Mit dem Rollstuhl sicher unterwegs in Kraftfahrzeugen
Wenn Rollstühle als Sitz in Kraftfahrzeugen verwendet werden, unterliegen sie bestimmten Vorschriften. Sie müssen verschiedene Prüfkriterien erfüllen und über einen Kraftknoten, d. h. einen Befestigungspunkt für die Sicherung im Fahrzeug, verfügen.
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Mehr InformationenWer als Mensch mit Querschnittlähmung als Fahrer oder Beifahrer in einem Auto oder anderem Kraftfahrzeug mobil sein möchte, sollte wenn möglich aus dem Rollstuhl auf den Fahrzeugsitz transferieren und den Rollstuhl im Laderaum des Fahrzeugs unterbringen. Für manche Menschen sind diese Transfers aber schwierig oder gar nicht zu bewerkstelligen.
In der Regel sind es Nutzer von Elektrorollstühlen, die den Rollstuhl während des Fahrens in Kraftfahrzeugen nicht verlassen können und daher eine andere Lösung brauchen. In diesem Fall muss die Sicherheitsfunktion des Fahrzeugsitzes vom Rollstuhl gewährleistet werden, d. h. dass er bei einem Unfall in der Lage sein muss, den hohen Fliehkräften standzuhalten, die dabei entstehen können.
Das sagen DIN-Norm, ISO- und EWEG-Richtlinien sowie Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung
Für die ab September 2009 hergestellten Rollstühle gelten in diesem Zusammenhang klar definierte Vorschriften zum Schutz und zur Sicherheit des Nutzers:
Rollstühle müssen gemäß § 35a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) als Fahrersitz zugelassen sein. Voraussetzung hierfür sind z.B. spezielle Rückhaltefunktionen, um sicher im Fahrzeug fixiert werden zu können. Sie müssen durch die Hersteller geprüft, im Verwendungszweck deklariert und als geeignet gekennzeichnet sein. Im Idealfall entwickelt der Hersteller für diese Rollstühle selbst spezielle Befestigungspunkte für die Sicherung, die sogenannten Kraftknoten, nach DIN 75078. Für die Nutzung als Fahrzeugsitz müssen neue Rollstühle neben den Kraftknoten eine Herstellerfreigabe nach DIN EN 12183 oder 12184 haben, sowie gemäß den Anforderungen der ISO 7176-19 und 10542-1 und EWG-Richtlinien 74/408 und 76/115 getestet sein.
So kann die Fahrzeuganpassung aussehen
Um Elektrorollstuhlfahrer das Nutzen von Fahrzeugen – ob als Fahrer am Steuer oder als Beifahrer – zu ermöglichen sind Anpassungen im Fahrzeug notwendig. Neben Liftsystemen oder Rampen müssen im Fahrzeuginneren die bestehenden Sitze ausgebaut, eine Bodenabflachung vorgenommen und eine Dockingstation eingebaut werden, in die der Rollstuhl einrastet. Der Rollstuhl selbst ist (ab Werk) mit fest montierten Adaptern für das Einhaken der Abspanngurte ausgestattet.
Siehe auch: Was im Fahrzeugumbau heute möglich ist und Automobil: maßgeschneiderte Umbauten für Rollstuhlfahrer
Kraftknoten
Bei einem Kraftknoten handelt es sich um eine Adapterplatte, an der Rollstuhlsicherung und Personenrückhaltesystem zusammenkommen. Die Besonderheit hierbei ist, dass durch die vorgegebene Geometire die Kräfte sicher in den Boden abgeleitet werden sowie eine integrierter Beckengurt, in den sich ein Schulterschräggurt aus dem Fahrzeug einklicken lässt. Zu weiteren Informationen geht es hier.
Zu einem Merkblatt des BVKM geht es hier: Kraftknoten-Rückhaltesysteme | Bundesverband für Körper- und mehrfachbehinderte Menschen (bvkm.de)
Studie des Deutschen Instituts für Qualitätsförderung
In der Praxis erfüllt laut einer Feldstudie des Deutschen Instituts für Qualitätsförderung e. V. (DIQ) nur ein geringer Teil der transportierten Rollstühle diese Bestimmungen. Die Auswirkungen solcher Versäumnisse zeigt ein Crashtest.
Theoretisch dürfen also nur Rollstühle, die auch dazu geeignet sind, zum Transport in Fahrzeugen verwendet werden. Die Praxis sieht anders aus: Das DIQ hat in einer Feldstudie im Sommer 2013 bei Schulkindern, die mit dem Rollstuhl im Fahrzeug transportiert wurden, Versäumnisse festgestellt. Etwa 85 % der geprüften Rollstühle entsprachen nicht den Vorschriften. Die Kinder wurden in einfacheren, handhabbareren Klapprollstühlen transportiert.
In der Studie des DIQ fiel weiterhin auch auf, dass es zwar vorgegebene Prozeduren zur Befestigung dieser Rollstühle gibt, diese aber nur auf speziell entwickelte und für den Transport zugelassene Rollstühle anwendbar sind. Bei einfacheren Modellen fehlen die adäquaten Befestigungspunkte und das Befestigungsmaterial häufig ganz. Zudem schienen laut DIQ Zeit- und Kostendruck oftmals die guten Absichten der Fahrer, die Insassen entsprechend der Vorschrift zu sichern, zunichtezumachen.

Nicht zugelassene Rollstühle versagen im Crashtest
Die im Auftrag des DIQ durchgeführten Crashtests zeigten in ihren Auswirkungen deutlich die Unterschiede zwischen den für die Nutzung als Fahrzeugsitz zugelassenen und den dafür nicht erlaubten Rollstühlen. Bei einem Crash mit 50 km/h zeigte der zugelassene Rollstuhl relativ geringe Beschädigungen. Dies bedeutet für den Insassen des Rollstuhls, dass er ein geringes Verletzungsrisiko hat.
Ein nicht zugelassener, aber in der Feldstudie oft im Fahrzeug gesehener Rollstuhl wurde ebenfalls dem Crashtest unterzogen. Der Rollstuhl wurde nahezu gänzlich zerstört. Er klappte regelrecht zusammen. Diese Tatsache und die ungeeigneten Rückhaltesysteme würden im Falle eines echten Zusammenstoßes zu schweren Verletzungen, wenn nicht gar zum Tode des Rollstuhlinsassen führen. Es ist auch zu erwarten, dass durch die unzureichende Befestigung andere Fahrzeuginsassen bei einem Unfall massiv gefährdet sind.
Wieso hier am falschen Ende gespart wird, bleibt unverständlich. Durch die unsichere Befestigung der nicht erlaubten billigen Rollstühle während des Transportes verbiegen sich deren Strukturen. Dies kann bereits bei leichten Bremsmanövern passieren. Teure Reparaturen und Bereitstellungen von Ersatzstühlen sind die Folge.
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