Spastik bei Querschnittlähmung: So lässt sie sich im Alltag reduzieren

Spastik kann das Leben von Menschen mit Querschnittlähmung stark beeinflussen. Empfinden Betroffene sie als störend, können sie im Alltag einiges tun, um die Spastik zu reduzieren und/oder das Leben mit ihr möglichst selbstbestimmt zu gestalten.

Im Alltag können Menschen mit Querschnittlähmung einiges tun, um die Spastik zu reduzieren.

Spastik kann die Aktivität von Menschen mit Querschnittlähmung einschränken. Wer sie hat, wird sie nicht wieder los. Doch Betroffene können im Alltag einige Punkte beachten, mit deren Hilfe sie die Spastik und ihre Auswirkungen aufs alltägliche Leben zumindest mildern können.

Alltagshandlungen mit reduzierendem Effekt

Ruhephasen

Spastik nimmt unter Stress oft zu – deshalb ganz bewusst Pausen einplanen. Vielen hilft es, mit Entspannungsmethoden zur Ruhe zu kommen: Siehe u.a. Entspannen mit Autogenem Training oder Progressive Muskelentspannung bei Querschnittlähmung

Körperpflege

  • Basale Stimulation kann Spastik reduzieren – deshalb einige Elemente bewusst in die Körperpflege einbauen, zum Beispiel bei der täglichen Hygiene den Körper in Wuchsrichtung der Körperbehaarung waschen, was als beruhigend gilt.Auf wohltemperiertes Wasser achten, denn zu heiß und zu kalt gilt als potenzieller Auslöser von Spastik.

  • Assistenten und/oder Pflegende sollten zunächst über weniger empfindliche Körperteile (meist Körperrückseite) Kontakt aufnehmen und es möglichst vermeiden, sehr empfindliche Körperpartien wie Kniekehlen, Bauchdecke oder Fußsohle zu berühren (das Gebot, auch dieses Stellen auf Dekubitus zu untersuchen, bleibt davon natürlich unberührt).

Blasen- und Darmmanagement

Spastik kann als Warnsignal darauf hinweisen, dass Blase und/oder Darm entleert werden müssen. Wer bei diesen Punkten auf feste zeitliche Strukturen achtet, schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe (siehe u.a. Beitrag Darmmanagement: Diese sechs Punkte unterstützen eine geplante und regelmäßige Entleerung).

Richtiges Sitzen und Liegen/Lagern:

  • Eine Veränderung der Sitzposition im Rollstuhl kann eine positive Wirkung auf die Spastik haben.  Experten empfehlen, sich so zu positionieren, dass Hüfte und Oberschenkel sowie Ober- und Unterschenkel bei leicht nach hinten gekipptem Sitz einen 90-Grad-Winkel bilden.   Der Schneidersitz und Froschlagerung gelten als prima Mittel, um Spastiken zu reduzieren – wer sich so positioniert, spürt oft noch Stunden später eine Erleichterung. Die Oberschenkelinnenmuskulatur wird gedehnt, was wiederum die Streckermuskulatur in den Beinen positiv beeinflußt. Weiterer positiver Effekt: Atemprobleme, von denen vor allem Tetraplegiker geplagt werden, können gemildert werden.Auch die offene Nestlagerung (der Körper wird vom Kopf bis zu den Waden in ein Lagerungskissen gebettet), die Embryonallage helfen, Spastik zu reduzieren.

  • Die Bauchlage führt ebenfalls zu einer Entspannung, streckt zudem die Wirbelsäule und hilft – wenn die Füße über die Bettkante hängen – gegen Spitzfüße.

Erholsamer Schlaf

Erholsamer Schlaf: Spastik ist zwar sehr anstrengend, kann aber dennoch auch zu Schlafstörungen führen. Eine antispastische Schlafposition (siehe oben) und das beruhigende Ausstreifen der Extremitäten können zur Entspannung beitragen. Ebenso eine Raumbeduftung mit beruhigenden Aromen (siehe auch Beitrag Aromatherapie bei Querschnittlähmung).

Mit Spastik leben

Wer mit Spastik lebt, kann einiges tun, um seinen Alltag möglichst selbstbestimmt und sicher zu gestalten.

Nahrungsaufnahme

Sie kann durch Spastik vor allem in den oberen Extremitäten sehr erschwert werden. Entsprechende Hilfsmittel können dazu beitragen, dass Betroffene dennoch möglichst autonom essen und trinken können. Hier ist der Ergotherapeut ein kundiger Ansprechpartner. Ergänzend stellt der Beitrag Hilfsmittel Essen und Trinken bei eingeschränkter Handfunktion  Geschirr, Besteck und Trinkgefäße vor, die durch ihre Formgebung dafür sorgen, dass wenig verrutscht oder verkleckert wird.

Die Position im Rollstuhl oder Bett sollte man so wählen, dass Essen und Schlucken relativ problemlos möglich sind. Bei einer Positionierung im Bett wird u.a.  die sogenannte Königsstuhllagerung (Oberkörper aufgerichtet, Beine ausgestreckt, Stabilitätsunterstützung durch Lagerungskissen) empfohlen. 

Dekubitusprophylaxe

Scherkräfte, Zug- oder Druckbelastungen können die Haut stark beanspruchen. Um Dekubitus vorzubeugen, sollte man sich im Alltag Zeit fürs Durchbewegen und eine regelmäßige Hautkontrolle nehmen und auf die richtige Lagerung achten.

Vermeidung von Stürzen und/oder Verletzungen

Spastik und einschießende Spasmen beinhalten auch immer ein gewisses Verletzungsrisiko. Betroffen können stürzen (aus dem Bett, aus dem Rollstuhl, beim Steh- und Gehtraining, beim Transfer) oder sie können sich während der unkontrollierbaren Bewegungen an Gegenständen verletzen (von Hautabschürfungen bis Knochenbrüchen). Letzteres lässt sich vermutlich kaum gänzlich vermeiden. Ersterem können Betroffene u.a. durch Fixierungen (Rumpf, Beine) im Rollstuhl oder Bett entgegenwirken, wobei auch Dusch- und Toilettenstuhl einen Sicherheitsgurt bekommen können.

    Zum Weiterlesen siehe u.a. die Beiträge Sieben Faktoren, die das Auftreten von Spastik bei Querschnittlähmung begünstigen können und wie man sie vermeidet sowie Spastik als Folge einer Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de


    Am 23. Juli 2024 stellte Leser Gregor S. in Zusammenhang mit der Reduzierung von Spastik folgende Frage:

    „Guten Tag,
    ich bin seit über einem Jahr querschnittsgelähmt. Ich habe sehr viel Spastik, aber nicht permanent, sondern bei Positionswechseln oder Streckungen der Extremitäten. Ich habe beobachtet, dass wenn ich etwas erkältet bin, lässt die Spastik nach, beziehungsweise verschwindet komplett sogar bis zu zwei Wochen. Sie kommt aber wieder, nachdem ich wieder mich von der Erkrankung erholt habe. Meine Frage: kennt jemand die Ursache für dieses Phänomen und gibt es eine gescheite Methode diese Kausalität auszunutzen?
    Mit vielen Grüßen
    Gregor“

    Am 6. September 2024 antwortete Leser Erwin P:

    „Lieber Gregor,
    ich kann nach Deiner Schilderung nicht an eine hinreichende Kausalität glauben, weil es an Relevanz für Deine Folgerung fehlt. Du schreibst, dass Du erst seit 1 Jahr querschnittsgelähmt bist und bei Dir anl. einer Erkältung die Spastik-Symptome verschwinden und erst wieder beginnen, wenn die Spastik wieder auftritt.
    Weil man aber höchstens 1-2 Mal im Jahr eine Erkältung bekommt, ist das o.g. Phänomen erst max. zweimal bei Dir aufgetreten und kann allerhöchstens als Zufall gewertet werden mit Blick auf die „Datenlage“. Von zweimaligen Ereignissen eine Regel oder gar eine medizinische Begründung abzuleiten, ist leider immer abenteuerlich.


    Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.
    Der-Querschnitt ist ein Informationsportal. Die Redaktion ist nicht dazu berechtigt, individuelle Beratungen durchzuführen.