Leben mit Querschnittlähmung: Ich bin auch ein Paganini!

Sind querschnittgelähmte Menschen nicht alle ein bisschen Paganini? Ein Hauch Max Verstappen? Vielleicht auch eine Prise Marco Odermatt? Das findet zumindest Psychologe und Psychotherapeut Dr. Peter Lude. Er hat in einem Gedankenspiel Parallelen zwischen Tetraplegikern, Formel-1-Piloten, Ski-Assen und Geigenvirtuosen aufgetan – und kommt zu einer überraschenden Schlussfolgerung.

Gerade durch eine Einschränkung kann Virtuosität entstehen

Dr. Lude ist seit einem Schwimmunfall in den 80er-Jahren querschnittgelähmt. Als Fachpsychologe für Psychotherapie FSP widmet er sich unter anderem dem posttraumatischen Wachstum. In seinem Buch „Querschnittlähmung – Schritte der Bewältigung. Die Kraft der Psyche“ (siehe Beitrag Gelesen: Querschnittlähmung – Schritte der Bewältigung – Der-Querschnitt.de) fordert er dazu auf, den vorhandenen Spielraum – und sei er noch so eng – bestmöglich auszuschöpfen. Seine These: Nur wer aktiv Erfahrungen wahrnimmt, kann an ihnen wachsen.

Auf seinem LinkedIn-Account hat er nun ein Gedankenspiel veröffentlicht, das Mut macht. Seine Beweiskette zeigt, dass eine Einschränkung – zum Beispiel der motorischen Fähigkeiten – ein gutes Übungsfeld für mentales Training und Entfaltung sein kann.

„Ich bin auch ein Paganini!“

Zugegeben: nicht, wenn es ums Geigenspiel geht.

Aber ich trainiere wie…

… ein Formel-1-Rennfahrer.

…ein Skirennfahrer.

…ein Geigenspieler.



👉 Denn sie alle üben die Einschränkung und bringen es darin zur Meisterschaft!


Der F1-Pilot und der Skirennfahrer suchen die Ideallinie.

Sie rasen wie besessen den Berg hinunter oder jagen über den Asphalt, riskieren dabei ihr Leben.

Der Zuschauer findet das attraktiv, fiebert sogar mit. Sie machen nebenbei quasi innerlich Sport, ohne sich äußerlich zu bewegen.

So übt auch der Geigenspieler in der absoluten Beschränkung. Er hat genau vier Saiten definierter Länge und Stärke zur Verfügung.

Er übt seine Fertigkeit in dieser Einengung. Er verlangt nicht doppelt so viele Saiten, um doppelt so gut zu spielen.: 4 Saiten und üben, üben, üben…

Das Üben in der Einengung führt zu einer inneren Lebendigkeit, einer inneren Fitness.



👉 Als Tetraplegiker habe ich genügend Einschränkungen, um innerlich fit zu werden – und zu bleiben.

👉 Gelähmt sein ist ein hochaktiver Prozess und nicht nur ein Zustand.


Ein Fitnessprogramm, das man zwar nicht sieht…

…aber höchst wirkungsvoll ist.


Zur Person: Dr. Peter Lude arbeitet als psychologischer Psychotherapeut in eigener Praxis. Er ist Buchautor und einer der Köpfe hinter einem neuen Pflegemodell:  Rückenwind plus (siehe auch Beitrag Rückenwind plus – Die Zukunft der Pflege? – Der-Querschnitt.de). Hier geht es zu seinem LinkedIn-Account: Peter Lude – Rückenwind plus

Die Redaktion von Der-Querschnitt.de bedankt sich herzlich für das Gedankenspiel!


Die Beiträge, die in der Kategorie „Erfahrungen“ veröffentlicht werden, schildern ganz persönliche Strategien, Tipps und Erlebnisse von Menschen mit Querschnittlähmung. Sie stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und spiegeln nicht die Meinung der Redaktion wider. Wer auch gerne auf Der-Querschnitt.de Erfahrungen teilen möchte, wendet sich bitte an die Redaktion. Siehe: Ihre Erfahrungen helfen anderen.