. (Viele Informationen zu diesen Themen gibt es auch in den Der-Querschnitt.de-Kategorien Para- & Tetraplegie und Hilfsmittel.)
  • Beratungs- und Hilfsangebote: Die Leitlinie verweist auf verschiedene Anlaufstellen, Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen, die Betroffenen und ihren Angehörigen Unterstützung bieten können.
  • Psychische und soziale Aspekte: Auch die psychische Belastung, die durch eine Querschnittlähmung entsteht, ist Thema. Hier betonen die Autoren, wie wichtig psychologische Unterstützung und der Austausch mit anderen Betroffenen ist.

Hilfreich: Glossar mit Fachbegriffen

Ein Glossar am Ende der Leitlinie erklärt medizinische Fachbegriffe in verständlicher Sprache, um das Verständnis zu erleichtern.

Die oben genannten Punkte stellen nur einen kleinen Teil der Themen dar, die in der Patientenleitlinie behandelt werden.

Die vollständige Leitlinie für Patientinnen und Patienten zur S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie der akuten Querschnittlähmung“ von Messer S., Oeser A., et al. (in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie; Deutschsprachige Gesellschaft für Paraplegiologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie) kann hier heruntergeladen und nachgelesen werden (externer Link): Patientenleitlinie „Akute Querschnittlähmung: Was ist für Betroffene wichtig zu wissen?“.


Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.
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