Wissenswert für Menschen mit Querschnittlähmung: Warum im Urlaub die Verdauung verrücktspielen und was man dagegen tun kann
Das Darmmanagement bei Querschnittlähmung ist eine minutiöse Angelegenheit – schon die kleinsten Störungen der üblichen Tagesroutine können dazu führen, dass die Dinge aus dem Ruder laufen. Auf Reisen kann das leider schnell der Fall sein.

Für Menschen mit Querschnittlähmung kann ausgerechnet die schönste Zeit des Jahres, nämlich die Urlaubszeit, zu einer außergewöhnlichen Belastung werden. Und zwar nicht wegen mangelnder Barrierefreiheit am Urlaubsort oder im Reisegefährt der Wahl, sondern wegen dem Einfluss, den Reisen und veränderte Tagesrhythmen auf die Verdauung und das Darmmanagement haben können.
Im Folgenden werden mögliche Gründe für eine gestörte Verdauung im Urlaub und Abhilfestrategien genannt:
- Unregelmäßiges Essen
Wer einen Zug oder eine Flugzeug erwischen muss, kann sich die Abreisezeiten nicht immer aussuchen. Folglich kann die eine oder andere Mahlzeit auf Reisen ausfallen. Am Urlaubsort angekommen, verschieben sich die Essenszeiten ebenfalls häufig. Das gilt nicht nur dann, wenn man die eigene Zeitzone verlässt; in anderen Kulturen orientieren sich oft an ganz andere Zeiten, zu denen die Mahlzeiten eingenommen werden. In z. B. den Niederlanden kann man durchaus schon um 18 Uhr ein Abendessen bekommen, während man in Spanien bis 20 Uhr oder noch länger warten muss.
Das Beratungszentrum für Ernährung und Verdauung Querschnittgelähmter (BZ-Ernährung) rät: „Versuchen Sie Mahlzeiten nicht einfach ausfallen zu lassen, und informieren Sie sich ob und wo Sie am Urlaubsort Speisen zu Ihren gewohnten Essenszeiten bekommen können. Nehmen Sie die Ballaststoffe und Mittelchen für den Darm, die Sie zuhause einnehmen auch im Urlaub zu ähnlichen Zeiten ein.“ - Ungewohnte Speisen
Im Urlaub locken die exotischsten Leckereien und eine strenge Diät wird gerne über Bord geworfen. Ungewohnte Gerichte oder andere Zusammensetzung und Zubereitung en von Speisen, können die Verdauung und damit das Darmmanagement beeinflussen. So wird z. B. in der mediterranen Küche viel Olivenöl verwendet. In ungewohnten Mengen kann dies die Stuhlkonsistenz beeinflussen; und auch Gewürze, die man zuhause selten verwendet, können im Urlaub die Verdauung anregen.
Das BZ-Ernährung rät: „Auch hier gilt: Nehmen Sie auch im Urlaub die Ballaststoffe und Mittelchen für den Darm ein, die Sie von zuhause gewohnt sind und gönnen Sie sich Ihr Frühstücksmüsli, und kosten Sie einheimische Spezialitäten in Maßen.“ - Mangelnde Flüssigkeitszufuhr
Auch ein Flüssigkeitsmangel kann das Darmmanagement beeinflussen. Zu einer Dehydrierung kann es u. a. aufgrund etwaiger höherer Temperaturen am Urlaubsort kommen, die zu vermehrtem Schwitzen führen (siehe: Richtig trinken bei Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de). Andererseits kann es sein, dass das Trinken schlicht vergessen wird, keine ausreichende Zeit für Trinkpausen vorhanden ist oder bewusst auf das Trinken verzichtet wird, aus Angst keine geeignete Toilette für das Blasenmanagement zu finden.
Das BZ-Ernährung rät: „Um einer Verstopfung vorzubeugen, sollten Sie die Trinkmenge im Urlaub keinesfalls reduzieren und bei hohen Außentemperaturen bestenfalls erhöhen. Für das Blasenmanagement gibt es kleine Hilfen für unterwegs.“ Siehe: Ich müsste mal für kleine Frösche – Der-Querschnitt.de und Urinierhilfen für Frauen mit Querschnittlähmung – Der-Querschnitt.de - Unregelmäßiges Darmmanagement
Auf Reisen kann es vorkommen, dass für das gewohnte Darmmanagement keine Zeit ist. Wenn dann Ort und Zeit für das Abführen vorhanden sind, kann es sein, dass der Darm einfach nicht mitmachen will, weil der gewohnte Rhythmus unterbrochen wurde.
Das BZ-Ernährung rät: „Viele Menschen mit Querschnittlähmung führen nicht jeden, sondern nur jeden zweiten Tag ab. Reisetage und auch Ausflüge und Freizeitaktivitäten am Urlaubsort werden daher auf Tage gelegt, an denen ein aktives Darmmanagement nicht eingeplant werden muss. Falls dies nicht möglich ist, gilt: lieber einmal mehr als einmal zu wenig abführen. Wenn Sie z.B. am Dienstag und Donnerstag Abführtag hätten und am Donnerstag fliegen, dann kann es Sinn machen am Mittwoch nochmals abzuführen und dann wieder am Samstag, um mehr oder weniger im Rhythmus zu bleiben.“
Und auch eine eventuelle Zeitverschiebung kann eine Rolle spielen: Wenn es mal nicht so gut läuft mit dem Abführen, kann dies der Grund dafür sein. - Weniger oder mehr Bewegung
Häufig verändert sich der Bewegungsumfang im Urlaub, und beides – ein Mehr oder ein Weniger an Bewegung – kann auf den Weitertransport des Speisebreis im Verdauungstrakt Einfluss haben.
Das BZ-Ernährung rät: „Testen Sie bereits im Vorfeld aus, wie ein Mehr oder Weniger an Bewegung sich auf Ihr Darmmanagement auswirkt. Je besser Sie über die Reaktion Ihres Körpers Bescheid wissen, umso mehr sind Sie vor unliebsamen Überraschungen gefeit.“
- Psychische Anspannung
„Hoffentlich klappt das Abführen unter anderen Gegebenheiten!“ Diese Befürchtungen können sich in der Stuhlkonsistenz niederschlagen, die sich in zu dünnem Stuhl oder zu hartem Stuhl äußern kann und auch der Rhythmus kann gestört sein.
Das BZ-Ernährung rät: „Überlegen Sie im Vorfeld, welche Entspannungsübungen einen positiven Einfluss auf Ihr Gemüt haben, und üben Sie Ihr Stressmanagement regelmäßig das ganze Jahr über, so dass Sie im Urlaub auf Altbewährtes zurückgreifen können.“ Siehe: Entspannungsmethoden – Der-Querschnitt.de

Tipps von Weltenbummler mit Querschnittlähmung
Andreas Pröve ist Reisejournalist und häufig fernab der Zivilisation unterwegs. Das Toilettenproblem hat er auf kreative Art und Weise gelöst: „In der Sitzfläche meines Reiserollstuhls ist ein Loch. D.h. wenn ich etwas „nicht mehr brauche“, dann fällt das einfach raus… Oder ich hänge da eine Plastiktüte drunter, wenn nicht gerade eine Bodentoilette verfügbar ist – was in China (und manchmal ja auch noch in Frankreich) aber ziemlich üblich ist.“ (Siehe auch: Andreas Pröve über das Weltenbummeln im Rollstuhl – Der-Querschnitt.de)
Der-Querschnitt.de-Leser Viktor Hohenloser* weiß, dass bei der Urlaubsplanung sein Schwerpunkt auf dem Wörtchen „Planung“ liegen muss. Er sagt: „Ich führe jeden zweiten Tag abends ab. Das heißt, ich plane meine Urlaubsaktivitäten und Reisetage so, dass sie an einem Tag stattfinden, an dem ich nicht meine Zeit für das Darmmanagement aufbringen muss.“
Tetraplegiker Bernd Jost bereist in einem umgebauten Wohnbus Europa. Auf diese Weise stellt sich die Frage nach dem Stress bei An- und Abreise nicht, und seine Toilette hat er immer dabei. Die im Bus verbaute Trockentoilette funktioniert wie ein Katzenklo für Menschen und dient ausschließlich dem Darmmanagement. „Der Sand im Auffangbereich bindet die Ausscheidungen“, erklärt Jost. „Und dadurch, dass alles so trocken ist, ist die Geruchsentwicklung kaum vorhanden.“ (Siehe auch: Leben mit Querschnittlähmung: „Wenn Schwierigkeiten auftreten, kann man sie lösen.“ – Der-Querschnitt.de)
*Name von der Redaktion geändert.
Dieser Text wurde mit größter Sorgfalt recherchiert und nach bestem Wissen und Gewissen geschrieben. Die genannten Produkte, Therapien oder Mittel stellen keine Empfehlung der Redaktion dar und ersetzen in keinem Fall eine Beratung oder fachliche Prüfung des Einzelfalls durch medizinische Fachpersonen.
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